nur mal kurz einwerf: die hauptamtliche Suchthilfe heute kann nicht mehr verglichen werden mit der vor 23 Jahren. Da hat sich doch einiges getan. Analog schreiben wir ja auch nicht mehr 1936 in der Selbsthilfe.
Im übrigen, was dem/der einen nützt, schadet uU dem/der anderen. Vieles habe ich mit euch gemeinsam, aber einiges an meinem Weg mußte genau so sein, weil ich es war, der ihn gegangen ist. Und das habe ich entgegen Suchtberater durchgezogen, mal von AA ganz zu schweigen Allerdings kann ich das heute nur mit dem Erfolg, den ich hatte, rechtfertigen.
Da es immer noch einige Anfragen bezüglich meines Anfangspostings gibt, und niemand im Unklaren gelassen werden sollte, also noch einige weiteren Erläuterungen.
Dieser persönlicher Bericht habe ich natürlich nicht, gestern ad hoc, spontan innerhalb einiger Minuten hingeschrieben, sondern dieser Bericht war mal - wie es hier auch schon vermutet worden ist - als Artikel für einer Zeitung gedacht. Ich habe das damals aber dann doch nicht veröffentlicht. Deswegen auch die die vielleicht unübliche Darstellung. Mir gings bei der Darstellung meiner Geschichte hauptsächlich darum die Schlüsselerlebnisse meiner Suchtkarriere aus meinem subjektiven Erleben heraus in emotional verdichtete Form wiederzugeben.
Weder möchte ich allgemeingültige "Wahrheiten" über Alkoholismus oder über Alkoholiker mit dieser Geschichte verknüpft wisse noch möchte ich behaupten dass meine subjektiven Erlebnisse sich für andere genauso darstellen.
Wie gesagt es handelt sich nur um meine eigene äußerst subjektive Erlebnisse bzw. deren Interpretationen. Das stilistisch sicherlich viel höhere Niveau dieser Beitrages erklärt sich aus dem Umstand, dass ich an diesen unveröffentlichten Artikel auch wochenlang rumgefeilt habe.
Ich hoffe ich habe nun alle bislang noch offene Fragen damit beantwortet und wünsche uch allen ein schönes, friedliches Wochende
ZitatGepostet von Juma63 Danke kapoen, ich wünsche dir auch ein schönes, sonniges Wochenende!!
......
Das du in so jungen Jahren schon den endgültigen Absprung geschafft hast, ruft in mir große Bewunderung hervor.
Als ich die Geschichte von zai-feh erfuhr, die ja auch schon so früh aufgehört hat, war ich auch sehr beeindruckt und konnte das kaum glauben.
Ganz lieben Gruß,
Sabine
Liebe Sabine,
THX for compliments
Ob der frühe Ausstieg aus der Sucht bewunderenswert ist, weiß ich nicht so genau, den einen späteren Zeitpunkt hätte es da für mich kaum noch gegeben. So gesehen bin ich lediglich an der "Endhaltestelle" ausgestiegen um im Bild zu bleiben. Entweder aufhören oder untergehen, die kurze knappe Formel auf die ich eine Antwort geben mußte.
Dies ist auch der Grund - wie ich es ja bereits oben angedeutet habe - dass ich nie rückfällig oder auch nur in der Nähe eines Rückfalles geraten bin. In den ganzen 26 Jahren gab es keine einzige Situation, wo ich ins schwimmen gekommen wäre es noch mal zu probieren. Der Grund dafür ist der gleiche: ich will kein suicid begehen, und ein Rückfall - das ist mir heute immer noch genauso bewußt wie die ganzen 26 Jahren hindurch - würde innerhalb kürzeste Zeit genau diese zu Folge haben für micht.
Dabei - und dass mag vielleicht komisch klingen - war es auch nie wirklich schwer für mich auf Alkohol oder andere Rauschmittel zu verzichten. Schwer war es hingegen mich wie ein normaler Mensch zu fühlen, mich in der "normalen" welt ,in normalen Lebensgewohnheiten zu bewegen. Nicht das ich verückt wäre, wohl aber war ich in den ersten Jahren überhaupt nicht fähig mich in sozialen Bezüge oder Netzwerke zu integrieren. Und da ich räumlich nicht mehr zurückkehren konnte, wo ich hergekommen bin, und wo meine Familie lebt (ca. 500 km von München), war ich in den ersten Jahren oft schrecklich isoliert. Ganz ehrlich, in den ersten Jahren hätte ich fast täglich mit dem Kopf gegen die Wand rennen mögen. Ich kann mich noch gut daran erinnern, daß ich manchmal an sonnigen tage durchs Fenster nach draussen schaute, und das Gefühl hatte ein großer unheilvoller Riß zieht sich durch meinem Leben, dieses Gefühl war manchmal so stark, das ich es fast bildlich in meiner Wahrnehmung zu sehen glaubte.
Diese Zeiten sind gottseidank vorüber, aber das ich das überstanden habe, ist selbst für mich fast so etwas wie ein kleines Wunder. erklären kann ich es mir nur damit, dass ich neben den absoluten Willen zu leben, wohl eine sehr stark ausgeprägte Leidensfähigkeit zu eigen habe. ce la vie....
vor fast 10 Jahre habe ich den obigen Beitrag geschrieben, und es geht mir immer noch gut soweit. Tatsächlich befand ich mich vor 10 Jahre als ich meinen Beitrag verfasst habe in eine Art Krise. Beruflich und privat war ich wohl in einem Tief geraten, Schwierigkeiten in der Arbeit, ohne Partner und Perkspektive wie sich das Ganze ändern ließ. Die folgende Jahre waren schwierig, habe damals meine Arbeit aufgegeben, bin viel rumgereist und habe dann tatsächlich jemand kennengelernt im Ausland. Inzwischen sind wir schon seit 3 Jahre glücklich verheiratet und meine Frau labt hier zusammen bei mir. Auch beruflich bin ich nochmals halbwegs auf die Beine gekommen, zwar beileibe keine Traumjob mehr gefunden (war ja auch schon 55 als ich nach 2 jährige arbeitslosigkeit wieder eingestiegen bin im Berufsleben), aber es reicht gut zum Leben und gibt wieder Sinn.
Allen gutes Voran kommen - eine Sucht kann man überwinden, definitiv!
Hallo, Kapoen und toll so etwas Positives zu lesen!
Es ist zu schaffen, ja...und das macht Mut und Hoffnung für die Süchtigen, die noch ganz am Anfang stehen.
Alles Gute weiterhin auf Deinem Weg!
Liebe Grüsse!
Manuela
--------------------------------------------------------------------------------------------------------------- Das Leben ist schön, von " einfach " war nie die Rede.
Da hier anscheinend nicht weinige sich in ihre Anfangsphase, also erst grade seit wenigen Wochen, Monate begonnen haben ohne Konsum zu leben, möchte ich noch mal schildern, wie ich letztendlich den Austieg bewältigt habe und bis zum heutigen Tage immer noch bewältige. Ich habe ja auch, bevor ich dann wirklich Erfolg hatte, etliche Versuche gestartet ein neues - Suchtmittelfreies Leben - zu führen. Neben den vielen eigenen Versuche ohne profesionelle Hilfe hab ich insgesamt drei Langzeittherapien durchlaufen. Die eigene Versuche waren ausnahmslos alle innerhalb kurzeste Zeit gescheitert, zwar war es durchwegs schon so, daß ich immerwieder mal einige Tage/Wochen den Konsum einstellen konnte, aber nach wenigen Wochen gings schon wieder so gut, waren die negativen Auswirkungen so weit im Hintergrund getreten, daß es mit der Einsicht bald vorüber war. Nach dem Motto, "wenn ich dann doch so verhälnissmäßig leicht aufhören kann, kann es dann doch nicht so schlim mit meiner Sucht sein"....und patschmaus, hing ich wieder drin, ein Muster welches ich übrigens oft wiederholt habe. Später dann, als mir klar wurde, daß ich da ohne Hilfe anscheinend doch nicht so leicht wieder raus komme, habe ich mich auf Langzeittherapien eingelassen, insgesamt drei mal war ich in einer solchen Einrichtung. Ich glaube die erste war im Jahr 1977, dort war ich allerdings nur weinigen Wochen, dann bin ich mit einigen anderen nachts in die nächste Disco ausgebüxt, hab mir voll die Kanne gegeben mit der Folge, daß wir alle am nächsten tag in hohem Bogen rausgeflogen sind. Der Grund bzw. meine eigen Rechtfertigung für den Rückfall, war Eifersucht bzw. ich hatte mich unglücklich verliebt dort, als mir klar wurde, daß das wohl nix mehr werden würde (Nebenbuhler) war das für mich gleich Grund genug, alles hinzuschmeissen! Was folgte, war ein Abstürz in ungeahnte Tiefen, monater lange Dauerkonsum! Die nächste LZT war dann etwa ein Jahr später 1978, irgendwie hatte ich es geschafft in den wenigen lichten Momenten Kontakt zur Suchtberatung der Krankenkasse herzustellen und eine neue Therapie einzuleiten. Hier hab ich dann tatsächlich die veranschlagten 6 Monate durchgehalten, war ja auch ein "primaleben" dort. Im geschützten Rahmen, eine hübsche Therapiefreundinn an meiner Seite, etwas Gesprächsrunden, etwas Beschäftigungstherapie - eigentlich easy-living sozusagen, nur das da irgendwas an mich herangekommen wäre, fehlanzeige. So kam, was kommen mußte, nach wenigen Monaten in alter Umgebung, und nachdem die Beziehung mit meinem "Kurschatten" langsam aber sicher endgültig in die Brüche gegangen war, wars mal wieder soweit...(immer die Frauen ..,der Absturz war aber nicht ganz so heftig, und ich habe auch kein meiner zuvor präferierten Suchtmittel eingenommen, sonder hab mir mal wieder einen Joint reingezogen, dachte wohl in etwas, haschisch süchtig war ich nicht gewesen, also geht doch! Ein großer Fehler, wie es sich bald zeigen sollte. Die nächsten Monate konnte ich mich trotzdem halbwegs halten, der absoluter Absturz kam aber dann, als ich mich im Dezember 78 mit einem "Suchtkumpel" aufm Weg nach München gemacht haben. Wir hatten hier über eine Leihfirma, einen befristeten Job bei BMW erhalten. Wir kamen mit unserem letzem Geld hier an, ich glaub wir hatten noch insgesamt 15 DM in der Tasche. Die nachfolgenden 6 Wochen, waren dann echt extrem, jeden morgen vor der Arbeit im Wechsel Aufputschtabletten und Beruhigungstabletten damit wir diese Arbeit bei BMW am Fließband überhaupt leisten konnten, abends Alkohol und Drogen, damals gabs sogar in München noch ausgesprochende Drogenkneipen. Mein Kumpel, der dabei war - hab ich übrigens noch heute Kontakt mit - hatte eine ausgesprochen kriminelle Ader. In unseren letzten Wochen in München damals, hat er mindestens etliche Tabakschops, Kleiderladen etc. ausgeräumt! Irgendwann hatten wir dann zusammen mit dem Lohn wieder reichlich Kohle uns wieder nach Düsseldorf zu begeben. Beschaffungskriminalität, war in dieser Zeit auch ein großes Thema für mich, Arztpraxen, Apotheken, Autoeinbrüche, Dealerei..alles was Geld versprochen, hab ich gemacht. Bin allerdings nie polizeilich erwischt worden, hab aber jede Menge Haarsträubende Geschichten erlebte. So z.B. haben wir mal einmal einen größeren Haschischdeal Deal in Amsterdam organisiert. Wir sind mit einigen Leute dorthingefahren und wollten für 10.000 DM Haschisch kaufen. Wir haben uns dann mit einer Karibik-Molukkengang eingelassen bzw. den Deal verabredet. Als es dann schließlich an einsamen Ort zu Drogen bzw. Geldübergabe kommen sollte, sind dann diese Figuren mit einem Auto am verabredeten Ort aufgetaucht, statt Haschisch haben sie aber ihre Pistolen gezogen und ohne Vorwarnung geschossen...Geld futsch, ein Freund hat einen Streifschuß davon getragen....solch ähnlicher Geschichten - okay nicht immer ganz so dramatisch - habe ich damals ständig erlebt. Das wäre vielleicht mal einen eigene Thread "Beschaffungskriminalität" wert. Jedenfalls um zum Thema wieder zukehren, war das damals so mein normaler "Alltag", bis ich dann schließlich meine dritten Therapie in die Wege geleitet habe. Mir war zu dieser Zeit absolut klar, es gibt für mich nur noch diese Chance gibt. Inzwischen war ich auch psychisch so kaput, daß ich ständig Verfolgswahn, starke Angstzustände, Derealisationsgefühle etc. hatte. Also kurz davor komplett den Verstand zu verlieren. Aber auch mit dem Gesetzt bin ich immer mehr in Konflikt geraten - siehe oben - zuletzt war ich so weit, daß ich kurz davor stand mit anderen kriminellen Elementen einen Bankraub ausführen zu wollen, wozu es gottseidank nie gekommen ist! Mir war alles vollkommen scheißegal. Aber selbst wenn ich nicht verrückt oder nicht im Knast gelandet wäre, war mir damals doch klar, daß ich ein solches Leben nicht mehr lange überstehen kann. Also war klar, sterben oder mein Sucht endgültig im Griff bekommen. Dieser Satz gilt jetzt nach fast 37 Jahre noch genauso, wie damals!
Aus meiner Sicht, ist eine Schtkrankheit ein mächtiger Gegner, nachwievor. Nie vergesse ich, mit wem ich es hier eigentlich zu tun habe. Suchtkrnakheiten sind mit allen Wassern gewaschen, kommen mal aus langweile daher, mal weil es einem schlecht geht, mal weil es einem gut geht, ja auch das gut gehen gehört dazu. Wie ich schon sagte, selbst nach heftigen Suchtphasen, gelingt es teilweise noch relativ leicht, den Konsum wieder einzustellen. Scnell kann man sich u.U. wieder realit gut fühlen, darin liegt aber m.E. nach eine große Gefahr. Da man es ja eh so "leicht" wieder geschafft hat, den Konsum für Wochen, Monaten einzustellen, kannes vielleicht doch nicht so schlimm gewesen sein und vor allem, da ich ja anscheinend jeder Zeit wieder aufhören kann, was spricht also daggen es mal wieder zu versuchen!!? Und genau diesen Verlauf, ein solches Muster, daß ist Sucht, das ist Sucht in Ihre hinterlsitigstens Form überhaupt. Das ist bei mir auch immer der Grund, daß ich Sorgen äußere, wenn hier jemend sagt, daß es ihm bald schon wieder ganz gut geht. Es ist schön, wenn es einem wieder gut geht, und es ist auch wichtig, daß man seinem Leben möglichst bald wieder die Schönen Seiten abgewinnen kann, nur bitte unterschätzt nicht Euere Krankheit. Schließlich muß es gute Gründe geben, warum viele Menchen zig-Anläufe brauchen, bis sie den Absprung schaffen! Ich jedenfalls unterschätze meine Krankheit in keinester weise. Mir ist klar, diese Auseinandersetzung muß wohl bis zum letzten Atemzug gehen. Trotz, daß ich das nie vergesse, ist mein Leben schön, ich bin nicht im Paradies angekommen, wohl aber kann ich inzwischen annäherend ein normales Leben führen. Und darum geht es letztendlich ein normals Leben, auch mit Sorgen und Probleme, wie jeder ander auch - aber trotzdem mit einer tiefen Erfüllung, zu führen.
vielen Dank für Deinen Beitrag, das ist ein schmaler Grat bei Dir gewesen zwischen totalen Absturz und Knast bzw. sterben und das Leben wieder annehmen und trocknen. Ich glaube das ist bei vielen usern hier so gewesen, vll. nicht mit Knast & Banküberfall, aber Leben oder (frühzeitig & elendig) sterben, das ist die Gretchenfrage. Bei Dir ist dieser Zeitpunkt sehr sehr früh gekommen, wenn ich ich mich recht entsinne mit 21, nach 8 Jahren extremen Konsums, quasi die komplette Jugend zugedröhnt. Ich kann mich nur wiederholen, schreibe weiter hier im Forum, damit hilfst Du uns (und Dir natürlich selbst), das Aufzeigen, dass ein nüchternes Leben wertvoll ist, schön ist, und sogar ein nüchternes Leben voll mit Problemen und Leiden ist besser als ein nasses Leben mit trügerischer Schönheit, denn hinter dieser alkoholischen Schönheit liegt ein tiefes Tal des Grauens.
Mit meinen Trinkpausen und Trinksystemen habe ich mich fast 20 Jahre lang selbst betrogen, sobald es mir wieder besser ging waren alle Vorsätze dahin, zwar wollte ich nicht wirklich aufhören, aber eben extreme innere Gefühlsschwankungen vermeiden, und doch, sobald wieder Alkohol in meinen Körper strömte, waren alle guten Glaubenssätze auf Reset und die bekannte Schleife startete, bis wieder der Reset startete. Ich denke die Macht der Illusion, dass das Saufen irgendwann normal werden wird ist extrem mächtig, und dieses Wenn-Dann Spielchen ist ein prima Glaubensverstärker, bspw. war es bei mir so, dass ich Jan. 2010 einen neuen job startete, der mich sehr ausfüllte und mir extrem gut getan hat, positiver flow, Saufen war anfangs kein Thema mehr bzw. sehr "moderat", das ging auch circa 1 Jahr gut, dann sind so langsam die ersten Probleme aufgetaucht und das Bodhi'sche alkoholische Verdrängungsmuster ist in den Vordergrund gerückt. Was ich ausdrücken möchte, bei mir was es absehbar, dass ich irgendwann im Suff alles zerstöre, es war immer nur die Frage zu welchem Zeitpunkt. Und in jungen Jahren bzw. so bis 35 Lenze habe ich mich irgendwie immer wieder aus dem Sumpf befreit, zwar nicht wirklich, weil ich im geschlossen Scheisshaus voll mit Kacke bis zum Hals saß und dachte wenn ich den Kopf mal für ein paar Wochen oder Monate aus der Luke oben stecke und frische Luft atme ist alles gut, aber spätestens sobald aus der frischen Luft ein Gegenwindchen wurde, habe ich den Kopf wieder eingezogen und war wieder mittendrin in der Scheisse. Was ich damit ausdrücken möchte, es reicht nicht aus, kurz den Kopf rauszustrecken und frische Luft einzuatmen und zu genießen, das ganze Scheisshausgerüst muss weg, dieses ganze dreckige geschlossene Bild mit all den Betrugsszenarien.
Grüße, Bodhi
Einfach SEIN- genügt völlig und mehr geht auch nicht. Das ist das volle Glück.
Starke, eindrucksvolle Worte! Ich glaube, aufm guten Weg ist man dann, wenn nicht alles gradlinig läuft. Neben den guten Momenten, die genau so wichtig sind, auch immer mal wieder verwirrung, zweifel, unsichherheit sich zeigen. Die guten Zeiten sind wichtig, neuer Lebensmut zu schöpfen, sich mal entspannt zurück zulehnen, das Leben genießenund es sich gut gehen lassen, das gehört aufm Weg “zurück“ genauso dazu, wie die anderen Phasen, wo es einem msl nicht so gut geht, wo man das Gefühl hat, daß alles stagniert etc. In solchen letzteren Phasen setzen wir uns viel stärker mit unsere Suchtdynamik auseinander, als in den guten Phasen. Beides ist wichtig, die Zukunft gestalten, die Vergsngenheit aufarbeiten!
seitdem ich hier auch über mich seit einigen Wochen schreibe, spüre ich, wie sehr mich die Dinge auch noch selber aufwühlen zum Teil. Mag auch daran liegen, daß ich im Prinzip nach meiner letzten LZT kaum noch über mich, meine Problemen und Sorgen gesprochen oder mich geäußert habe. Ich habe nur im ersten Jahr nach der letzten LZT regelmäßige Gespräche mit der örtlichen Caritas-Suchtberatungstelle in Geretsried gehabten. Geretsried deshalb, weil ich hierhin (nachdem ich mich die ersten Monate nach meiner Therapie in München aufgehalten habe) angefangen habe die Schule zu besuchen. Geretsried ist eine kleine Stadt, die man im/nach dem zweiten Weltkrieg vom Reißbrett her aufgezogen hat. Meine persönlich größte Herausforderung in der unmittelbarer Zeit danach, war ohne Zweifel die Langweile, die Ödnis, die sich in meinem "neuem Leben" eingestellt hat. In meiner aktiven Suchzeit, war mein Leben voller Extremen, rauf und runter jeden tag! Jeden ein neues "Abenteuer", jeden Tag "on the run", jeden Tag eine Herausforderung den Tag zu überstehen, wie komme ich an Geld, wie komme ich an Stoff! Es war sicherlich alles sehr schlimm und grausam, nur eins war es wirklich nicht- langweilig. Im Nachhinein war dieser Zeit - auf seiner destruktiven Art - ein Leben in absoluten Extremen, immer Nahe am Ungluck, immer existenziell, eine Verdichtung von Lebensereignisse ohne Gleichen. Jetzt in meinem neuen Leben damals nach der letzten Therapie, war alles komplett anders, auf einmal sollte/mußte ich ein Leben in geregelten Bahnen, mit geregeltem Tagesabläufe (in der Therapie hatte ich dies zum Glück schon wieder etwas gelernt). Mit "normalen Menschen" konnte ich damals nicht wirklich etwas anfangen, hatte irgendwie das Gefühl, die bzw. ich kommen von einem anderen Stern. Entsprechend einsam, verlassen kam ich mir vor. Dazu kam dann noch ein allumfassendes Gefühl der langweile, außer der Schule, war eigentlich rein gar nichts, was mich abgelenkt hätte. Auch finaziell war das eine sehr schwierigen Situation, da ich fast keinerlei Unterstützung erhielt, mußte ich im Schnitt mit 300 DM/Monat für alles auskommen, auch damals sehr wenig Geld. So hatte ich auch keinerlei Möglichkeiten mal groß wegzufahren oder was zu unternehmen. Jedenfalls dieses Gefühl, der Verlassenheit und langweile zu überwinden hat jahre, wenn nicht ein Jahrzehnt gedauert. Es hat wirklich sehr lange gedauert - und war aus meiner Sicht die größte Herausforderung überhaupt - ein "normales Bürgerliches Leben" zu führen bzw. ein solches Leben zu akzeptieren und anzunehmen. Das liegt sicherlich auch daran, daß alles was man für eine solche Existenz brauch, angefangen von den ganz normalen Umgangsformen bis hin zu den allg. anerkannten Werten und Zielen, war bei mir praktisch nichts mehr vorhanden. Entsprechend wenig konnte/wollte ich mich integrieren. Die Langweile, war lange Zeit schier unerträglich. Wobei mir im Nachhinein eigentlich auch klar geworden ist, daß es wohl so hat sein müssen. Wenn man seine Suchtangewohnheiten lebwohl sagt, verabschiedet man sich von etwas Ungutem, etwas Ungutem zwar, aber auch etwas, was ja jahrelang, wenn nicht noch länger eine wichtige Funktion in seinem Leben ausgefüllt hat. Es ist ja warscheinlich nicht so, daß schon beim ersten Schluck Bier alles schlecht war, nein am Anfang haben ja noch durchwegs die Vorteile das Alkohols überwogen. Ich konnte lange Zeit diverse persönliche Probleme und Unzulänglichkeiten, diverse Löcher in meinem Leben auf halbwegs bequeme Weise schließen oder überbrucken. Erst später, als ich die Balance verloren habe und sich ein unerbitterlicher negativer sich selbst verstärkender Kreislauf in Bewegung gesetzt hat, sind die negativen Folgen so langsam sichtbar/spürbar geworden. Wenn man sich also eines Tages entschließt, diese negative Dynamik zu entkommen, verabschiedet man sich von etwas Schädlichem, das was dazu geführt hat, das warum es überhaupt erst soweit gekommen ist bzw. die Funktion, die das Suchtmittel die ganze Zeit über eingenommen hat, das ist ja aber trotzdem nicht vorhanden. Eher im Gegenteil, je länger man konsumiert,umso mehr verkümmern die rudimentär vorhanden Fähigkeiten seine Bedürfnisse und Anliegen mit sozial akzeptierten Mittel zu verwirklichen. Das ist ja auch Suchtdynamik pur, je mehr ich konsumiere, umso mehr verliere ich meine Fähigkeiten mein Leben, meine Beziehungen nach meinen Wünschen, so weit es geht, zu verwirklichen und ein halbwegs normales zufriedenes Leben aufzubauen. Je mehr ich diese Fähigkeiten wiederum verliere, umso mehr muß ich konsumieren, um einen vermeintlichen Zustand von Gluck und befriedigung zu erreichen. Ab hier gehts dann normalerweise nur noch in einer Richtung, nämlich abwärts! Hat man es dann doch geschafft, aufgrund von Leidensdruck dies Dynamik zu akzeptieren und die Erkenntnis gewonnen das der Weg "mit" ein "Holzweg" ist und konnte man sich berappeln endlich schluß zu machen auf welcher Weise auch immer, steht man zunächst vor diesen Trümmerhaufen, darf man sich als "Trümmerfrau" versuchen. Und in der Nachfolge Zeit, wird früher oder später alles wieder zuvorscheine kommen, was mal ganz frühere Ursache, der Anlaß war, da man gesaufen hat. Das sind dann die Zeiten, wo man erneut ins Schlittern gerät, wo es einem nicht gut geht, wo sich Depressionen einstellen etc. pp. Allerdings sind diese Zeiten des Leidens und Suchens auch Zeiten der inner Heilung, denn nur wenn die immer noch vorhanden inneren Defiziten wieder ins bewußtsein gelangen kann man sie auch bearbeiten, neue Verhaltensstrategien auszuprobieren! Aufdauer muß man sich dem wohl stellen glaube ich. Eine dauerhafter Konsumverzicht kann in den allermeisten Fällen nur gelingen, wenn man sich auch in diese Hinsicht ändert, ein neues "normals Leben" aufbaut. Allein nur aufzuhören zu wollen, dürfte nicht reichen. Deswegen denke ich auch, wenns einem mal wieder nicht so gut geht, ja das gehört dazu aufm Weg zurück. Nicht angehnemes karo, nix was man sich eigentlich wünscht, aber das sind die Zeiten, wo man(ich) vorankommen kann, sofern ich es zulassen kann, sofern ich bereit bin genauer hinzuschauen! Ich hoffe, was ich schreibe, kommt nicht alzu lehrerhaft rüber, es sind meine eigene Gedanken, meine Erfahrungen, die sich hiern wiederspiegeln. Das alles zu wissen bringt niemandem in seinem realen Leben weiter, gehen muß jeder seine eigenen Weg, aber es kann trosten, es kann in manchmal auswegslos erscheinenden Situationen zuversicht geben und ein tiefers Verständnis für das was man da grade mal wieder durchläuft wecken.
Guten Morgen, sehr anschaulich geschildert. Woher kennst Du meine Geschichte? Naja, ganz so krass war sie nicht, aber den Einstieg, den Ablauf und die Schwierigkeit beim Ausstieg ist sehr treffend geschildert.
Eine kleine Bitte hätte ich jedoch: meine Augen sind nicht mehr die besten. Ich tue mir richtig schwer, diesen Buchstabensee, so spannend er ist, zu lesen. Könntest Du bitte ab und an einen Absatz machen. Danke
Versprochen, ich werd mir Mühe geben. Du weißt ja, das Deutsch ist nicht meine Muttersprache, aber “a bißerl was geht allwei“ . Öfters schreib ich auch vom Mobile aus, was den Schreibstill wohl auch nicht schöner macht!
ZitatAus meiner Sicht, ist eine Schtkrankheit ein mächtiger Gegner, nachwievor.
ein gegner war meine alkoholsucht nur so lange, wie ich den sprit in mich reinkippte und das tat ich buchstäblich bis zur letzten gelegenheit, nämlich einen tag vor therapieanfang...
nach einer relativ kurzen ankommensphase konnte ich mich meinem wirklichen "gegner" widmen, meiner defizitären persönlichkeit...da war es für mich wichtig heranzukommen...neben meiner eigenen lebensgeschichte, die in den therapie-gruppenstunden thema war, interessierten mich auch alle anderen mit denen ich für mich "arbeiten konnte...das hat sich bis heute nicht viel geändert, auch in der shg hör ich immer wieder gerne genau hin, wenn die teilnehmer von sich erzählen...
wie und durch welche einflüsse entwickelt der mensch sein denkendes und fühlendes wesen... wodurch wird seine persönlichkeit geprägt...was kann passieren wenn bestimmte einflüsse andere überlagern oder gar ganz verdrängen...will sagen, wie stabil ist das fundament für's leben...
für mich nicht nur der zentrale baustein für meine gesundung,sondern auch für alles weitere auf meinem weg...immer mal wieder guckt der kleine malo um die ecke und schiebt eine weitere auseinandersetzung mit meiner menschwerdung an...selbstreflexion ist für mich ein muss, um meinem inneren frieden die notwendige stabilität zu erhalten...
das leben gibt mir jeden tag die chance mich bewusst darauf einzulassen, ich muss es nur zulassen...