09.12.16: Hallo an alle, ich lese schon einige Wochen mit und nehme jetzt die Klippe, mich anzumelden. Eine kurze Vorstellung: Ich bin Alkoholikerin, gerade 50 Jahre geworden und kämpfe seit 30 Jahren gegen den Alkohol. Diesen Kampf kann ich nicht mehr führen, denn mir fehlt jede Kraft. Ich trinke seit meinem 11. Lebensjahr, viele Jahre war das Ziel „Verlust der Muttersprache“. Ich hatte sogar mal eine 3 jährige Trinkpause. Wie gut ich mich da gefühlt habe! Das habe ich ganz ohne Therapie oder Gruppe gewuppt. Seit Jahren eiere ich nun rum mit Versuchen, das Trinken zu kontrollieren- aber alkfrei bin ich keinen einzigen Tag. Oder Quatsch, Im vergangenen Jahr gab es ein paar Wochen- da war ich in einer Tagesklinik. Ich habe vorzeitig abgebrochen, noch einige Tage durchgehalten und mir dann eingebildet, ich könne jetzt „moderat“ trinken. Ha. Ha. Ha. Das Gegenteil war der Fall- ich habe angefangen, Schnaps zu saufen. Auch, tagsüber zu trinken, mich krankschreiben zu lassen um zu entziehen- und dann 2 Wochen nonstop zuhause gesoffen. Der jetzige Stand ist: Ich kann nicht mehr. Ich scheitere täglich, und hinzu kommen die altbekannten Panikattacken beim Autofahren. Seit 3 Tagen kämpfe ich mich morgens ein paar Straßen entlang mit dem Auto- und schaffe es nicht. Dann geht’s ab mit den Öffentlichen zur Arbeit. Ich werde immer kleiner… Vor kurzem habe ich geheiratet. Mein Mann trinkt auch täglich, auch Schnaps. Er sagt, er hat kein Problem es zu lassen- will es aber nicht. Es wird sehr schwer unter diesen Bedingungen. Mein Plan: Runtertrinken, und zwar schnell. Will heißen: Heute noch 2 Bier, dann nix mehr. Ich weiß, das ist sehr gefährlich- aber das Krankenhaus ist um die Ecke, und mein Mann informiert. Bisher habe ich bei diesen Selbstversuchen immer nur sehr stark geschwitzt, Hände flattern sowieso, Schüttelfrost, Übelkeit. So, das ist es erstmal in groben Zügen…
12.12.16: Das obenstehende habe ich Freitag geschrieben, da war ich noch nicht freigeschaltet. Tja: Was für ein TOLLER Plan mit den 2 Bier. Die Realität: 2 Bier getrunken, dann gedacht „na, okay, heute letzter Tag- da geht noch eins“…Das Ende waren 7 halbe Liter, und weils so schön war- noch ne Flasche Rotwein drauf… Sonnabend dann entsprechend zerschossen aufgewacht, wie immer enttäuscht von mir, verzweifelt. Als ob ich nicht wüsste, das ich es nicht kontrollieren kann…Nun. Seit Sonnabend habe ich nichts getrunken, sprich heute ist der 3. Tag. Ich habe geschwitzt, geklappert, gekotzt- aber nicht getrunken. Und bin heute morgen ins Auto gestiegen, habe gezittert wie blöde- diese Scheiss Angst-vor-der-Angst- und habe es geschafft, ohne Panikattacke zur Arbeit zu fahren. Dafür bin ich sehr dankbar. Und ich weiß: Ich habe das nur geschafft, weil ich nicht getrunken habe!
Ich freue mich, nun öffentlich hier zu sein und hoffe auf regen Austausch. Einen guten Wochenstart wünscht Euch allen
Hallo, Ama...und ein Herzliches Willkommen von mir
Vielleicht magst Du ja doch noch heute einen Termin bei Deinem Hausarzt machen?
Du weißt wie gefährlich kalter Entzug ist und dann noch Auto fahren:-(
Der Ausstieg aus der Sucht vollzieht sich körperlich und seelisch...möchtest Du dies wirklich, so aus tiefstem Herzen?
Dann tu es und hole Dir alle Hilfen die Du bekommen kannst.
Leider sehe ich Deinen Partner "noch" nicht als Hilfe, aber das sind Hürden die später zu meistern sind, jetzt bist Du dran.
Es ist die wahrlich beste Entscheidung die Du für Dich treffen kannst, eine Entscheidung FÜR das Leben!
Viele Grüße!
Manuela
--------------------------------------------------------------------------------------------------------------- Das Leben ist schön, von " einfach " war nie die Rede.
gut, dass du dich angemeldet hast und den Wunsch hast mit der Sauferei aufzuhören.
Da du ja unzählige Selbstversuche hinter dir hast und bisher beim kalten Entzug wohl immer auch grosses Glück hattest, müsstest du mal überlegen ob du das wirklich alleine wuppen kannst.
Mit einem trinkenden Partner wird es bestimmt nicht so einfach sein. Aber ich glaube allemal machbar.Mein Mann trinkt auch sein Bier und ich bin die grosse Ausnahme unter unseren
Freunden, weil ich keinen Alkohol trinke.
Du musst das nicht alleine stemmen, es gibt genug Hilfe es kostet nur Überwindung und das Ablegen von falscher Scham.
Der Gewinn ist das Leben und zwar ungedämpft, real und lebenswert.
Hallo Septembersonne, danke für deinen Willkommensgruß! Ich war bereits 3 Mal auch in Therapie- aber ich scheitere an dem vielen Input, der mich z.B. in der Tagesklinik völlig überfordert hat. Zu viele Menschen- und ich habe sofort das Gefühl, ICH müsste helfen. Ich verliere mich da.
Körperlich fühle ich mich erstaunlich gut- also ich zittere heute nicht mehr. Aber die Seele- ja, die wird wohl noch das eine oder andere Jahr hinterherhinken.
Mit meinem frisch angetrauten Mann, der trinkt wird es sauschwer, da mache ich mir auch nix vor. Ich will es dennoch. Unter Alkohol werde ich zu einem furchtbaren Menschen. Sowieso schon sehr kämpferisch, bin ich dann schon fast streitsüchtig oder sagen wir mal- ich gehe keinem Streit aus dem Weg. Ich will dieser Mensch nicht sein. Alkohol hat noch aus KEINEM Menschen einen BESSEREN gemacht, glaube ich.
"Es ist so: Ich will das schaffen. Und wenn sich zeigt, dass es aufgrund der Trinkerei meines Mannes zu schwer ist- dann muss ich ihn verabschieden."
Manchmal, so war es auch bei mir hat sich im Nachhinein rausgestellt, dass z.B. mein Mann ohne mein ständiges Gedrängel "ach ein Bier können wir ja noch trinken..." sein Alkoholkonsum allein durch meine Abstinenz drastisch runtergefahren hat.
Er ist nicht abhängig und ich gönne ihm sein Bier.
Der Alk ist allgegenwärtig und man kann ihn nicht immer aus dem Weg gehen. Aber man kann jederzeit "..Nein Danke" sagen.
Zitat: "Ich kann mich nicht an Dir messen, du bist schon lange trocken..."
Aber auch ich habe einmal mit Tag 1 angefangen, wie jeder hier.
bei mir liegt der Fall etwas anders- denn mein Mann ist Alkoholiker- da gibt es keinen Zweifel. Er würde das nicht zugeben, denn er ist der Meinung das er "voll im Leben steht". So einer ist in seinen Augen kein "Schlucki". Als wir uns kennenlernten, hatte er eine Trinkpause von 6 Wochen- das war auch der Grund für mich anzunehmen, er sei gar nicht wie ich. Heute weiß ich es besser.
Ich werde den Teufel tun, zu versuchen ihn zu "missionieren"- mit mir habe ich erstmal alle Hände voll zu tun.
Aber eines habe ich ganz deutlich gemerkt: Alkohol macht die Seele kaputt. Man wird aggressiv oder selbstmitleidig und der Alk nimmt einem jede Kraft. Ich will die beste Version meiner selbst sein und das auch ihm als Ehefrau. Das geht aber nur, wenn ich das Nervengift weglasse. Ansonsten haben wir ne Zukunft als verbitterte, verkaterte, vernebelte Zombies vor uns.
Huhu Ama und auch von mir ein herzliches Willkommen!
Das hier ist wohl ein realistischer Blick in die Zukunft, wenn es so weiter geht.
Zitat von Ama im Beitrag #7 Aber eines habe ich ganz deutlich gemerkt: Alkohol macht die Seele kaputt. Man wird aggressiv oder selbstmitleidig und der Alk nimmt einem jede Kraft. Ich will die beste Version meiner selbst sein und das auch ihm als Ehefrau. Das geht aber nur, wenn ich das Nervengift weglasse. Ansonsten haben wir ne Zukunft als verbitterte, verkaterte, vernebelte Zombies vor uns.
Was waren denn das für Therapien, die Du gemacht hast? Waren diese suchtspezifisch?
Der Gang zur Suchtberatung könnte auch eine gute Option sein. Da sitzen Profis, die Dir Wege aus der Sucht aufzeigen können.
danke für Deinen Willkommensgruß! Meine erste Therapie war eine Gesprächstherapie- der Therapeut (nicht zugelassen) war früher selbst Alkoholiker. Ich habe es noch nicht erwähnt glaube ich, aber in dieser Zeit war ich tatsächlich 3 Jahre trocken- und das während der WM im eigenen Land (ich bin sehr fußballaffin).
Leider musste ich ihn selbst finanzieren und war schon bald unheimlich überzeugt davon, dass ich doch gar keine "richtige" Alkoholikerin sein könnte. Als ich dann einen Kerl kennenlernte und mich verliebte, wollte ich beim date nicht spaßbremsig rüberkommen und habe Rosé mitgetrunken. Diese Beziehung war ebenso giftig wie der Alkohol, der alsbald in Strömen wieder floss. Schön bescheuert, wa.
Ich habe auch einen Versuch in der Tagesklinik gestartet- dort habe ich 6 Wochen verbracht. Für mich eine sehr, sehr anstrengende Zeit, da so viele Leute dort waren und mir vom Input manchmal fast der Kopp geplatzt ist. Ich bin nach außen ein ausgesprochen kommunikativer Mensch, schließe leicht Kontakt- brauche aber eigentlich ganz, ganz viel Rückzug. Ich habe teilweise schon was soziopathisches. Wenn meine Kolleginnen DAS jetzt hören würden, würden sie brüllen vor Lachen. Auf Arbeit bin ich das "verrückte Huhn", die immer-Lustige, die nix umhaut, die Katastrophen-Queen, die dennoch immer lacht. Tja- ist nicht immer alles so, wie es scheint. Aber meine Kolleginnen kennen mich auch traurig und wissen von meiner Sucht (zumindest die beiden, die mir sehr nahestehen). Ihnen gegenüber bin ich absolut authentisch.
Eine weiter "Therapie" habe ich gemacht, indem ich im Krankenhaus 10 Tage entgiftet habe- und dann direkt wieder arbeiten gegangen bin. 3 Monate später, im Ibiza-Urlaub, habe ich mit einigen 5l- Kanistern Bier auf dem Zimmer gehockt und mir die Kante gegeben...
Heute ist Tag 4. Ich bin heute früh aufgewacht, ausgeschlafen, ohne Schädel- und war darüber unwahrscheinlich glücklich.
Ich habe noch was vergessen zu sagen (fällt mir gerade ein, weil ich was von Feld-Wald-und Wiesenjunkies lese...) Seit dem 11. Lebensjahr ist neben Saufen bis zum 30. Lebensjahr (Kiffen noch länger) auch jedwede andere Droge weggemacht worden, die sich mir entgegen geworfen hat. Koks, Unmengen Speed, LSD, Heroin (nur 2 Mal), sogar Fleckenwasser habe ich geschnüffelt. Heim und Straßenkind halt.
Für mich ist Sucht= Sucht, ich werte da nicht. Sucht erzeugt Druck, versaut den Charakter und vergiftet die Beziehungen zu anderen Menschen. Da ist es meines Erachtens komplett latte, ob ich kokse oder kiffe oder saufe.
Zitat Für mich ist Sucht= Sucht, ich werte da nicht. Sucht erzeugt Druck, versaut den Charakter und vergiftet die Beziehungen zu anderen Menschen. Da ist es meines Erachtens komplett latte, ob ich kokse oder kiffe oder saufe.
...und zerstört die Beziehung zu Dir selbst, Ama.
Einen guuuten Tag Dir gewünscht!
Viele Grüße!
Manuela
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Danke Dir Septembersonne- dir auch einen schönen Tag!
Und ja: Auch die Beziehung zu mir selbst. Die war allerdings noch nie so besonders gut, leider. Was Wunder bei der Drogen- und Alkoholspinne, die ich bin.
ZitatUnd ja: Auch die Beziehung zu mir selbst. Die war allerdings noch nie so besonders gut, leider. Was Wunder bei der Drogen- und Alkoholspinne, die ich bin.
Das wäre doch mal jetzt ein guter Anfang, denke ich, Dich selbst zu wertschätzen und zu lieben.
Mach Dir ruhig jeden Tag dies besonders wertvolle Geschenk...einen abstinenten Tag
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Zitat von septembersonne im Beitrag #13Das wäre doch mal jetzt ein guter Anfang, denke ich, Dich selbst zu wertschätzen und zu lieben.Mach Dir ruhig jeden Tag dies besonders wertvolle Geschenk...einen abstinenten Tag
Ich geb mir Mühe und hangele mich auch an Kleinigkeiten hoch. So z.B.: Morgens in den Spiegel sehen und keine verquollenen dicken Augen zu sehen! Ich find, das ist schon was!
Mehr noch: Immer schon ein guter Esser (muss ich auch, ich baue schnell ab)- ernähre ich mich nun NOCH bewusster. Gerade lese ich mich in Ayurvedische Kost ein.
Zitat von Ama im Beitrag #10Für mich ist Sucht= Sucht, ich werte da nicht. Sucht erzeugt Druck, versaut den Charakter und vergiftet die Beziehungen zu anderen Menschen. Da ist es meines Erachtens komplett latte, ob ich kokse oder kiffe oder saufe.
Sehe ich auch so.
Zitat von Ama im Beitrag #14 Ich geb mir Mühe und hangele mich auch an Kleinigkeiten hoch. So z.B.: Morgens in den Spiegel sehen und keine verquollenen dicken Augen zu sehen! Ich find, das ist schon was!
Das ist schon toll am Anfang diese Veränderungen wahrzunehmen. Ich konnte nach einigen Tagen wieder nicht nur kurz in den Spiegel sehen, sondern es "aushalten" im Gengensatz zu Saufzeiten.
Wie gestaltet sich denn Dein Alltag mit Deinem Mann? Ändert sich da etwas in seinem Konsum? Wie geht es Dir damit?