Gestern war ich ganz unten, jedenfalls traue ich mich tiefer nicht zu gehen.
War zu Hause, hatte wieder mal zu nichts Lust. Das sind die Momente, wo ich vor dem PC lande. Aber es war Vormittag, und später musste ich noch arbeiten gehen und hatte doch den Abend schon vor dem PC verbracht, was sollte ich aus dem noch rausholen? Er würde mich enttäuschen.
Also Sportstudio? Ach nee.... und doch, wie von irgendwas getrieben, fing ich an, meine Klamotten zusammen zu suchen. Und dann kann ich ja gleich noch Einkaufen.... Oh Gott, ich will nicht... packte weiter, machte mich fertig zum Gehen.
Dazu muss ich sagen, dass ich es schon oft erlebt hatte, dass alles Aufraffen nichts gebracht hat. Ja ich bin dann los, aber dabei und danach war nix. Kam nach Hause – nichts. Aber gut, hatte was gemacht, „durfte“ an den PC, wo mich dann meist ein Fressanfall ereilte. Fing erst vorsichtig an, nur ein bissel Naschen und dann.....
Gestern ich also ins Studio, saß da so auf dem Hometrainer zum Warmmachen und nichts. Diese Leere blieb. Stellte mir vor, dass ich ja nachher auf Arbeit bin, Leute sehe. Aber auch der Gedanke sagte mir nur – nichts. Sah mich in einer Art Blase, allein unter den Menschen. Und da kam sie auf, diese unbeschreibliche Angst. Keine Panik oder so, nein, schiere Aussichtslosigkeit. Keine Idee, wohin mit dieser Leere, denn es gibt nichts, absolut nichts, was mich da rausholen kann. Mir fiel keine Situation ein, die mir helfen könnte, kein Ausweg und ich dachte, dass ich gleich wahnsinnig werde.
Es war kein Suchtdruck, sondern das, was offenbar hinter diesem Druck ist. Denn nie hatte ich bewusst mit einer Sucht was weggedrückt, nie war ich dieser Angst so nah. Ich habe immer schon vorher getrunken, gegessen.....
Diese Angst, da so vor dem Abgrund, denn was kommt dann noch... wo soll ich denn hin, dass es aufhört???
Es ist nicht zu beschreiben, wusste nur, tiefer kannst du nicht, darfst du nicht, denn dann wird es unkontrollierbar. Habe mich innerlich da rausgezogen, mir die Menschen angesehen, mich an ihnen festgehalten. Die Sonne gesehen: Hey, die Sonne scheint! Komm da raus, hier ist es warm, sieh hin. Noch nie war mir klar, wie sehr es hilft, sich positive Gedanken zu machen. Ich tat das diesmal nicht, weil man es ja weiß, sagen ja alle, soll ja gut sein. Ich tat es, um von diesem Abgrund wegzukommen, denn da konnte ich doch nicht reinspringen, ein Schritt nur.....
Und dann wurde es besser, es bisschen, war weiter weg von diesem Ende, hatte Halt gefunden, sportete weiter, es wurde noch ein bisschen besser. Duschte, ging einkaufen, sah immerzu die Leute, hielt mich fest an ihnen, traute mich kaum nach Hause, denn was dann dort? Musste aber doch. Kam in die Wohnung, packte aus, tat dies, tat das. Nichts mehr, von wegen keine Lust, du mußt was tun, denn ES ist da, dir im Nacken, weg......
Auf Arbeit konnte ich kaum allein im Raum bleiben, ging immerzu die Flure entlang auf der Suche nach Menschen zum Festhalten. Jedem war ich denkbar, den ich sah, ich mochte alle, lächelte sie freundlich an, bekam das zurück, wieder Dank.
Heute habe ich sauber gemacht, telefoniert, fahre zu meiner Freundin, habe dann noch einen Termin und den Abend bei einem Freund. Weg, nur weg und endlich weiß ich wovor ich weglaufe und finde es legitim, denn tiefer kann ich nicht. Egal woher die Angst kommt, sie ist nicht auszuhalten, weg, nur weg.
Das klingt jetzt vielleicht falsch, dieses Weglaufen, aber genau genommen ist das leben, was ich da plötzlich tue. Denn ich agiere nicht wild, gebe mich lediglich dieser Lustlosigkeit nicht mehr hin, denn es gibt keine Alternative als zu leben, wenn man nicht verrückt werden will. Die Angst vor dem da Draußen ist auch da, aber sie ist nicht so schlimm wie dieses innere Nichts.
Soziale Phobie hat mich daran gehindert zu leben. Das klingt so platt. Aber nun weiß ich, dass es Schlimmeres gibt, als die Angst, sich zu blamieren, nicht angenommen zu werden, kritisiert zu werden, geschlagen, links liegengelassen zu werden, ausgelacht, verarscht zu werden...... Das alles macht wenigstens noch Gefühle, wenn auch unangenehme, aber diese Leere, keine Idee zu haben, was man tun kann, um dem zu entgehen.... Das Risiko muss ich einfach eingehen.
Plötzlich kommt was an, wenn ich das tue, bei dem ich immer was erwartet hatte und enttäuscht war, dass nichts kam. Ich hatte immer was Intensives erwartet, was Schönes – war nicht. Wenn etwas schön war, kam danach das Loch. Traf mich mit Freunden, saß da langweite mich, ging ins Kino, machte Sport, mein Sohn, arbeiten, Katze, Urlaub.... alles war fad und irgendwann zu ende.
Immer wenn ich gelesen hatte, dass ihr raus geht wenn der Druck kommt, in den Park, unter Leute, dachte ich, na toll, das gibt mir doch auch nichts. Dann war ich da draußen, habe es echt probiert, da war nichts.
Gestern habe ich die Sonne gesehen und wenn es nicht zu schwülstig klingen würde, könnte ich sagen, das erste Mal. Jetzt weiß ich, dass diese kleinen Gefühle, diese Dankbarkeit mich retten können. Diese Angst ist da, da ganz tief drin, aber nun weiß ich wie ich ihr entkommen kann und das schon, bevor sie wieder so direkt vor mir steht.
Endlich hat das ein Gesicht, endlich weiß ich, warum ich die Süchte gebraucht habe, kann mir verzeihen, denn das ist wirklich nicht auszuhalten und wie soll man als Kind darauf kommen? Mit 14, als ich anfing zu trinken, war das alles längst schon eingefahren, hatte schon längst alle möglichen Mauern gebaut.
Gestern war ich plötzlich allein, ganz allein, es gab nichts mehr und da bin ich umgekehrt, gehe nun zu den Menschen, in mein Leben. Jetzt kann ich mich endlich selbst retten, denn ich weiß nun, wie.
ZitatOur bodies are given life from the midst of nothingness. Existing where there is nothing is the meaning of the phrase Form Is Emptiness. That all things are provided for by nothingness is the meaning of the phrase Emptiness Is Form. One should not think that these are two separate things.
auch ich danke euch. Es ist wirklich gut zu wissen, dass man mit all dem Mist nicht allein ist. Klar, gewusst habe ich es ja immer, endlich kann ich es auch spüren.
Ein Thema geht da m.E. gut mit rein: Genießen.
"Zum Augenblicke möcht' ich sagen, verweile doch du bist so schön".
Aber nein, wo bin ich mit meinen Gedanken? Irgendwo, garantiert. Dabei wäre es so wichtig, in diesen beschriebenen "toten Stunden" von schönen Momenten zehren zu können.
Aber das kommt alles, ich spüre es und wünsche es auch euch von ganzem Herzen. Eben, dass die Zeit des ruhelosen Rumtigerns bald vorbei ist.
neulich beim Stöbern in 'älteren' Threads habe ich Deinen Beitrag gefunden - für diesen mutigen Einblick in Dein Inneres danke ich Dir; mir ging es wie meinen Vorschreiberinnen - Deine Worte haben etwas in mir berührt.
... und zu Deinem gestrigen 4-jährigen Trockengeburtstag möchte ich Dir deshalb an dieser Stelle ganz herzlich gratulieren!
Liebe Grüße Paula
"Lass' Dir aus dem Wasser helfen oder Du wirst ertrinken", sprach der freundliche Affe und setzte den Fisch sicher auf einen Baum.
ZitatGepostet von felidaela Gestern war ich plötzlich allein, ganz allein, es gab nichts mehr und da bin ich umgekehrt, gehe nun zu den Menschen, in mein Leben. Jetzt kann ich mich endlich selbst retten, denn ich weiß nun, wie. [/b]
Auf den Punkt getroffen, klasse, danke für diese Präzision. Genau diese Vorgehensweise hat mir auch mal mein Leben gerettet.
Ein wunderschöner, tief bewegender Beitrag, liebe Feli!! Du hast das so realitätsnah beschrieben, dass ich für eine Weile eintauchen konnte, in Deine Welt.
Gänsehaut, Tränen ....tief berührt.....
Danke dafür!
Alles Liebe für Dich,
Sabine
Liebe bedeutet, jemanden zu haben, der unsere Vergangenheit versteht, an unsere Zukunft glaubt und uns heute so annimmt wie wir sind. :love3:
Komm auf die Hufe, die ersten Hände, die helfen können, stecken in den eigenen Hosentaschen! Zitat Nonick
Zu diesem Zeitpunkt war ich schon zwei Jahre trocken. Seit dem nehme ich AD. Seit zwei Monaten ist die PMS-Phase nur als leichtes Genervtsein an mir vorbei gegangen. Im November/Dezember hatte es mich etwas weggerissen...aber die Ängste sind weg, "nur" noch hin und wieder Depressionen....