Ich bin 37 Jahre alt, gesund, sportlich, beruflich recht erfolgreich, Akademiker.
Bis ca. 21 trank ich keinen Alkohol und vermisste ihn nicht.
Von 22-25 gab's gelegentlich welchen, ca. 20-50 Bier pro Jahr, anlässlich irgendwelcher gesellschaftlicher Begebenheiten. Ich war weit davon entfernt, süchtig zu sein, weder körperlich noch geistig. Aber ich lernte in dieser Zeit, die Wirkung moderaten Konsums (2-4 Bier) zu schätzen.
Mit 26 begann ich, Bier für meinen eigenen Kühlschrank zu kaufen. Ich trank nun nahezu täglich (abends) 2-3 Bier. Ich empfand das als angenehm und empfinde es auch rückblickend noch als angenehm.
Ich zog mit meiner damaligen Freundin zusammen. Sie tolerierte meinen Konsum. Ich neigte aber auch dazu, die Wahrheit zu verniedlichen (trank z.B. noch ein Bier, wenn sie im Bett war, stellte halbe Flaschen in den Kühlschrank etc). Körperliche Probleme hatte ich noch nicht, mit einer Ausnahme : Ich nahm zu.
In den folgenden Jahren steigerte ich den Konsum von 2-3 auf 4-5 Bier. Ferner galt immer meine selbstaufgestellte Trinkregel : Nie vor 19:00. Körperlich bemerkte ich nun schon mehr. Ich nahm weiter zu und schlief schlechter, war morgens immer müde. Restalkohol hatte ich wohl selten bis nie (habs mal ausgerechnet, ca. nachts um 3 war ich wohl wieder nüchtern).
Mit 30 (also nach ca. 4 Jahren täglichem Konsum) beschloss ich abzunehmen. Grund war, dass ich mit dem Gedanken spielte, meine Freundin zu verlassen und wieder einen "marktfähigen" Körper wollte. Schnell merkte ich, dass das mit 4-5 Bier am Abend kaum hinhaut. Also gab ich das Trinken für 2 Monate auf. Ich wollte mich also nicht vom Alkoholismus heilen, ich wollte nur meine Eitelkeit pflegen.
Dieses erste Aufhören klappte recht locker. Körperlichen Entzug spürte ich nicht bewusst. Und ich schlief sofort besser.
Nach ca. 2 Monaten und ca. 10 abgenommenen kg schlich sich langsam wieder der alte Trott ein. Und innerhalb eines weiteren halben Jahres war ich wieder genauso drauf wie vorher, also 4-5 Bier, no sports.
Mit 31 trennte sich dann meine Freundin von mir. Ich verstand das gut und empfand es nicht als Belastung, die mir als Begründung für mehr Bier dienen könnte. Ich trank "nur so" weiter.
Mit 32 hörte ich wieder auf, diesmal für einen Monat. Das Aufhören war wieder kein Problem. Ich nahm wieder ab. Doch dann fing ich auch wieder an. Vielleicht machte mich das relativ leichte Aufhören unvorsichtig. Wahrscheinlich war ich aber einfach nur bequem und schätze den schnellen Kick aus der Flasche mehr als erarbeitete Freuden ...
Mit 34 stieg ich von Bier auf Wein um. Hauptgrund war wohl, dass Wein leichter zu tragen ist. Nebengrund, dass er eventuell weniger Kalorien hat.
Mit 35 hörte ich wieder auf, diesmal für ein halbes Jahr. Grund war Liebeskummer, nicht die Einsicht in die Notwendigkeit der Verhaltensänderung. Der 35er Entzug war der erste, bei dem ich körperlich was merkte. Ich hatte 2-3 Tage Schlafstörungen und in der ersten Nacht auch Schweißausbrüche.
Gegen Ende dieser 6-monatigen Trockenphase kaufte ich ab und zu geringe Mengen Alkohol. Neue "Trinkregel" war : Nie trinken, wenn ich am nächsten Tag arbeiten muss. Diese Regel konnte ich einige Wochen problemlos einhalten. Nutzte sie auch nicht vollständig aus.
Dann hatte ich 3 Wochen Urlaub und trank jeden Tag. Im Schnitt wieder 4-5 Bier. Das dauerte etwa einen Monat.
Dann erlebte ich die bisher gravierendste körperliche Folge : Ich bekam nachmittags gegen 1400 eine Panikattacke. Kribbeln in den Extremitäten, Kreislauf am Boden. Ich befürchtete einen Infarkt.
Zunächst sah ich keinen Zusammenhang mit dem Alkohol. Hätte eher auf die Pizza getippt Als ich abends dann wieder mein Bier trank, waren die Beschwerden schnell weg.
In den nächsten Tagen wurde mir klar, dass mein Anfall vermutlich auf den jahrelangen Alkoholkonsum zurückzuführen ist. Ich trank dann eine Woche nur noch, wenn ich Angst empfand (es war dann mehr Angst vor der Panik). Danach hörte ich wieder auf, diesmal für 2 Monate.
Die Beschwerden waren dann wieder vergessen, ich trank weiter. Allerdings weniger als vorher, wieder Wein statt Bier. Der Konsum lag bei ca. 1 Flasche Wein (750ml) pro Abend.
So ganz vergessen waren die Beschwerden aber nicht. Mit 36 beschloss ich daher, den Konsum zu reduzieren. Ich schaffe es seitdem, mit 400-500ml Wein pro Abend auszukommen.
Gleichwohl spüre und weiß ich jeden Tag, dass ich Alkoholiker bin.
Das ist auch mein aktueller Stand. Ich bin NICHT trocken.
Bevor nun einer behauptet, ich würde "kontrolliertes Trinken" betreiben ... NEIN. Gefühlt ist das eher "kontrollierter, täglich neuer Entzug".
Ich war niemals richtig betrunken. Höchster Pegel war vielleicht mal 0,8-1,1 (mit Promillerechner ermittelt). Ich musste mich nie übergeben. Ich bin nie alkoholisiert Auto gefahren.
Trotzdem bin ich eindeutig abhängig.
In dieses Forum schreibe ich vermutlich, weil ich etwas Gutes in Sachen Alkohol tun will, ohne selber aufhören zu müssen.
Das sind niedere Beweggründe. Aber meine Geschichte hilft vielleicht einigen Unschlüssigen, Ihr Trinkverhalten kritisch zu überprüfen.
Eine Planung meiner Zukunft mag ich noch nicht äußern. Im Moment bin ich lebenstauglich, aber bewege mich auf sehr dünnem Eis.
Ich persönlich habe weniger von Deinem mahnenden Post, da ich als Co kein direktes Alkoholproblem habe und gleichzeitig selbst keinen Alkohol mehr trinke, seit mein Partner trocken ist.
Deine Mahung verläuft wohl ehr im Sande, da nach meiner Erfahrung noch nie jemand seinen Konsum in Frage gestellt hat, weil eine andere Person schlechte Erfahrungen damit gemacht hat.
Ich denke, etwas Gutes kannst Du Dir nur selber tun.
Deine Form des kontrollierten Trinkens klingt für mich mehr nach kontrollierendem Trinken (Im Sinne von "Deine Sucht kontrolliert Dich").
Ist das nicht sehr anstrengend und unfrei, wenn Du Dich bemühst, die selbst auferlegten Grenzen nicht zu überschreiten?
du schreibst dass du eindeutig abhängig bist und selbst nicht aufhören willst (...ohne selber aufhören zu müssen) sowie, dass du etwas Gutes in Sachen Alkohol tun willst.
Etwas? Was? Wieso?
Wenn du nicht aufhören willst trink einfach weiter, Kribbeln wegtrinken, Angst wegtrinken, Panik wegtrinken ... ist doch (noch) kein Problem für andere. Wenn andere aufhören wollen werden sie sich sicher nicht dich als Beispiel nehmen ... denn du hörst ja nicht auf ... bisher.
Rostlöser? Keine Idee. Ich dachte an Bart Simpson ("ey caramba").
Katzenschwanz? Meinst Du, Abhängigkeit beißt sich prinzipiell mit Lebenstauglichkeit? Das wäre nicht ganz falsch, zumindest kostet sie ein paar Prozent Performance.
Eigentlich ist es absolut logisch, dass ein beliebiges Post eines "Nassen" eine beißende Katze enthält. Sonst wär' er ja nicht nass.
@Lissy
Kontrollierendes Trinken ist ein sehr guter Begriff. Das trifft es genau. Ja, es ist anstrengend und unfrei.
@Mini
Ich spüre den Entzug ca. jeden 2. Tag ab etwa 18:00. Dann gehe ich erstmal laufen, so 5-10 km. Ab dem 2. Kilometer spüre ich nichts mehr davon. Ansonsten gehe ich noch ins Studio und ab und zu schwimmen. So lässt sich das masochistisch anmutende Verhalten ertragen.
Ich trinke seit 10-11 Jahren, 8 davon ohne das Bewusstsein Alkoholiker zu sein. Meine Dosis mag als relativ moderat gelten. Ich denke, dass viele Leser ähnliche Mengen trinken und sich selbst nicht als Alkoholiker sehen.
Eventuell kommt einer von denen nach dem Lesen meiner "Beichte" auf die Idee, sein eigenes Verhalten doch mal etwas kritischer zu sehen.
Das meinte ich mit "Gutes tun". Es hat nichts mit mir selbst und meiner noch immer vorhandenen Schwäche zu tun.
Hinter den anderen, die wirklich aufhören wollen und/oder schon dabei sind, stehe ich weit zurück. Es war wichtig, darauf nochmal hinzuweisen. Deshalb schrieb ich oben "guter Beitrag".
nix für ungut aber ich glaube, den Leuten, die ein ähnlich angespanntes Verhältnis zum Alkohol haben ist vielleicht mehr geholfen mit Posts, aus denen hervorgeht, wo es Hilfe gibt, wie die Hilfe aussehen kann und wie das eigene Verhalten konsequent geändert werden kann.
Bist Du gaaaanz sicher, daß das nicht eigentlich die Fragen sind, die Du schon immer mal stellen wolltest und Dich nie zu fragen getraut hast?
zugegeben, ich habe bewusst und durchaus logisch provoziert . So schnell (Rauswurf und so...) wirst du uns nicht los , und raus mit der Sprache bist du nun ja auch: Natürlich suche ich Hilfe.
Auf deine Frage, Ist das Forum nur für Leute, die schon trocken sind?, gibts ne klare Antwort: natürlich nicht .
Habe meine Vorstellung nochmal gelesen. Der Satz, warum ich in diesem Forum schreibe, klang tatsächlich reichlich nach Seelsorge.
Gemeint habe ich damit nur, dass das Posten hier auch eine Flucht vor der Wahrheit sein kann. Nach dem Motto, nun hab ich ja was nützliches geschrieben und kann ne Weile "beruhigt" weitersaufen.
Deswegen wunderte es mich sehr, dass Ihr da so drauf rumreitet. Aber stimmt schon, der Satz springt irgendwie ins Auge.
herzlich willkommen hier im Forum, bin selbst erst knapp zwei Monate dabei, aber ich kann dir sagen: zwei sehr interessante Monate
Caramba ist wirklich ein Rostlöser! Ausserdem gibt's unter diesem Markennamen noch diverse andere Lösungsmittel, Kriechöle etc. Das könnte im weiteren Verlauf deiner Posts noch Anlass für allerlei Kalauer werden, nach dem Motto: "Sprüh dir doch mal Caramba in's Hirn" oder so ähnlich.
Nein, im Ernst:
Meine "Karriere" sah deiner sehr ähnlich.
Zitat:
"Ich neigte aber auch dazu, die Wahrheit zu verniedlichen (trank z.B. noch ein Bier, wenn sie im Bett war, stellte halbe Flaschen in den Kühlschrank etc)".
Wer so was macht, ist bereits abhängig. Das ist meine Meinung heute! Vor 20 Jahren hätte ich eine solche Aussage entrüstet von mir gewiesen, obwohl ich es im Innersten schon geahnt habe, dass sie stimmt.
Da bist Du mir ja ein Stück voraus, was das Erkennen anbelangt.
Ich wünsch dir viel Glück und Erfolg beim Trockenwerden, obwohl du das ja noch gar nicht willst, aber Du wirst sehen, das "Wollen" kommt schon noch!
ich lese gerade dass ich da etwas vertauscht habe ...
Caramba schreibt: ... ohne selber aufhören zu müssen. Er schreibt von müssen, nicht von wollen. In bestimmten Zusammenhängen kann das ein Unterschied sein, manch einer will aufhören, muss es aber (noch) nicht...und das "Spiel" geht weiter...