Jo – tatsächlich sind 20 Jahre rum, wow! Ist schon ne Hausnummer.
Und noch dazu mein Lieblings-Monat, September – Gerne erinnere ich mich an die Zeilen von Hermann Hesse:
„Das Blau der Ferne klärt sich schon, vergeistigt und gelichtet, zu jenem süßen Zauberton, den nur September dichtet.“
Dieser September ist ein Monat, in dem wiederholt Veränderungen stattfanden, kleine, große, oder solche, die als eine kleine Abweichung beginnen, und dann heranwachsen zu Entscheidungen.
hm, was fällt mir zu den zwei Jahrzehnten ohne Alkohol ein?
schwierig war's im Grunde nicht, der Absprung fand statt als der Leidensdruck zu groß wurde. Kein Schlafen unter Brücken – aber das Leben voller Angst, Resignation und Hilflosigkeit.
Eine Kündigung im Job stand bevor: Zukunftsangst, und auch Angst davor was ich mit einer großen Geldsumme anstellen würde, die ich als Abfindung erhielt.
Dann in den ersten Monaten (ohne dies Forum hier zu kennen) Euphorie und durchaus zu viel Sorglosigkeit und zu viel meiner Lässigkeit. Gut dass ich einen Schutzengel hatte, vielleicht jener der mich schon bei riskanten Drogen-Exzessen beschützt hatte.
Eine 'Intervention' dieses Wesens ist mir noch gut in Erinnerung:
es war einige Monate nach dem Trink-stopp, meine Gemütslage war an jenem Tag ganz ungewiss, es stand ein Besuch einer Firmen-Feier an, ein stadtbekanntes Saufgelage.
An diesem Tag war es mir, als ob alles passieren könnte, zwar war der Vorsatz noch aktiv, aber aus der Richtung der Sucht kam ein unbestimmtes Raunen... weiß es nicht aber ich denke, ich wäre umgefallen, wenn's alkoholisches gegeben hätte.
Ja, hätte...! Denn als wir da aufschlugen und am Schank-Tisch standen, gab ein großes Schild kund, dass auf dem gesamten Areal nur alkoholfreies Bier ausgeschenkt wird!!! War's Zufall? In meiner Matrix hab ich beschlossen – nein! Ganz meinem Typus entsprechend, der sich immer was offen lassen will.
Dann war noch die Situation damals die, dass ich viele Monate zuhause war, nicht gearbeitet habe, und ein ruhiges Umfeld hatte. Und dieses Forum trat in mein Leben; unentbehrlich, da ich sonst keinerlei Reflexion betrieben hätte. Damals schrieben hier noch Leute wie Minitiger oder Spieler und es war ein sehr lebendiger Austausch. Das half entscheidend. Danke dafür!
Dann noch:
Eine großangelegter Versuch einige Jahre zuvor ist mir auch von großem praktischen Nutzen gewesen:
Zum Milleniums-Wechsel schon wollte ich schon dem Alkohol Lebewohl sagen. Ich trank also im neuen Jahrtausend etwa sechs Monate nichts...bis schließlich der Tyrann sein Haupt erhob und die Ferien beendete.
Ich stieg mit zwei Bier wieder ein. Das konnte ich sogar einige Zeit aufrecht erhalten, aber nach und nach.... Ende vom Lied: nach über zwei Jahren war ich auf dem tiefsten Punkt ever.
Für mich ein Bilderbuch-Beispiel und steht unangreifbar mahnend hinter mir. Ich hab das dann noch 'bearbeitet', dh. Ich sicherte das Ganze so ab, dass jegliches Argument aus der verführerischen Sucht-Ecke keinen Einlass – für immer, erhielt.
Nach und nach saß ich dann immer fester im Sattel, die hauptsächlichsten Schwierigkeiten kamen aus dem emotionalen Bereich.
Was noch dazu kam – und hier spielt natürlich mein Lebenslauf mit rein – war eine Trennung nach langjähriger Ehe, Umzug und Neu-Anfang in einer großen Stadt und das Kennenlernen einer Gruppe von Menschen, denen ich mich öffnen konnte. War auch ausschlaggebend. Ich war geschädigt von jahrelanger Suff-Isolation und die verkrampfte Panzerung meines Wesens benötigte dringend eine Auflockerung.
Die Wirren des Existenzkampfes waren damals nicht ohne – nachdem ich aus dem Nest der Ehe geschmissen war, musste ich zudem noch lernen, alleine einen Hausstand zu führen. Neuland.
Aber es geschahen viele neue Dinge: Wechselnde Beziehungen und Arbeitgeber, oder Auszeiten, Reisen in Länder, wo kein Alkohol präsent ist, vor allem der Austausch mit herzlichen Menschen, die sich fühlbar unter der Oberfläche mir zuwandten – all das war gewissermaßen die Nach-Reifung.
Nach zwei Jahren etwa war das neue alkoholfreie Leben langsam auch in die letzte Schicht des Zell-Gedächtnisses vorgedrungen und brauchte keinerlei Maßnahmen mehr. Bis heute ist es so geblieben.
Tja, und mittlerweile bin ich in meinem sechzigsten Lebensjahr angelangt. Mein äußeres Leben ist seit der Alkoholzeit ganz schön in Fahrt gekommen, in den letzten fünf Jahren hatte ich sechs Arbeitgeber. Auch eine Brauerei kommt darin vor.
Und ich bin derzeit bei der Challenge meines Lebens angekommen: eine Arbeit die mich übelst herausfordert und wo kein Tag dem anderen gleicht! Einstellen und Umbauen von technischen Anlagen in der Industrie. Das Element des Risiko's ist oft da, aufpassen ist angesagt..! Adrenalin-lastig das Ganze....ich erlebe tägliches Scheitern und mache trotzdem weiter...ein ideales Trainings-Feld...da surfen lernen.
Da waren auch Befürchtungen, ob meine Gehirnkapazität noch ausreicht, aber ich merke zu meiner Überraschung, was alles noch geht.
Macht's gut
Keep up the good work
Randolf
"Wenn du ein Problem hast und es nicht haben willst, hast du bereits zwei. "
20 Jahre vollgepackt mit Erfahrungen, Enttäuschungen, Freuden und so allerlei Reisewelten in unbekannte innnere und äußere Gefilde. Sehr motivierend dein Weg, liest sich echt, und zeigt die vielen Schwingungen, Abzweigungen und Eigenheiten des Lebens. Das Du jetzt noch eine deartige berufliche Herausforderung angenommen hast, why not, und doch stecke ich da nicht drin und nur du kannst wissen, ob dir das gut tut und manchmal weiß man das erst hinterher. So ist das bei mir jedenfalls. Gut, dass du an dem von dir beschriebenen Zeitpunkt nicht gekippt bist.
Danke für deinen Beitrag und das Aufzeigen wie herrlich bunt die "trockene" Welt doch sein kann.
Bis die Tage, Bodhi
Einfach SEIN- genügt völlig und mehr geht auch nicht. Das ist das volle Glück.
nun, die jetzige berufliche Herausforderung ist etwas, das mir zuteil wurde und der ich mich - ohne Selbstmitleid - stelle, um die verborgenen Seiten meiner selbst kennen zu lernen. Der Hang zur Bequemlichkeit, Ungestörtheit, all die Vermeidungs-Muster - sind nun an der Reihe, ans Licht zu kommen. Das kann ich nur im realen Leben umsetzen, will sagen: bei genau dieser Herausforderung. Ein anspruchsloser Job oder gar eine Vermeidung von äußeren Unannehmlichkeiten - hab ich lange praktiziert, bin weggelaufen, hab die Augen geschlossen. Das hat nicht viel eingebracht.
Mich dem Gegenwärtigen zu stellen finde ich aufwühlend und gleichzeitig stärkend. Sicher ist auch die Sorge im Hintergrund, noch was anderes zu finden, als Sechzig-Jähriger noch auf dem Arbeitsmarkt herumgeistern ist bestimmt nicht schön.
Ein anderer Punkt ist, dass ich - in meiner Matrix - dies als eine Art des Bezahlens ansehe, das nun stattfinden kann. Alte Rechnungen meiner Lebensweise in den vergangenen Jahrzehnten.
Ich versuche also folgende Empfehlung zu leben:
"Ein Sufi zu sein bedeutet, wegzuräumen was du im Kopf hast - eingebildete Wahrheit, Vorurteile, Konditionierung - und sich dem zu stellen, was auf dich zukommen mag."
Und nun geht es in den Urlaub, die Berge warten schon.
wünsch dir was
bis bald
lg
"Wenn du ein Problem hast und es nicht haben willst, hast du bereits zwei. "