Nach zwei anstrengenden Monaten hörte der Spuk bei mir ja ziemlich abrupt auf. In diesen Wochen habe ich mich immer wieder in manch nervenzerfetzender Situation gefragt, ob ich vielleicht nicht doch lieber weitertrinken möchte, denn wie kann es bitte schön sein , dass ich dermaßen Saufdruck habe und trotzdem irgendwie glaube, dass ich mit Alk nicht mehr will (und dem Druck auch nicht nachgebe)?
Wollte ich vielleicht doch weitersaufen?
Im Nachhinein habe ich mir die Sache schlicht damit erklärt, dass ich mir ein paar biochemische Fehlschaltungen in Kopf (noch mehr ) und Stoffwechsel angesoffen habe und das diese es mir die ersten Wochen hin und wieder nicht eben angenehm machten (was den reinen körperlichen Suchtdruck angeht; allerdings wo will man da die Grenze ziehen, Körper und Seele – egal, ist unwichtig, kann ich mal in 10 Jahren drüber nachdenken, wenns mich dann überhaupt noch interessiert).
Abstinenzentscheidung und Suchtdruck müssen – oder sind es bei mir jedenfalls – nicht direkt zusammenhängen. Das war sehr wichtig für mich, das zu lernen.
Deswegen hatte ich dich übrigens auch gefragt, ob du zufällig übers kontrollierte Trinken gestolpert bist oder aktiv danach gesucht hast. Deine Gründe, wieder aufzuhören, könnten vielleicht nicht mehr ganz dieselben sein wie früher.
Ach: das war übrigens mein erster Aufhörversuch überhaupt, und auch wenn ich den ersten Anlauf durch meine zwei Besäufnisse jetzt im Mai versemmelt habe: durch das Schreiben und Lesen und Zuhören und in mich gehen (sehr anstrengend teilweise *ächz*) fange ich aber an, wieder an Boden zu gewinnen. Das ist ein gutes Gefühl.
Deswegen hatte ich dich übrigens auch gefragt, ob du zufällig übers kontrollierte Trinken gestolpert bist oder aktiv danach gesucht hast.
Jou Ingwertee...diese Frage Deinerseits fand ich auch ganz gut und geschickt
Auch wenn ich mich jetzt damit weit aus dem Fenster lehne.
Aber, m.M.n weiß jeder alkoholkranke Mensch ab einem gewissen Zeitpunkt ganz genau, dass das KT nichts wird.
Und dieser Zeitpunkt ist spätestens mit dem ersten Versuch wirklich trocken zu leben erreicht.
Weil es m.E. ein jeder Alki schon mindestens 100 mal versucht hat einzuschränken, merkt auch der dickste Dickschädel irgendwann: Dat wird so nix.
Alles was danach kommt...wie, die Suche nach einem Medikament...oder, das Recherchieren nach Möglichkeiten, weil der "Saufdruck" zu groß ist, sind im Grunde nichts anderes als: "noch eine Runde drehen wollen", MIT dem Hintergrundwissen, dass das sowieso (wie sonst auch immer:sly gegen den Baum geht.
ZitatGepostet von Don Bebido Aber nun sagt mir doch mal endlich, was Ihr macht wenn Ihr Suchtdruck bekommt. Das versuche ich schon seit gestern herauszufinden und niemand beantwortet meine Frage
mal überleg -denn mein letzter Suchtdruck ist pi mal Daumen 3 Jahre her-: ich hab hier im Forum geschrieben, was mich beschäftigt / belastet, konnte dieses dank der Saufnixen aufdröseln / auflösen.
Im ersten Jahr ohne Alkohol allerdings hatte ich öfter Suchtdruck. Ich war damals in Therapie, es veränderte sich viel für mich, es wurden "Dinge" an- und ausgesprochen von mir, die mir im Leben nicht klar / bewusst waren. Und ich entdeckte meine Gefühle, damit war ich anfangs sehr überfordert. Es löste sich etwas in mir, das mir Angst und Unruhe machte. Weil ich keine Ahnung hatte, wie damit umgehen, steigerte sich meine Unruhe bis ins Unerträgliche = Suchtdruck pur. Suchtdruck bedeutet für mich, dass da etwas im Argen liegt, was ich mir nicht bewusst mache, also verdränge; ich nicht auf mein inneres Ich höre.
Auch heute -nach 7,5 Jahren alkoholfrei- gibt´s immer mal wieder Phasen, in denen es mir psychisch schlecht geht. Aber die -auch wenn´se nerven - sind okay für mich. Vermutlich, weil ich verinnerlicht habe, dass diese Zeiten durch Alkohol nicht besser werden. Ich hab soviel erreicht, das möchte ich nicht aufgeben.
Also, Suchtdruck aushalten und ablenken mit Bewegung und Gesprächen und viel Wasser.
ZitatGepostet von Don Bebido Aber nun sagt mir doch mal endlich, was Ihr macht wenn Ihr Suchtdruck bekommt. Das versuche ich schon seit gestern herauszufinden und niemand beantwortet meine Frage
KURZFRISTIG (In Sekunden wirksam und möglich):
- Wasser trinken - Essen - Situation verändern, sich bewegen - Kopf zum Fenster raus strecken, tief durchatmen: Den Gedanken "Jetzt nicht" verankern. - Entspannen, den Suchtdruck "loslassen": Tief ausatmen und sich dabei vorstellen, wie der Suchtdruck "aus den Händen abfließt" - Sich klar machen, dass Alkoholabhängigkeit eine KRANKHEIT ist, deren Genesung Zeit braucht. - Die Freiheit vom "Trinken müssen" im Kopf visualisieren: Was war mein widerlichster Moment in meiner nassen Phase? Der kommt wieder, wenn ich jetzt trinke. - Daran denken, dass der Suchtteufel genau diese eine Attacke auf meine Trockenheit nicht gewinnt!
MITTELFRISTIG (Innerhalb der nächsten Stunden realisierbar)
- Alleinsein vermeiden: Gespräche lenken ab - SHG, z.B. AA-Meeting aufsuchen (Dort sind Menschen mit genau denselben Problemen!) - Räume aufsuchen, in denen man defintiv nicht trinken kann: Kino, Kirche, Meditationsraum, Kaufhaus ... - Schlafen
Auch scheinbar unlösbare Probleme lassen sich TROCKEN langsam aber sicher lösen (Schulden, Arbeitslosigkeit, Beziehungs-/Eheprobleme etc.)!
Wer JETZT nicht rückfällig wird, wird schneller als er denkt, bessere Zeiten erleben.
NL
P.S.: Ein akuter Entzug gehört in die Hände von Ärzten!
sag nix gegen triathlon,dat is schön,wenn mans nicht übertreibt.
das hab ich nicht bezweifelt. Bergsteigen ist auch schön.
Es ging mir eher um die Frage, warum sich ein und derselbe Mensch beim einen Thema den Arsch aufreisst und beim anderen jammert wie schwer es ist.
Bei mir war das so ähnlich - so lange es schön war, dass der Schmerz nachgelassen hat, war mir zum Nüchternwerden/bleiben nix zu schwer...aber so bald es wieder gut ging, kam der Durst.
Und dem nachzugehen, war mindestens so wichtig wie Techniken um den momentanen Saufdruck zu überwinden...das hilft nämlich alles nix, wenn man den Druck nach ein paar Tagen oder Wochen gar nicht mehr überwinden will.
ich hab wirklich und wahrhaft geglaubt, es könnte klappen mit dem kt nach meinen 3 trockenen jahren. sonst hätte ich nicht wieder angefangen, denn mich hat ja auch das erste mal mein übermäßiges saufen zum aufhören bewegt. aber nach 3 jahren dachte ich wirklich, ich könnte ab und zu mal ein glas trinken. frag mich bitte nicht warum. ich habs einfach geglaubt. ich hab mich auch nicht drüber großartig informiert oder so. heute weiß ich todsicher, dass ich nicht kontrolliert trinken kann. und das ist eine große erleichterung für mich.
"Aber nun sagt mir doch mal endlich, was Ihr macht wenn Ihr Suchtdruck bekommt."
Ich verspüre den Saufdruk momentan fast täglich. Kann Dir bestens nachempfinden. Am schlimmsten / gefährlichsten sind Situationen, in denen ich nach einem besonders stressreichen Tag nach Hause komme, mir beispielsweise etwas koche und dann urplötzlich das Gefühl bekomme, ich hätte doch jetzt ein Glas Wein verdient. Nur ein kleiner Apéro und dann zum Essen ein Glas Rotwein. Ich sehe mich, wie ich da vor meinen Töpfen stehe, mir der Spass am geliebten Kochen vergeht und nur noch so vor sich hindampft. Jetzt erst recht: ein Glas Weisswein neben mir, und das Kochen wäre doch wieder das gewohnte, alte Wohlfühlprogramm...
Kurzfristig hilft mir (manchmal) das Trinken von Wasser oder Tee. Ich bereite im Moment literweise Minzentee zu, da die Minze im Garten heuer wieder mal herrlich gedeiht. Ich versuche mich mit einem Buch oder Film abzulenken. Ich erledige etwas, das ich vor mich hingeschoben habe und das sich in nützlicher Frist erledigen lässt: Rechnungen bezahlen, Planzen umtopfen, Fahhrrad putzen, ...
Längerfristig: da es mir mehr denn je Mühe bereitet, mich zum Sport zu bewegen (obwohl ich weiss, wie gut er mir tut), habe ich mich bei einem Lauftreff in unserer Stadt angemeldet. Während der Sommermonate wird zweimal die Woche am Abend zwischen 5 und 10 km gelaufen. Zwar ist das ganze nicht so verbindlich, dass man sich abmelden muss, wenn man nicht hingehen kann, aber ich kam bis jetzt noch nie in Versuchung, dem Training fernzubleiben. Mir gefällt dabei, dass es nur eine Stunde dauert, ich mich ausgiebig bewege und anschliessend entsprechend stolz auf mich sein kann, ich in einer Gruppe bin, wo ich ganz neue Leute kennnenlernen kann, ich ausser Laufen nix sonst leisten muss . Aber vor allem sind es zwei Abende in der Woche, an denen der Saufdruck es schwer hat, sich bei mir stark zu machen. Bis jetzt funktioniert es gut. Vielleicht gibt es ja auch irgendwas, das am Abend stattfindet und zu dem Du Dich anmelden kannst.
Ich versuche, wenn ich den Saufdruck verspüre, mir vorzustellen, dass er sich wie eine Welle im Meer aufbaut. Zuerst merkst Du nichts davon, dann plötzlich wird sie sichtbar, bzw. plötzlich tritt der Saufdruck ins Bewusstsein. Die Welle baut sich auf und auf und auf, wird immer mächtiger, kraftvoller, Anst einflössender - aber irgendwann bricht sie oder läuft wieder aus. Irgendwann, nach nicht allzulanger und theoretisch berechenbarer Zeit verschwindet sie wieder. Das ist so sicher wie das Amen im Gebet! Ich stelle mir jeweils vor, dass es sich mit dem Saufdruck ebenso verhält: er geht vorbei - so sicher wie das Amen im Gebet.
Tja, das Wort "Saufdruck" will mir auch nicht so recht gefallen. Ist gut, sprichtst Du mich darauf an.
Ein Loch, ja, vielleicht ein schwarzes Loch. Die schwarzen Löcher sollen ja eine unheimliche Kraft besitzten, die alles verschluckt . Also ein Schluckloch. Denn oft fühle ich den Druck, das Reissen im Bereich des Mundes, des Rachens und irgendwie zwischen meinen Rippen.
ZitatGepostet von funkelsternchen [b]dry, ich widersprech dir mal ganz kurz.
ich hab wirklich und wahrhaft geglaubt, es könnte klappen mit dem kt nach meinen 3 trockenen jahren. sonst hätte ich nicht wieder angefangen, denn mich hat ja auch das erste mal mein übermäßiges saufen zum aufhören bewegt.
Jo funkelchen...wieso wiedersprechen?
Ich schätze mal, dann hast Du hast diese Option, irgendwann mal wieder kontrolliert trinken zu können, von Anfang an Deiner Trockenphase nie ganz ausgeschlossen.
...was diese Aussage hier:
ZitatGepostet von funkelsternchen aber nach 3 jahren dachte ich wirklich, ich könnte ab und zu mal ein glas trinken.
...noch untermauert.
Meine Aussage war:
ZitatGepostet von dry68 Aber, m.M.n weiß jeder alkoholkranke Mensch ab einem gewissen Zeitpunkt ganz genau, dass das KT nichts wird.
Und dieser Zeitpunkt ist spätestens mit dem ersten Versuch wirklich trocken zu leben erreicht.
...mit Betonung auf: "wirklich trocken".
Damit fällst Du selbst mit 3 Jahren Abstinenz noch in das eine von mir genannte Muster
ZitatGepostet von dry68 ...das Recherchieren nach Möglichkeiten, weil der "Saufdruck" zu groß ist, sind im Grunde nichts anderes als: "noch eine Runde drehen wollen"
Gut, ich bin jetzt gerade mal 2,5 Jahre trocken...aber ich glaube von Mir jetzt schon behaupten zu können, dass ich auch in 10 Jahren noch weiß, dass ich nicht kontrolliert trinken kann, was aber keineswegs bedeuteten muss, dass ich dann nicht wieder saufen will
ZitatGepostet von Don Bebido Doch, genau das wollte ich hören:
Was machst Du denn beispielsweise konkret um Dich abzulenken?
Ich habe damals mit Trinken und Rauchen gleichzeitig aufgehört und muss zugeben, dass ich zu Beginn sehr ausgiebig mit Essen kompensiert habe. Wobei ich Saufdruck eigentlich nicht kenne, dafür aber umso heftiger den Rauchdruck. Das war für mich definitiv schlimmer.
Ablenken konnte ich mich z.B. mit Bügeln, mit Kochen, mit Spazierengehen, mit Socken stricken , mit Sport und auch mit dem Stöbern im Saufnix. Also alles ganz banale Dinge, die mich jedoch oftmals über die Zeit gebracht haben. Jede Art von Beschäftigung ist besser, als nichts zu tun. Du musst herausfinden, was Dir am meisten bringt. Na ja und der Rest ist halt Aushalten, darauf läuft es hinaus.
Ich habe G.s.D. nicht lange gebraucht, um mich an ein Leben ohne Alk und Zigaretten zu gewöhnen. Und die rangefutterten Kilos sind auch wieder weg.
Ein paar wenige Male hatte ich in den vergangenen Jahren kurz den Gedanken meine Gefühle mit Alkohol betäuben zu wollen, so, wie ich es jahrzehntelang gewohnt war. Es dauerte nie länger als ein paar Stunden und ich habe es ausgehalten. Es ist ein schönes Gefühl, zu erkennen, dass ich auch ohne Alkohol unangenehme Umstände durchstehen kann. Es lässt mich wachsen, es macht mich stark.
Ich kann mir für mich gerade überhaupt nicht mehr vorstellen zu trinken. Es ist einfach vorbei.
LG,
Sabine
Liebe bedeutet, jemanden zu haben, der unsere Vergangenheit versteht, an unsere Zukunft glaubt und uns heute so annimmt wie wir sind. :love3:
Komm auf die Hufe, die ersten Hände, die helfen können, stecken in den eigenen Hosentaschen! Zitat Nonick
gleich nach den ersten Malen Suchtdruck stur aushalten: das Gefühl am nächsten Morgen, der Blick in den Spiegel ohne verquollene Visage und glasige Augen, atmen ohne Alk-Fahne im Rachen -> so genial.
Auch DAS hat mir anfangs dann zunehmend ganz enorm geholfen, wenn mich der Suchtdruck plagte. Dazu musste aber erstmal in die Gänge kommen Du warst 11 Jahre trocken - damit weißt du doch schon viel länger als ich, wie klasse das ist, ohne Alk zu leben.