Mein Vater wurde heute mal wieder ins Krankenhaus eingeliefert. Wg. seiner Hüfte. Er konnte sich fast nicht mehr bewegen.
Ich hab soeben mit meiner Mutter telefoniert wie es ihm geht und sie meinte das es nicht an der Hüfte lag, es war der Darm. Sie wollten Ihn Notoperieren und haben es dann doch gelassen.
Er möchte nicht das wir anrufen.
So sehr ich ihn hasse, so sehr trauere ich jetzt schon um Ihn.
Sowas ist sehr schlimm. Ich fühle mit dir Atan. Ich kann zwar nicht mitreden, denn ich kenne deine Geschichte noch nicht, aber vieleicht wäre dass das beste. Mach Frieden solange es noch geht. Andy
Das tut mir sehr sehr leid. Mein Vater hatte vor einem halben Jahr einen Schlaganfall. War auch völlig geschockt. Wartet ab bis morgen, was die Ärzte sagen. Wünsche dir einen trockenen Abend.
Hallo Atan, Du kennst mich ja noch nicht; ich lese zwar schon seit Wochen mit, habe aber erst einmal etwas geschrieben.
Ich glaube, ich kann mich in Deine Situation gut hineinversetzen
Mein Vater ist vor ein paar Jahren an Darmkrebs gestorben. Von der ersten Diagnose bis zu seinem Tod hat es nicht mal ein Halbes Jahr gedauert.
Zwei Tage vor seinem Tod hat er mich noch mal so richtig runtergemacht. Ich habe ihn oft gehasst und mir früher sogar gewünscht, er möge sterben.
Ich habe ihn aber auch geliebt, er war ein Mensch der Extreme, einmal ein echtes cholerisches Arschloch, dann wieder der liebste Vater überhaupt.
Er hat sich zum Schluß auch von allen, auch vor uns Kindern zurückgezogen. Er hätte mich auch nicht sehen wollen. Ich bin aber absolut sicher, dass er so reagiert hat, weil er unsere Sorge, Angst und Trauer nicht hätte aushalten können, dass er dann auch zusammengebrochen wäre.
Vielleicht ist es ja bei Deinem Vater so ähnlich??
Ich wünsche Dir alle Kraft dieser Welt! Gruß Bettina
ich fühle mit Dir, wenngleich Dir das wohl nicht hilft.
So eine ähnliche Situation ist bei uns: Mein Vater liegt zwar nicht im Sterben, ist garnicht krank, wir reden auch noch miteinander, aber nur über oberflächliches.
Ich weiß aber, daß der Zeitpunkt kommt, an dem er gehen wird, und wie soll ich mich verhalten??? Mit ihm mal über "alles" reden?? Oder meinen Frieden mit ihm machen, alles an Groll runterschlucken??
Diese Fragen hab ich mir schon oft gestellt, normal würde ich es ausdiskutieren, aber dann denke ich , nein, will ihm sein Leben nicht ruinieren ( seine Heile Welt),er ist doch jetzt schon so alt etc etc. Vielleicht drücke ich mich auch nur?? Keine Ahnung?!?!
Was ich tunwerde, wenns - wie bei Dir - drauf ankommt, wenn die Zeit wegläuft, wenn man nur noch jetzt oder garnicht mehr was tun kann----- ich weiß es noch nicht.
Was ich sagen wollte:
Tu doch, was Dir Dein Gefühl sagt, egal, wie er es aufnimmt, tu es für Dich!
Viel Kraft gewünscht Helena
PS.: Vielleicht muß man auch garnicht reden, nur dasein?
Moin Atan, das ist wohl nicht gerade das,was du zur Zeit brauchen kannst. Ich kann der Empfehlung von Helena nur zustimmen: Mach das, was dein Gefühl dir sagt, das ist das einzig Richtige für dich. Warum dein Vater keinen Kontakt wünscht kannst du so ja auch garnicht wissen, ich hab ja auch mal meiner Familie verboten, mich nach einer Not-OP zu besuchen, weil ich mir vorstellen konnte wie ich dann aussehe, da sind die beiden heute noch sauer drüber.
ich bin gestern noch zu meiner Frau und hab dort übernachtet.
Herausgefunden hab ich immer noch nicht was er genau hat. Keiner sagt was, weder meiner Mutter, noch die Ärzte (am telefon)
Sie konnten Ihn aber nicht operieren, da er einen Blutverdünner (Macromal oder so ähnlich) nimmt und er die OP mit diesen Quick-Werten wohl nicht überleben würde.
Ich fahre jetzt mal in die Klinik, obwohl das keiner will.
Ich finde es absolut richtig, dass du in die Klinik gefahren bist.
Ich habe meinen Vater erst mögen gelernt, als seine Krankheit recht weit fortgeschritten war. Mag sich komisch anhören, war aber so. Vielleicht spielte auch mein Alter dabei eine Rolle.
Ich wünsche dir, du kommst klarer für dich selbst aus der Klinik zurück.
fahr hin und finde DEINEN Frieden mit ihm. Die anderen - auch er - sind egal. Er wird jetzt oder später gehen. Du wirst weiterleben.
Meinen Vater habe ich vor 14 Monaten zu Grabe getragen. Er war - so lange er Kraft hatte - der Kotzbrocken in Person. Kein Alk, aber zerfressen von der eigenen Überheblichkeit und dem Neid gegenüber anderen. Ein Perfektionist, der selbst zu faul war, etwas auf die Reihe zu bekommen. -- ist egal, wäre auch eine andere Geschichte ....
Wir (meine Familie und ich) sind vor 25 Jahren 200 km weg in eine andere Stadt gezogen um ihm nicht ständig über den Weg laufen zu müssen. Wir haben unsere eigene Existenz aufgebaut und nur wegen der Kinder 1 - 2 x im Jahr lockeren Kontakt gehalten. Von seiner Seite kamen überhaupt keine Anstrengungen zum Kontakt. Meine Mutter (ja die gab es auch) war seine Dienstmagd und hatte keine Stimme im Gremium.
Vor etwa fünf Jahren wurde meine Mutter zum Pflegefall. Mein Vater kam nicht damit zurecht, dass sie auf einmal nicht mehr „funktionierte“. Die Folge war, dass er nahezu täglich hohl drehte und die Nachbarn dann bei mir anriefen, ich solle „mal“ nach meinem VATER (meine Mutter hat niemand interessiert) sehen. 4- 5 mal die Woche fuhr ich dann die 200 km um nach dem Rechten zu sehen und dann wieder zurück. Als ihm auf Grund seiner Ausraster dann auch noch der Führerschein genommen wurde war es ganz aus. Es kam innerhalb kurzer Zeit zwei mal vor, dass ich am SELBEN Tag sogar zweimal anrücken musste (das waren dann NUR 800 km Autobahn). Ich setzte mich mit seinem (und dem meine Mutter ) behandelnden Arzt zusammen, um nach einer sinnvollen Lösung zu suchen. GEFÜHLE SPIELTEN DABEI MEINERSEITS KEINE ROLLE MEHR. Die waren irgendwann in den vergangenen Jahren gestorben. Inzwischen hatte mich allerdings diese Art der „Fernunterstützung“ locker mal so um die 50.000 DM gekostet, von den beruflichen Problemen und Abstriche, die ich dadurch machen musste, mal ganz zu schweigen. Es musste also etwas geschehen. In 6-monatiger Kleinarbeit gelang es mit Unterstützung der Ärzte ihn davon zu überzeugen, dass er so nicht weiterleben konnte. Dreimal täglich kam inzwischen der Pflegedienst zu meiner Mutter, einmal die Haushaltshilfe zum Kochen (er wäre sonst vor dem vollen Kühlschrank verhungert). Seinen Freundes- und Bekanntenkreis hatte er ohnehin schon lange „aufgebraucht“.
Es ist uns dann gemeinsam gelungen, ihn davon zu überzeugen, in unsere Nähe umzusiedeln - meine Mutter ins Pflegeheim und er in eine kleine Wohnung (mit Vollpension) im Nachbarort. Nur nicht ZU nahe zu uns.
Da war er nun: gebrochen, herausgerissen aus seiner seit 50 Jahren bewohnten Mietwohnung und ohne sein „ein-Personen-Regiment“, das er ein Leben lang befehligt hat .Mit 75 ein neuer Lebensabschnitt. Ich besuchte ihn 1 - 2 mal die Woche und musste mich wundern wie „zahm“ er geworden ist. Nach seiner Frau (meiner Mutter) hat er nie mehr gefragt. Als ich ihn einmal mit ins Pflegeheim „schleppte“ ekelte er sich vor soviel menschlicher „Unvollkommenheit“. In diesem Punkt ist er bis zum Schluss der Alte geblieben.
Was ist aus ihm geworden? Bei schönem Wetter hockte vor dem Haus, zählte vorbeifahrenden Autos und wenn er Menschen sah, sah er nur negative Eigenschaften an ihnen. Also: auch der alte Nörgler ist geblieben. Bei schlechtem Wetter blieb er auf seiner Bude und wartete aufs nächste Essen. Zeitung und Fernsehen interessierten ihn nicht mehr. Manchmal schlappte er mit einem Nachbarn (ebenfalls betagter Rentner) ins Dorf um sich Bonbons zu kaufen. Wenn der Nachbar nicht da war, wurde er von meinem Vater als „Arschloch und Schleimer“ bezeichnet, nur weil der für seine Familie manchmal einkaufte und auch mal im Garten half.
Da wir in einer landschaftlich reizvollen Umgebung wohnen, schnappte ich ihn manchmal zu einem kleinen Ausflug ins Umland. Es war mir nicht lästig, aber ich habe es auch nicht geschafft, familiäre Gefühle wiederbeleben zu lassen. Sie waren eben tot. Ich tat meinen Job als einziger Sohn. Ich hab ihn nie mit nachhause genommen. Es hatte ihn die 20 Jahre vorher nicht interessiert was ich (wir) uns aufgebaut hatten, dann ging es ihn jetzt auch nichts mehr an.
Es ging noch knapp drei Jahre so bis er ganz kurzfristig schwer erkrankte und innerhalb weniger Wochen verstarb. Am Abend vor seinem Tod hatte ich ihn noch am Krankenbett besucht. Er konnte nicht mehr reden aber seine Augen baten um Verzeihung. Es war das erste mal seit er in unserer Nähe wohnte, dass ich ihm wieder bewusst die Hand reichte. Es sollte auch das letzte mal sein.
Inzwischen sind 14 Monate vergangen und ich kann klar über seine und meine Lebensgeschichte nachdenken.
Was ist geblieben? Die Erinnerung an einen sehr schwachen Selbstdarsteller, dem die umgebende Welt versäumt hatte, rechtzeitig ne bleibende 8 ins Hemd zu treten. Seine Umwelt hat zugelassen, dass er sich so aufführen konnte. Auch ich hab mehr als 30 Jahre dazu gebraucht um zu erkennen, dass das nicht normal und er kein Held sein konnte.
Die letzten Jahre „der Gemeinsamkeit auf Distanz“ haben aber MIR den Frieden gebracht um wenigstens mit Anstand Abschied nehmen zu können. Ich habe sogar den Eindruck gewonnen, dass seine letzten Blicke so was sagten: „Hättest de mir doch früher in den Arsch getreten .....“ Na ja. Zum ihn Mögen hat es nicht mehr gereicht, aber wenigstens zur Achtung - und damit kann ich leben.
Warum schreibe ich diese Geschichte gerade in diesem Thread? Sie ist sicher nicht übertragbar und schon gar nicht der Weisheit letzter Schluss. Aber sie kann zeigen, dass aus einer total verkorksten Situation zwischen den Generationen es Möglichkeiten gibt zu verzeihen, ohne sich selbst in den Rücken zu fallen. Der eine geht, selbst lebt man weiter und die anderen drum rum interessiert das alles nicht mehr, wenn die „Sensation“ mal keinen Nährboden mehr hat.
Atan ich empfehle dir: folge DEINEN Empfindungen, geh hin so oft und zu jeder Zeit die DU für richtig hältst. Ausgenommen natürlich die Vorgaben der Ärzte. Lass dir von den anderen in deinem Umfeld nicht vorschreiben wie du mit deinem Vater umzugehen hast. Schau in seine Augen und höre seine Worte. Dann wirst du erkennen, wie IHR EUREN Frieden finden könnt. Und sollte ER tatsächlich keinen Frieden wollen musst DU dir später keine Vorwürfe machen, nicht dein Möglichstes getan zu haben. DU MUSST HINTERHER MIT DEINEN GEFÜHLEN WEITERLEBEN.
Es ist dabei vollkommen Wurscht ob das Ende jetzt oder später vor der Tür steht. Kommen wird es.