Ja ... Diese Empfindung ... dass in einem selber "alles" gestorben zu sein scheint ... sie stimmt nicht! Es mag "alles" zugeschüttet sein, aber nicht gestorben ... In solchen Momenten spürt und fühlt man "es" zwar nicht ... und doch ist "es" noch vorhanden ... Leben-und-Erleben ... tief in einem selber vergraben!!!
Da es mit mir offensichtlich seit ein paar Wochen wieder aufwärts geht ... langsam und allmählich ... werde ich auch diese Empfindungen von Leben-und-Erleben wieder mehr und mehr wahrnehmen ... und dabei versuchen, sie mir neu zu erschaffen ... Stück-für-Stück.
LG ... von einem hoffentlich(!) nicht zu optimistischen Hoffnung
so ein bischen hast du ja wohl ahnung für die körperliche seite von heilung, mit deinem beruf...
aber ich merke jetzt auch, alles kopfmäßiges wissen, alle gutmenschlichen überzeugungen helfen garnixxx, wenns gegen diesen scheiß-sucht-troll angehen soll..., er stellt uns immer irgendwie ein bein.
naja, ich sollte nicht verallgemeinern, MIR stellt er immer wieder, aus für mich unerfindlichen gründen einen fuß aus, ich stolpere und lande wieder im alk-gestrüpp.
letztens habe ich - zum trost für mich - eine witzige story mitbekommen: gerichtsvollzieher hatte seine eigenen kollegen vor der tür stehen.
ALSO: es kann JEDE/N treffen, gell?
kein trost, ich weiß, es tut trotzdem gut, hier zu sein die leona
mein Entschluss der 90 Tage war kein Klick-Erlebnis. Der Saufeinbruch vom letzten Freitag stellt zwar den Auslöser hierfür dar ... aber dennoch ist dies nur im Rahmen einer inneren Entwicklung zu betrachten.
In den letzten 4 Wochen bin ich zweimal rückfälig geworden ... beide Male waren es gesellschaftliche Saufanlässe ... Also werde ich solche extremen Situationen für die nächsten Wochen und Monate meiden müssen ... Aber mein heimliches Exzess-Saufen hingegen ... allein und zuhause ... versteckt und verkrochen ... hinter den eigenen vier Wänden ... diese einsame Form des Saufens habe ich momentan im Griff.
Meinen Drei-Monats-Plan empfinde(!) ich nun als den nächsten Schritt meiner Entwicklung ... Dieser Entschluss erschien spontan aus meinem Innersten ... offensichtlich dort gereift ... war er plötzlich da ... Ich musste ihn nicht bewusst erzwingen ... Heute ist nun Tag 7-von-90 ohne Alkohol ... und bisher war es recht einfach ... Da sind momentan keine großartigen inneren Kämpfe in mir!
Mein äußeres Korsett für die nächsten Wochen und Monate: Der Caritas-Weg, SHG, internet "Saufnix-Board" ... dazu die realen Säulen "Job und Weiterbildung".
Ein Zitat von dir: "Ich kämpfe!" ... Nach all dem, was ich bisher gelesen und gehört habe ... ist der innere Kampf der wohl "falsche" Weg ... Alle, die innerlich gegen Suff und Depressionen ankämpfen, verlieren letztendlich doch. Kapitulation ... vor dem Suff ... Kapitulation ... vor der Depression ... Erst dann geschieht das Unglaubliche! Das sind nicht meine Erkenntnisse ... sondern die Worte von Menschen, die es geschafft haben ... sich vom Alkoholismus zu lösen ... sich von der Depressionen zu lösen.
Nun ja ... Es stimmt sicherlich, dass meine Worte wirr und verworren klingen, wenn man sie aus dem Zusammenhang reißt ... sie nur als Fragmente wahrnimmt ... Da will ich nicht widersprechen. Ob sie aber auch ... als Ganzes betrachtet ... immer noch wirr und verworren sind, mag dahingestellt sein ...
- Mensch! Wenn das keine klassische Freudsche Fehlleistung war!!! ...
Aber Helena hat diese kleine berufliche Verwechslung ja schon richtig gestellt ... und du hast die Hintergründe dafür beschrieben.
- Zitat von dir: "Das Tagebuch ist eine gute Möglichkeit nach einer gewissen Zeit die Veränderungen, die man gemacht hat, sich nochmals bewusst zu machen."
Genau so empfinde ich das auch!
- SHG: Dieser Weg über die SHG ist mehr als nur ein "Muss" für mich ... Neben der Unterstützung zur Abstinenz ... stellen SHG auch eine neue Chance für mich dar, mich aus meiner privaten Isolation und Passivität zu befreien. Momentan stehen leider Beruf und Weiterbildung im Weg, aber in ein bis zwei Wochen habe ich wieder mehr Zeit und Raum, mich meinen Unternehmungen SHG zu widmen.
Danke für deine ermutigenden Worte und Wünsche ... LG ... Hoffnung
Mi, der 11.08.04 ... Tag 5-von-90 ...: Weiterbildung in Hessen
- Die Weiterbildung ist interessant und lehrreich ... Körperlich und psychisch scheint es weiterhin aufwärts zu gehen ... obwohl ich doch noch arge Konzentrationsschwächen bei mir feststellen muss ... Supervision ... Befund und Behandlung ... Das war streckenweise echt Scheiße ... Die Nachwirkungen der Sauferei in den vielen letzten Monaten zeigen sich weiterhin ...
- Am Abend trifft sich unsere Gruppe im Biergarten einer Pizzaria ... Die düsteren Regenwolken sind mittlerweile weitergezogen ... es herrscht nun ein mildes und warmes Sommerklima ... die engen Gassen ... die alten Häuser ... in ihrer verschachtelten Anordnung ... Mittelmeeratmosphäre ... Ich habe die Schönheit dieses Abends gespürt und gefühlt ... und doch war diese Empfindung nur gedämpft ... gedämpft durch meinen depressiven Schleier, der mir nur zu bekannt ist. Am unseren Tisch wird Alkohol getrunken, aber in gemäßigter Form ... Ich bleibe bei Wasser und Milchkaffee ... In den ersten Stunden stelle ich mich den Gesprächen ... doch es strengt an ... und mein Lachen ist dabei nicht echt-und-ehrlich ... Ich baue allmählich ab ... und werde mehr und mehr zum schweigsamen Beobachter ... Der puschende und euphorisierende Effekt des Alkohols fehlt ... Jedoch: "Heute trinke ich nicht!" und "Ich lasse das erste Bier stehen!" ... 90 Tage lang. Danach haben wir nachts noch in unserer Ferienwohnung gesessen und rumgeblödelt ... meine nächtliche Stimmungsaufhellung ... eine angenehme Stimmung ... im nüchternen Schädel ... Strike? ... STRIKE!!!
Fr, der 13.08.04 ... Tag 7-von-90 ... : Der Caritas-Termin
Am heutigen Vormittag war mein Termin bei der "Ambulanten Rehabilitation Sucht" ... Eine Form von "Vorstellungsgespräch" mit der Fragestellung: "Bin ich nun geeignet für eine ambulante Therapie bei der Caritas ... oder bin ich noch nicht geeignet?" ... Viele Fragen von ihr ... ich habe darauf offen geantwortet ... echt und ehrlich ... meine Anamnese Suff und Depression ... meine Sozialanmnese ... meine Familienanamnese ... Die momentane Situation ... und ... und ... und ... eine Stunde lang.
Am nächsten Mittwoch entscheidet dann ein Gremium über meinen Fall ... aber mein Optimismus hält sich dabei in bescheidenen Grenzen. Meine heutige Gesprächspartnerin und ich ... wir waren uns gegenseitig UN-sympathisch. Nun ja ... Schaun mer mal ... Den Bescheid "Ja vs. Nein" bekomme ich wohl Ende der nächsten Woche.
PS: Eine klinische Entgiftung für sieben Tage ist keine Vorraussetzung für eine ambulante Rehabilitation ... Da wurde ich wohl falsch informiert ... oder ich habe es falsch verstanden. Zumindest diese bürokratische Hürde würde also wegfallen!
- Wochendeinkäufe: Mein depressiver Schleier ... er liegt immer noch über mir ... dämpft und filtert meine innere und äußere Wahrnehmung. Aber meine Ängste werden von Tag zu Tag weniger ... sie reduzieren sich mittlerweile auf eine Form von Unsicherheit-und-Nervosität.
- Mein innerer Saufkamerad ist weiterhin still und stumm ... Und um echt-und-ehrlich dabei zu sein ... ich vermisse seine geschickten Verführungskünste auch nicht besonders.
- Ansonsten war am heutigen Samstag ABGAMMELN bei mir angesagt ... meine passive Erholung von der letzten Woche.
Der späte Nachmittag ... Das beschissene Novemberwetter in seinem Pseudo-Sommer-Fell scheint sich nun doch anders besonnen zu haben ... Die Wolken ziehen sich endlich zurück ... und die Sonne zeigt ihre wärmende Wikung ... Stimmungsaufhellung!
Später ... mittlerweile ist es ein schöner Sommerabend geworden ... raus aus der Bude ... Biergarten ... mein geliebter Milchkaffee ... Plötzlich höre ich eine erfreute Stimme "Hoffnung!" rufen ... Eine Person stürmt auf mich zu und umarmt mich ganz herzlich ... Es ist "S" ... Wir waren uns vor vier Jahre sehr nahe ... Seelenverwandtschaft ... und haben uns dann doch aus den Augen verloren ... Ihr lebhaftes und gewinnendes Wesen nimmt mich auch heute sofort wieder gefangen ... Wir machen ein Date für den nächsten Dienstag aus.
Wir wechseln ein paar Worte ... nur für wenige Minuten ... dann muss sie wieder weiter ... und dennoch spüre und fühle ich es ... sogar durch meinen depressiven Schleier hindurch ... wie es in mir brodelt und tobt ... Ich bin nervös ... aufgekratzt und überdreht ...
[f1][ Editiert von Hoffnung am: 19.08.2004 1:17 ][/f]
- JOB: Auch wenn mein depressiver Schleier noch immer über mir liegt, so kann ich es doch empfinden ... diesen Hauch an Kraft und Energie ... Nein, heute sind keine Ängste in mir ... Auf der Arbeit bin ich lebhaft und lebendig ... und scheue die anderen Menschen nicht ... Und in mir taucht ein Stück der Erinnerung an längst vergangene Tage auf ... Tage der Spontanität ... an denen ich mich auf meine natürlichen Qualitäten verlassen konnte ... ohne dabei in Angst und Depression zu verfallen.
Feierabend ... Nun macht sich doch meine Erschöpfung bemerkbar ... Ich falle wie tot ins Bett ... und will nur noch schlafen.
- SHG: Die Suche nach meiner(!) SHG ... ich habe sie in den letzten Wochen vernachlässigt ... Nach meinem Nachmittagsschlaf mache ich mich nun auf den Weg ... Diesmal fahre ich zu einem Treffen des Blauen Kreuz.
Die Leiterin ... durch die Tiefen und Höhen des Lebens geprägt ... ist sehr engagiert in ihrer Aufgabe ... Sie führt die Gesprächsgruppe wie eine Talkmasterin ... psychologisch geschickt und geschult. Mit viel Empathie ... sucht und findet sie die psychische Tiefe der jeweiligen Problematik ... Sie hat ein freches Mundwerk ... und ihre Worte sind dabei sehr direkt ... Sie durchdringt gezielt die äußeren Schutzmasken der Teinehmer ... ohne dabei zu kränken ... ohne dabei zu verletzen ... Sie ist offen ... echt und ehrlich ... Ihre Art und Weise gefällt mir sehr gut ... und ihr Wesen beeindruckt mich stark.
Die Gruppe selber hinterlässt einen angenehmen Eindruck in mir ... obwohl ich mich selber dabei noch als einen Fremdkörper empfinde ... Klaro ... ein solcher erster Besuch kann nur eine Annäherung für mich darstellen. Zumindest hat sich meine Anfangsnervosität im Laufe des Abends doch deutlich gelegt.
Die Teilnehmer dieser SHG sind jünger als bei meinem ersten Besuch bei den AA ... Die Stimmung ist lebendiger und lebhafter ... und die Atmosphäre persöhnlicher. Auch erscheint mir der Verlauf des Treffens hier weit weniger ritualisiert zu sein als bei den AA.
Nach der Gruppe ... ich setze mich auf die Stufen einer Treppe, rauche eine Zigarette ... und lasse so den heutigen Abend innerlich noch einmal an mir vorbei ziehen ... Ja, ich werde am kommenden Donnerstag wieder hin gehen.
[f1][ Editiert von Hoffnung am: 19.08.2004 1:27 ][/f]
Do, 19.08.04 ... Tag 14-von-19: Die Donnerstags-SHG des Blauen Kreuzes
Das selbe Haus wie am Montag ... der selbe Raum wie am Montag ... Aber es ist heute eine andere Gruppe ... und ein anderer Leiter. Er stellt ein echtes Original dar ... "Gelsenkirchner Design" ... ca. 50 Jahre alt... schulterlanges Haar ... Schnauzbart ... ein sympathischer Kumpel ... mit direkter Sprache ... der weiß, wovon er spricht. Während seiner aktiven Suchtkarriere ist er durch die Hölle gegangen ... Seine Erzählungen von "früher" haben Stalingradcharakter. Nun ist er seit 14 Jahren trocken ... und betreut ... als dafür ausgebildete Fachkraft ... SHG des Blauen Kreuzes.
War der Montag noch durch gezielte chirurgische Einschnitte in die Tiefe der menschlichen Psyche geprägt, so ist heute doch mehr Plauderei angesagt.
Und doch ist mir heute eines bewusst geworden: Der Besuch einer SHG ist keine Angelegenheit für nur ein paar Wochen oder Monate ... wenn sie ihr Sinn und Zweck für eine dauerhafte Abstinenz erfüllen soll. Die SHG erfordert Regelmäßigkeit über viele Jahre ... Sie muss(!) zu einem langjährigen Begleiter für einen selber werden ... ein fester Besandteil des eigenen Lebens ... Der Leiter erzählte, dass er kaum einen Alkoholiker kennt, der es ohne SHG geschafft hat, sich wirklich vom Suff zu lösen. Diejenigen, die eine SHG scheuten ... oder ihre Besuche schon nach einigen Monaten eingestellt haben, sind über kurz oder lang doch wieder rückfällig geworden. Die Gefahr des erneuten Saufeinbruches droht ein Leben lang ... eine ausreichende Stabilität für die wirkliche Abstinenz wird meistens erst nach einigen Jahren SHG erreicht. Bis dahin ist ein regelmäßiger Besuch angesagt ... nur so erhält man eine wirksame Hilfe und Stütze durch die Gruppe.
Ein Mann erzählte heute von seinen ehemaligen Saufgewohnheiten: Direkt nach der Arbeit zum Kiosk ... sich Bier besorgen ... um dann auf dem Heimweg schon mal zwei Flaschen in sich hinein zu schütten ... bevor es zu Hause weiterging mit der Sauferei. Ja ... Das kenne ich auch ... zu genüge und noch mehr ... Meine Erinnerungen sind noch frisch ... an diese zwei Flaschen Bier ... auf der Fahrt nach Hause ... an dieses warme Gefühl, was mich dann erfüllte ... "Mutterbauch" ... Geborgenheit und Sicherheit. In den jetzt zwei Wochen ohne Alkohol hatte ich bisher noch keinen Saufdruck empfunden ... mit Ausnahme der ersten beiden Tagen des Selbstentzuges ... Aber in diesem Augenblick ... als der Mann von seinen Heimfahrt-Bieren erzählte ... war der Saufdruck wieder da ... plötzlich und explosiv ... Mein ganzer Körper schrie in diesem Moment nach Bier ... und ich war erschrocken darüber, wie stark und mächtig sich diese Alkoholsucht wieder zurück melden kann.
so etwas ähnliches habe ich einmal in einer 6-monatigen Abstinenzphase erlebt: es kam irgendwann in der fünften oder sechsten Woche. bis dahin gar nix. aber dann mit einer plötzlichen, fast animalischen Gewalt - das Bier schrie, wie man so schön sagt. ich hab's fast vor mir gesehen, gerochen, gefühlt....shit.
klang nach einiger Zeit ab. war aber so, als wollte sich was in mir mit aller Macht aufbäumen - es war klar stärker als ich. es kam nur nicht dazu, weil es die augenblickliche Situation nicht zuließ.
Schwein gehabt. Nach den sechs Monaten aber nicht mehr.
Wollte dir aber damit keinesweg die Hoffnung trüben. Mach bloß weiter!