Mir fällt zu der Kapitulation aus aktuellem Anlass noch was ganz anderes ein.
Vor dem Alkohol hatte ich ja nie kapituliert, zumindest nicht nach meinen persönlichen Begriffen. Ich hatte die Schnauze voll, und Kapitulation hätte für mich persönlich bedeutet, mich der Sucht erst mal so richtig hinzugeben. Ich hatte mich ja immer geweigert, mich meinem Drang zum Alkohol völlig zu unterwerfen, sprich nen erheblichen Rest von Kontrolle über mein Trinkverhalten hatte ich mir bis zum Schluss bewahrt.
Jetzt bin ich ein paar Jahre nüchtern, und ich hab vor nicht allzulanger Zeit hier erwähnt, daß ich meinen Zipperleins nun langsam etwas mehr Aufmerksamkeit schenken muss.
Nun, das ist in den letzten Monaten nicht gerade weniger geworden, nach dem Ortopäden, dem Neurologen, dem Kernspin sagte mir nun gestern eine Heilpraktikerin nach eingehender Untersuchung, daß mir nun der Körper sehr deutlich sagt, wo es langgeht. Lang genug, vielleicht auch schon zu lange, versuchte bei mir der Kopf, Herr im Haus zu sein, mich mit Kraft und Willensstärke und "Zähne zusammenbeissen" zu steuern. Signale meine Körpers, daß er müde ist, daß er teilweise schon mit Lähmungserscheinungen die Verweigerung anfängt, daß ich seit Monaten überaus schlecht schlafe und allgemein ziemlich paletti bin, sollen mir zeigen, daß es an der Zeit ist, etwas anders, liebevoller, einfühlsamer mit mir selbst umzugehen.
Ich schätze mal, daß mir heute auch erst vieles bewusst wird, was ich mit Drogen und Alkohol gedeckelt und verdrängt habe, und es ist auch ne Form der Kapitulation, daß ich nun anfange zu akzeptieren, daß ich manchmal nicht so kann wie ich will.
Und das fällt mir nun überhaupt nicht leicht, daß ich akzeptieren muss, daß der Kopf die Kontrolle ein Stück weit dem Körper überlassen muss. Irgendwie ist es z.B schon ein komisches Gefühl, wenn ich meine Beine angucke, und das eine weigert sich, sich so zu bewegen, wie ich das will.
Da heisst dann Kapitulation ein Stück weit auch, daß ich das Wunschbild, das ich von mir habe, durch das ersetze, was ich momentan wirklich bin.
ich war ja vor 10 Jahren in Bad Tönisstein. In der "Krabbelgruppe" mußten wir diesen Vortrag durcharbeiten. Ich muß allerdings gestehen, ich habe damals recht wenig verstanden. Der Kopp auch nach 5 Monaten Abstinenz noch nass, im Bauch totale Verunsicherung...
Jetzt im Abstand gelesen, erschließt sich mir erst der Gehalt seiner Aussagen.
Gruß Viktor
Geht mir genau so,Viktor Zu meiner nassen Zeit hätte ich ihn sicher auch nicht verstanden.Das Problem bei mir war ja,genau wie es in meiner Signatur steht.Erst als ich bereit war ein Alkoholiker zu sein,konnte ich ein trockener Alkoholiker werden. Bereit ein Alkoholiker zu sein war ich aber erst,als ich Hilfe annehmen wollte/konnte,und nicht mehr versuchte mit allen Mitteln kontrolliert trinken zu wollen,um mir zu beweisen eben kein Alkoholiker zu sein
Eigentlich ganz einfach....als ich es nach Jahren endlich geschnallt hatte
ZitatGepostet von minitiger2 Mir fällt zu der Kapitulation aus aktuellem Anlass noch was ganz anderes ein.
Da heisst dann Kapitulation ein Stück weit auch, daß ich das Wunschbild, das ich von mir habe, durch das ersetze, was ich momentan wirklich bin.
der minitiger
Und genau da macht es sich ein "Kopfmensch" selbst sehr schwer das zu akzeptieren,Rolf. Zumindest ist das meine Erfahrung!Und kapitulieren kann jeder auch auf seine eigene Art und Weise.Bei dem einen macht es "einfach" klick,der andere braucht irgendein Schlüsselerlebnis oder er hat "einfach" die Schnauze von sich selbst gestrichen voll. Unterm Strich ist das Ergebnis aber das gleiche.Ich muß aufhören gegen meine Sucht zu kämpfen,sie loslassen,denn gewinnen kann ich keinen Kampf gegen meine Sucht.
dein post könnte von mir sein. Ich sehe meinen trockenen Weg auch sich entwickeln durch peu à peu Einsichten. Bei mir hats auch noch nicht Bums gemacht. Und wenn ich auf meinen persönlichen Tiefpunkt warten wollte, würde das sicherlich lange dauern. Dazu bin ich viel zu hart im Nehmen. Sei's drum
Auch wenn ich mich jetzt in die Nesseln setze. Mir ist diese Alkoholiker-Fachterminologie sowas von zuwider. Kapitulation, persönlicher Tiefpunkt, du kannst nicht 'kontrollieren', 'nasse Denkweise', SHG, LZT, SB, 'das erste Glas stehen lassen', Rückfall, Vorfall...
Das hat sowas von einem Sprachcode derer, die's voll geblickt haben... die ja so genau wissen, wovon sie reden, weil sie ja genau das vor längerer oder kürzerer Zeit nach Schema F empfunden und durchgegeigt haben. Mir ist das mittlerweile irgendwie zu blöd und es ist mir scheißegal, was die vielen lieben Menschen aus der bekehrten Gemeinschaft der Alkoholiker jetzt von mir denken.
Ich habe vor, mein Leben gesund und zufrieden zu leben, wie ich da hinkomme, oder wie ich mir das bereits gestalte, bestimme ich selbst. Und wer sagt, dass es gesund ist oder gesünder, überall eine kluge, wohldurchdachte Meinung zu haben. Wer sagt, dass es mir gut tut, berechenbar und ewig verantwortlich zu sein Ich habe Spaß daran, mich immer wieder auszuprobieren und will in keine Schublade, auch nicht in die 'Alkoholiker 0815'. Ich habe ein einziges Leben und das lebe ich intensiv.
Es sind nur Worte. Für den einen treffen sie zu, für den anderen nicht. wenn sie mir so auf den Senkel gehen würden wie Dir, würde ich mir überlegen warum. Kann Dir ja eigentlich ziemlich egal sein.
@ Pat
Das war sehr schön zu lesen. Ich glaube die Kapitulation (sorry Marianna ;-) )brauch immer ein wenig (zu lange) und dann fällt einfach der Groschen und dann ist man durchs Nadelöhr (was ich einen für ein sehr schönes Bild halte).
@ Alle: Für mich ist es mit der Kapitulation so: ich steige nicht mehr zum Boxer in den Ring. Ich habe da immerzu nur auf die Glocke bekommen. Diesen Kampf gebe ich auf, hab ich "verloren", ich habe kapituliert.
Kapitulation heißt für mich, nicht länger gegen Windmühlenflügel kämpfen zu wollen ...
... und ist eben die Einsicht, etwas zu mir Gehörendes, das mir auf der ersten Blick nicht gefällt, anzunehmen - weiterhin zu lernen, dieses Unabänderliche in mein Leben/meine Persönlichkeit zu integrieren; es ist sinnlos und vergeudete Energie, gegen etwas anzukämpfen, das zu mir und meinem Leben gehört.
Und es gibt genug Beispiele von Menschen, die das begriffen haben, die an ihrem 'Handicap' gewachsen sind - und zwar nicht trotz, sondern wegen! (Das bezieht sich natürlich nicht ausschließlich auf eine Suchterkrankung.)
Deshalb kann ich den Grundgedanken in dem von Vicco & Paphos geposteten Link hundertprozentig unterschreiben:
Ich gewinne, wenn ich aufgebe! So paradox ist das gar nicht ...
Paula
"Lass' Dir aus dem Wasser helfen oder Du wirst ertrinken", sprach der freundliche Affe und setzte den Fisch sicher auf einen Baum.
vicco, paphos Danke für den Link! Sehr interessant, werde ich mir sicherlich noch mal in Ruhe durchlesen. Ich weiß auch noch nicht wo ich denn so stehe/stand, aber einige Gedanken des paradoxen Weges erinnern mich schon daran "wie gehe ich mit gewissen Problemen um" und einfach mal nur annehmen, kann ich eh nicht ändern, zu lernen. das so meine Gedanken zum Thema LG Dorte
Es gibt keine größere Vergeudung, als zu ignorieren, wonach man sich sehnt.
warum brüskierst Du Dich so über die Alk-Termologie. Du brauchst sie ja nicht zu verwenden.
Und
Zitat Relaunch:"Ich habe vor, mein Leben gesund und zufrieden zu leben, wie ich da hinkomme ... bestimme ich selbst."
Das finde ich gut und richtig.
ZitatRelaunch:"Ich habe Spaß daran, mich immer wieder auszuprobieren ..."
und
ZitatRelaunch:"Ich habe ein einziges Leben und das lebe ich intensiv."
erinnert mich an den Satz eines durch Beschluß eingewiesenen jungen Mannes während der Entgiftung, der mir seine Tränen in den Augen unterdrückend beim Abendessen sagte: "Ich hab' wie 'ne Rakete gelebt und muß nun erleben, wie ich wie 'ne Rakete platze." Ihm wurde von den Ärzten kurz zuvor eröffnet, daß er aufgrund seiner schweren Schäden durch Suff und Drogen nur noch ein paar Jahre zu leben hätte. Das ist mir sehr nahe gegangen. Ich stellte bei dem jungen Mann selbst auch fest, daß seine Motorik sehr langsam war (er aß ausgesprochen langsam, fast in Zeitlupe) und er sprach auch sehr schlecht, fast gequält, langsam, vor allem aber leise. Ob das nun Schau war, kann ich nicht beurteilen, ich glaube aber nicht. Das steht hier auch nicht zur Debatte. Ich will das nur mal einfach so beschrieben haben. Ich sehe diese Situation noch real vor mir, obwohl das jetzt schon so 8, 9 oder 10 Jahre her ist.
LG Volker
Ein Zuviel an Intellekt ist durchaus geeignet, die Freude am Leben zu trüben.
Moin Vicco , interssannter link! Zwar kann auch ich nix mit der AA herausstreichung anfangen, mit dem eigentlichen inhalt jedoch jede menge. Lieben dank dir und ebensolchen gruss Esther
Mein Selbstbetrug endete in einer Sackgasse. Meine Selbstbestimmung zeigt mir viele neue Wege in eine bunte Welt.
dieses Phänomen der eigenen Erfahrung, desjenigen, der eigens mit höchstpersönlichem individuellem Background eine Beobachtung macht und ganz höchstpersönlich für sich verwertet. Das ist auch gut so. Nur komm bloß net auf die Idee mich zu vergleichen.
Unter intensiv verstehe ich ganz und gar für Körper, Seele, Bauch, Verstand erlebbar gelebtes Leben.
Und wenn ich hier so aufbegehre, ist das sicher gerade eine Form von Entwicklung in meiner Sichtweise und meinem Blickwinkel. Da probiere ich auch was aus. Vielleicht rolle ich ja eines schönen Tages ganz entspannt und gemächlich in die 0815 Schiene ein ... das könnte dann ja auch so ne Art Kapitulation sein
Jetzt will ich's allerdings gerade wissen. Da es läuft, mit dem Trockenwerden, mache ich mir so meine Gedanken zu meiner höchstpersönlichen Rückfallprävention. Und da gehört einfach ein eigener Kopf und eigene Gedanken und selbst gemachte Erfahrungen dazu. Und das liegt 100% daran, dass ich bisher immer alle anderen schlauer fand, als mich selbst. Und das sollte jetzt endgültig vorbei sein.
ZitatGepostet von relaunch ...Vielleicht rolle ich ja eines schönen Tages ganz entspannt und gemächlich in die 0815 Schiene ein ...
Hallo Marianne,
ich glaube, du wirst in in die 0815 - Alki - Schiene stürzen, und zwar ab- von deinem Thron da oben. Du wirkst im Moment überheblich / verweigernd auf mich. So von wegen: Ich? ein Spritti? Alki? wie die Penner da in der Gosse oder auf der Parkbank? Nö. Ich nicht!
Als ich in der Klinik landete, und mir von den Ärzten gesagt wurde, dass ich meinen Alkoholkonsum überdenken sollte, dass ich da evtl. ein Problem habe. Na, da war ich ja sowas von empört; Frechheit das , mich mit "denen" zu vergleichen. Als die mich gar in die Geschlossene schickten, um mir mal da ein Vortrag anzuhören und ich feststellte, wo ich da war, da stand ich kurz vorm Explodieren, die haben ja wohl einen Knall. Ich bin dort sitzen geblieben und habe der Frau vom Blauen Kreuz zugehört. Habe viel mitgenommen für mich, und begonnen meine Überheblichkeit und Stolz abzulegen.
Mit dem oben zitierten Satz erinnerst du mich an mich. Und warum nicht auch auf den erfahrungsschatz anderer zurückgreifen? Deinen Weg gehst du ja trotzdem allein.
hallo Marianne, "Kapitulation, . . . 'das erste Glas stehen lassen', . . . Rückfall, - Das hat sowas von einem Sprachcode derer, die's voll geblickt haben... die ja so genau wissen, wovon sie reden, weil sie ja genau das vor längerer oder kürzerer Zeit nach Schema F empfunden und durchgegeigt haben." // Alle leben nach Chema F, nur Marianne ist lebendig? Bedauerlicherweise verwenden die Menschen zur Verständigung Begriffe, Worte, Wörter. Aber du kannst das Fahrrad gerne noch einmal erfinden, wenn's denn deiner Wahrheitsfindung dient ist's auch richtig. Aber dass z.B. ich deshalb vergleichsweise prinzipiensteif durch's mein armseeliges Leben schlunze? Naja, von mir aus, jeder so gut wie er kann, Max