kann ich absolut 100% zustimmen, denke da sind wir voll auf einer Linie. Mit Suchtkrankheit meine ich übrigens auch nicht unbedingt die Einnahme irgendeines Suchtmittels, vielmehr denke ich dabei auch vielmehr an einer inneren Dysbalance, eine Sozialisationsstörung bzw. eine defizitäre Persönlichkeit, wie Du es ja auch geschrieben hast.
Diese Dysbalance zeichnet sich wohl dadurch aus, daß schon in der frühesten Kindheit die Waage zwischen Lust- und Realitätsprinzip in einer Schieflage geraten ist. Bei Suchtkranken ist ja die hedonistischen Seite, der Genuß, die sinnliche Freude am Leben meistens gut ausgeprägt. Auf der anderen Seite der Waage, gibt es das Realitätsprinzip. Ein Prinzip, welches vermittelt, daß die Welt nicht nur aus der puren Lust und Freude, sondern auch aus so mancher Plakerei, mancher Ausseinandersetzung erfordert um hier bestehen zu können. Man könnte auch sagen, die gebratenen Tauben fliegen einem nicht quasi von selber in den Mund, sonder man muß normalerweise vorher etwas dazu tun, daß man den Vogel auch verspeisen kann. Diese letztere Seite scheint bei vielen Suchtkranken eher unzureichend ausgebildet, was zur Folge hat, daß sich beiden Prinzipien in einem inneren Widerspruch zu einander bewegen.
Eine übergroße Erwartungshaltung, die Welt soll mir bitteschön all meine Bedürfnisse 100% befriedigen und zwar sofort, steht einem eher dürftigen defizitären Ich-struktur gegenüber, die ja in diesem Zusammenhang wichtig ist, die persönlichen Bedürfnisse überhaupt durch eigens Tun erfolgreich befriedigen zu könnte bzw. duch Einsicht mglw. auch Verzicht üben zu können. Der Mensch ist vor allem auch deswegen Mensch, deswegen eine Persönlichkeit, weil er in seiner Sozialisation gelernt hat durch bewußte Entscheidungen verzichten zu können.
Dieses deficile Ineinandergreifen beider Grundprinzipien scheint beim späteren Süchtigen gestört. Die Folgen für den späteren Heranwachsenden sind das Erleben einer überforderenden Umwelt und das Erleben des eigenen Scheiterns, des Versagens in eben dieser Umwelt. Rollentheoretisch könnte man auch sagen, die Übernahme gesellschaftlich normativer Rollen gelingt zwar noch, diese Rollen werden aber als leer und sinnlos erlebt, fehlt es doch an der Fähigkeit diese Rolle auch aktiv mit eigenen Leben auszufüllen, es gelingt nicht Rollendistanze aufzubauen . Das zeigt sich daran, daß man nach Außen zwar funktioniert, die Verwirklichung eigener Bedürfnisse bleiben mit diesen gesellschaftlich vorgegenen Schablonen auf der Strecke. Der innere maßloser ungezügelte Anspruch trifft demzufolge immer härter auf einer als sinn- und befriedigungslos erleben Umwelt.
Dann kommt irgendwann der Alkohol oder Anderes ins Spiel. Plötzlich wird doch noch ein Schuh draus! Einerseits kann man sich endlich mal wieder sich voll dem Lustprinzip hingeben, rauschhafte Lustbefriedigung geht einher mit einer Sprengung der als viel zu eng erlebten normativen Rollen und Grenzen. Der ganze innere Widerspruch lößt sich auf in einem Schluck Bier. Nur leider nach dem Schluck Bier befindet man sich genauso wieder in einer (seiner) tristen Realität. Was also tun? Klaro, der nächste Schluck Bier wartet schon. Dummerweise kittet der Alkohol zwar für kurze Zeit die inneren Widersprüche, wieder in der Realität angekommen, vergrößert es dies Widersprüche jedoch. Unweigerlich gerät man so irgendwann in einer Schieflage, solang bis man endgültig die Balance verliert und abstürzt.
Warum könnte man sich fragen, ist das bei den einen so, bei den anderen nicht? Tiefenpsychologisch heißt es, bleibt der spätere Suchtkranke in der oralen Phase fixiert, d.h. die emotionale Loslösung von der Mutter (Lustprinzip) gelingt nur unzulänglich, weil die Übernahme des Realitätsprinzip (Identifikation mit dem Vater) aus vielerlei Gründen nicht ausreichend gelingt. Nicht selten findet man weiche, liebevolle, überfürsorgliche Mütter in Kombination mit unahbarer, autoritärer, rigider Vaterfiguren. Aber auch fehlender Väter, Scheidungskinder vieles kann zu einer solchen emotionalen Fehlkonstelation führen. Man kann sich in der frühsen Kindheit nicht ausreichend von der emotionalen Bildung zur Mutter lösen, was das gleiche bedeutet, daß man sich nicht aus seinen eigenen frühkindlich, ominipotenten Allmachtsphantasien, seinen maßlosen Erwartungshaltungen an der Umwelt befreien kann. Dies geschiet normaler weise, wenn das Kind sich bewußt wird, daß einem die Mutter nicht alleine gehört, sondern das es da noch ein mächtige Konkurrent im Kampf um die Mutter gibt. Psychologisch betrachtet, kann man seine Mutterbindung langsam auflösen indem man sich positiv mit dem Vater indentifiziert. Diese Indentifikation ist dann das Fundament, als Plattform für alle nachfolgenden Ich-Entwicklungsprozeße. Fehlt dieser Vater bzw. stellt sich dieser als wenig geeignet Identifikationsfigur heraus, müssen diese wichtige fundamentale Ablösungdprozeße zum Teil mißlingen. Man bleibt in seine Widersprüchen verhaftet, eine allumfassende reife Persönlichkeitsbildung ist mehr oder weniger gestört.
Das hört sich zunächst ersteinmal gar nicht so gut an, aber trotzdem das Gute daran ist, daß wir durchwegs in der lage sind, auch sehr viel später noch diese Entwickelungen nachzuholen. In der Gemeinschaft, in der Auseinandersetzung mit unseren sozialen Umwelt, kann vieles korrigiert werden, kann die Balance wieder hergestellt werden. Das braucht allerdings etwas Zeit und Mühe. Der erste Schritt dazu ist, finger weg von den Suchtmittel!
mit diesem Beitrag von Dir kann ich mich 100 % identifizieren, überbesorgte verhätschelnde Mutterfigur und ein fehlender Vater bzw. eine maskierte Autorität (im Innern ein kleiner angsterfüllter Junge), in dieser Struktur fehlende Werte, innere Zerrissenheit, zwei vorgelebte Welten ohne prägende Werte für mich als Kind und Jugendlichen. Meine Schwester ist daran quasi gestorben, sie lebt noch, doch noch immer in der Welt des pubertierenden Teenager auf der Suche nach Werten und Liebe, seit 20 Jahren ist das nun Hass gegenüber meinen Eltern.
Und ja, die Kür, die wollte ich zu 99 %, mein Pflichtanteil war max. auf 1 % beschränkt, so ICH, so das nasse Leben, und wenn die Himbeeren nicht in den Mund wachsen, so denn doch das Bier in den Mund, und besser gleich noch das ganz große Programm mit Superstar, satisfaction, Mehr Mehr Mehr, Saufen-Kaufen-Lügen, Kaufen-Lügen-Saufen, Lügen-Saufen-Kaufen, treiben lassen, sinnieren, lalelu, ich bastel mir im Suff meine Luftschlösser, und alle alle anderen Idioten können mich am Arsch lecken. Diese unheimliche Gier auf meine Luftschlösser, auf diese in sich geschlossene träumerische Welt, ICH bestimme mit Drücken des Saufbuttons den Beginn der zauberhaften Illusion, das war meine Welt um zu überleben und zu bestehen. Ich meine, ich bin nie über den Genuß zum Alkoholiker geworden, ich war Alkoholiker bevor ich den ersten Schluck Alkohol getrunken habe, mit 17 habe ich entdeckt, dass mein Saufverhalten anders ist, als bei anderen Mittrinkern, mit 19 Jahren ging ich in Büchereien um mich über Alkohol einzulesen und erkannte theoretisch, dass ich Alkoholiker bin, so what, mit dem nächsten Schluck Spirt war das vergessen und von Qual nach dem Saufen keine Spur, also weitermachen.
Ja, ich möchte zurückgehen, Reset, auf Anfang, was Du geschrieben hast, diese Erinnerung an Anfangszeiten des Suffs, die ist jetzt nach knapp 2 1/2 Jahren ohne Sprit wieder abrufbar, bzw. ich sehe den pubertierenden Bodhi mit all seinen Problemen, mit den Wachstumsschmerzen, die ich nicht zugelassen und ertränkt habe, nicht wissend, dass diese sich manifestieren und mein ganzes Leben verzerren (werden). Hmmm, nicht angenehm das zu spüren, aber ich werde da durchgehen, und derzeit habe ich so Gefühle in mir, dass ich lange Zeit nicht mehr hatte, tiefe Freude und Trauer, als ob da nochmal alles hochkocht und verarbeitet werden möchte.
Grüße, Bodhi
Einfach SEIN- genügt völlig und mehr geht auch nicht. Das ist das volle Glück.
sehr eindrucksvoll, nachvollziebar geschrieben. Fast physisch spürbar Deine Formulierungen! Thats the way...oder um es einmal mit der Rockgruppe Karat zu sagen:
ÜBER SIEBEN BRÜCKEN MUSST DU GEHEN
Manchmal geh ich meine Straße ohne Blick Manchmal wünsch ich mir mein Schaukelpferd zurück Manchmal bin ich ohne Rast und Ruh Manchmal schließ ich alle Türen nach mir zu Manchmal ist mir kalt und manchmal heiß Manchmal weiß ich nicht mehr, was ich weiß Manchmal bin ich schon am Morgen müd Und dann such ich Trost in einem Lied Über sieben Brücken mußt Du gehen Sieben dunkle Jahre überstehen Sieben mal wirst Du die Asche sein Aber einmal auch der helle Schein
Manchmal scheint die Uhr des Lebens stillzustehen Manchmal scheint man immer nur im Kreis zu gehen Manchmal ist man wie von Fernweh krank Manchmal sitzt man still auf einer Bank Manchmal greift man nach der ganzen Welt Manchmal meint man, daß der Glücksstern fällt Manchmal nimmt man, wo man lieber gibt Manchmal hasst man das, was man doch liebt Über sieben Brücken mußt Du gehen Sieben dunkle Jahre überstehen Sieben mal wirst Du die Asche sein Aber einmal auch der helle Schein
Über sieben Brücken mußt Du gehen Sieben dunkle Jahre überstehen Sieben mal wirst Du die Asche sein Aber einmal auch der helle Schein
Über sieben Brücken mußt Du gehen Sieben dunkle Jahre überstehen Sieben mal wirst Du die Asche sein Aber einmal auch der helle Schein Über sieben Brücken mußt Du gehen Sieben dunkle Jahre überstehen Sieben mal wirst Du die Asche sein Aber einmal auch der helle Schein
Heute möchte ich mal etwas darüber schreiben, weshalb ich hier eigentlich wieder aufgeschlagen bin nach so langer Zeit. Mir kommt es ja so vor, als wenn eigentlich Zufall dahinter steckt. Möglicherweise stimmt das auch, aber möglichweise auch nicht.
Fangen wir mal mit dem vermeintlich zufälligen Anteil an. Ich hatte vor gut 3 Monate, wohl daß, was man einen leichten Herzinfarkt nennen kann. Leicht deswegen, weil letztendlich nicht wirklich viel kaput gegangen ist, aber davon später mehr.
Angefangen haben die ersten Symptomen, wie mir im Nachhinein erst bewußt geworden ist, schon vor gut 6 Monate, während meines Urlaubs in Indonesien/Bali. Jeden morgen, während ich mit meine Frau an den Küsten Balis gejogt bin, spürte ich stets einen leicht brennenden Schmerz in der Brust. Ich habe es allerdings nicht weiter ernst genommen, zumal als ich einige Tage später in Singapur bzw. Im Norden Thailands (wo meine Frau herkommt) ebenfalls meine Runden gedreht habe, bei dieser Gelegenheiten, dann wiederum rein gar nix gespürt habe. Zurück in Deutschland machten sich in der Folgezeit gelegentlich ähnliche leicht schmerzhaften Empfindungen bemerkbar, z.B. beim Treppensteigen oder Vergleichbares.
Schließlich dann am 2 juni, waren schon morgens diese Schmerzen verstärkt spürbar, weswegen ich dann auch meinen Hausarzt aufsuchte. Nach Blutdruckmessung, Abhorchen und Abtasten gab es ersteinmal Entwarnung. Außer eine Überweisung zum Kardiologen (immerhin!) Sollte ich ersteinmal Tee trinken und zuwarten. Nachmittags des selbigen Tages jedoch, nachdem ich nochmals versucht habe zu joggen, waren die Brustschmerzen so stark, daß ich beschloss in der Notfallambulanz des Krankenhaus zu gehen. Kaum war ich dort, lag ich schon auf der Pritsche und wurde ins Herzkathederlabor reingeschoben. Dort wurde eine 85% Verengung eines Herzkranzgefäße festgestellt. Außerdem ein sich grade aufbauende Herzinfarkt! Nach Ballondilitation und Stenteinsetzung fand ich mich dann schließlich auf der Intensiv wieder.
Statistisch verziert wie ich bin, habe ich mich dann gleich mal mit meinen Überlebenswarscheinlichkeiten beschäftigt. Es läßt einem nicht grade ruhig einschlafen, wenn Google eine 50% Sterbewarscheinlichkeit für den ersten Monat auspuckt. Aber auch, wenn man es lebend ins Krankenhaus schafft, sterben immerhin noch 10% der Patienten innerhalb der ersten Tage dort. Sich von jetzt-auf-gleich mitten im Überlebenskampf zu befinden ist wirklich eine sehr deprimierende Erfahrung, auch wenn ich hiermit schon einige Übungen hab machen dürfen/müssen. Schon einigemale bin ich in Laufe meines Lebens den Teufel von der Schüppe gespungen.
Das erste mal, wo es ums Ganze ging war ich knappe 4 jahre alt, eine schwere Hirnhautentzündung hätte mich fast unwiderruflich mitgenommen. Das zweite Leben kam dann zum Einsatz bei meiner Suchtkrankheit. Das dritte - zugegeben halbe Leben - kam zum Einsatz als ich nach einem Trümmerbruch am Unterschenkel, mir eine schwere Knocheninfektion einhandelte und mich anschließend monate lang in der Klinik Mürnau auf der Infektionsstation am Antibiotikatropf wiederfand.
Dort dürfte ich dann auch immer wieder mal beobachten, wie man einen ganzen Patienten in den Operationssaal reinschob und ein halber (dreiviertel) Patient wieder rauskam, meistens um ein Bein gekürzt. Auch die sogenannte Salamitaktik kam immer wieder mal zum Einsatz. Das hieß, dem Betroffenen wurde immer weiter eine dicke Scheibe Bein abgeschnitten, um die zugrunde liegende Infektion zu stoppen, was aber dann aus unerklärlichen Gründen manchmal scheiterte, so daß eine erneute Runde fällig wurde, manchmal so lange, bis es nix mehr zum Schneiden gab!
Insgesamt habe ich wohl gut 2 jahre an dieser Geschichte herumgedocktort. Als ich hiernach endlich grade wieder beruflich fuß gefaßt hatte (meinen vorherigen Job, hatte man ja schon bald nach meinen Beinbruch gekündigt) bekam ich bald eine Gürtelrose. Diese Krankheit ist zwar nicht grade harmlos, jedoch alsbald überstanden.
Allerdings meinte mein Hausarzt ein solche Krankheit in jungen Jahren wäre ungewöhnlich und sollte nochmal intensiv abgeklärt werden. Leider (gotseidank!) hatte mein Arzt mit dieser Vermutung voll ins Schwarze getroffen. Wie sich dann im Weiteren rausstellte litt ich an einer chronischen Hepatitis C, noch so ein Menschenkiller. Ich hatte mich wohl schon 20 jahre vorher durch Gebrauch unsteriler Spritzen angesteckt.
Eine Leberpunktion brachte an den Tag, das sich die Leber bereits im vierten Fibrosierungsgrad befand. Ins Deutsche übersetzt: letzte Stufe bevor der unumkehrbare Umbau zur Leberzirrhose einsetzt. Ein zwei Wochen später bekam ich dann auch schon die volle Dröhnung, eine Hochdossis Interferontherapie über fast ein ganzes jahr hinweg. Interferon ist wie ne Dröhnung rückwärtz, das Schlechte kommt zuerst. Neben einer absoluten Matschbirne und ständiger Übelkeit fügen sich noch gelegentlich Fieberschübe und Schwäche hinzu.
Aber okay, es hat sich immerhin gelohnt! Nach dem Jahr waren die Viren gekillt und sind auch nie mehr wieder aufgetaucht. Auch die Leber (ist übrigens das einzige Organ, welches sich vollständig wieder regenerieren kann) hat sich wieder gänzlich erholt.
Dann war wirklich endlich mal 15 jahre alles gut, solange bis zum besagten 2 Juni 2016, wo ich mir ja den leichten Herzinfarkt eingefangen habe.
Was hat das nun eigentlich alles mit dem Aufschlagen hier im Forum zu tun? Nun in der Folge dieser Ereignisse war ich 2 Monate krank geschrieben und hatte viel Zeit über mich nachzudenken, aber auch viel Zeit rumzustöbern! Als ich dann irgendwann mein Email-Postfach gecleant habe, viel mir eine ungeöffnete drei jahre alte Email in den Händen, die ein Mitglied des Forums mir zum Geburtstag drei Jahre zuvor geschickt hatte. Ich fand das so nett, daß ich gleichmal zurück geschrieben habe.
Jedenfalls ist mir durch diese Email in Errinerrung geraten, daß ich mich hier mal vor 10 jahre angemeldet habe. Und wollte natürlich gleich mal nachschauen, was aus dem Ganzen hier geworden ist.
PS: Vorgestern war ich zur Kontrolluntersuchung beim Kardiologen. Er meinte man könne mich wieder von der kurzen Leine lassen (die letzten Monate dürfte ich ja zum Beispiel sportlich nur eingeschränkt betätigen oder auch nicht fliegen) ,alles sieth sehr gut aus. Keine bleibenden Schäden sind zurückgeblieben, alle Herzfunktionen wie sie sein sollten, optimaler Verlauf also!
Zwar hab ich das Gefühl, daß ich aber auch rein gar nichts links liegen lassen kann was Krankheiten anbelangt, allerdings hatte ich bisher auch immer ne riesen große Portion Glück wenns um die Genesung ging
Inzwischen hab ich mich mal durch etliche andere Suchtkarrieren durchgelesen. Andere haben auch ihre Geschichte, ihre dramatischen Hoch und Tiefs. Die Frage, die mich mal wirklich interessieren würde, und auf der ich noch keine schlüssige Antwort habe ist, warum ist der eine süchtig geworden, der andere hingegen nicht? Die Literatur zu diesem Thema ist recht klar mit der Aussage, daß es wohl keine Sucht-Persönlichkeit gibt!
Trotzdem, und die ganzen persönlichen Geschichten hier zeigen ja auch, daß es wohl kein Zufallsprozeß ist, der sich dahinter verbirgt! Wohl niemand, der in sich ruht und verankert ist, der Lebens -zufriedenheit, -qualität, gute Zukunftsperspektiven hat, wird wohl kaum eine süchtige Entwicklung nehmen.
Ich habe das Bild vor Augen, daß ein Suchtkranke der ist, der im Wasser schwimmt und dabei einen großen Wasserstrudel zu nahe kommt. Anfangs noch treibt es ihm träge an dem äußeren Rand im großen Kreisen um die Mitte.
Die Kreise werden schließlich immer enger, die Krankheit nimmt fahrt auf. Schließlich erreicht der Kranke den Rand des Wasserkraters, jetzt geht alles ganz schnell, in einem mächtigen Sog zieht es ihm unerbitterlich hinab. Ganz unten angekommen wird er dann schließlich ausgespuckt (wenn er Glück hat)
Mit 13 oder 14 habe ich angefangen funktional zu trinken. Das Trinken war kein Genießen, sondern sollte gleich einen inneren Widerspruch überbrücken helfen. Auf der einen Seite erlebte ich mich damals als unsicher, ängstlich, gehemmt und wenig zukunftsorientiert ohne jeglichen Plan. Auf der anderen Seite mein Ideal-Ich! Mutig, stark und in jeder Hinsicht glänzend wünschte ich mir zu sein. Das komplette Gegenteil von dem, wie ich mich oft selbst erlebte.
Gabs mal wieder eine Situation, wo ich versagte, nicht so war wie ich eigentlich sein wollte, haßte ich mich anschließend grundtief. In meinem Über-Ich war nur Platz für Richter “Gnadenlos“ , einen Fürsprecher, einen Anwalt in eigener Sache kam dort nicht vor.
In der Realität bedeutete das, daß ich kaum Anschluß an Peergruppen fand, auch mit den Frauen (Mädchen) tat ich mich schwer. Wunderlich ist aber nachwievor, das es da noch viele andere Jugendliche gab, die auch so ihre emotionalen Problemen, ihre Ängste und Unsicherheiten mitbrachten, die aber ganz anders damit umgingen. Die haben sich selber nicht so gehaßt und innerlich verurteilt, wie ich es damals mit mir tat. Wenigstens kam es mir so vor!
Als dann der Alkohol und die Drogen in meinem leben traten, gab es zunächst keine Alternative dazu. Die mögliche Gefahr, sofern ich mir damals überhaupt gedanken gemacht habe, schien ewig weit weg, der “6er“ im Lotto hingegen zum Greifen. Wenigstens konnte ich dort und dann, wenns drauf ankommt der jenige sein, den ich immer schon sein wollte (dachte ich wenigstens)
So entstanden auch durchwegs skurille Situationen. Einmal hatte ich eine Freundinn in dieser Zeit, die ich einmal die Woche aber nie nüchtern begegnete. So konnte ich immer bestehen, immer den coolen Typen geben. Als ich sie dann zufällig doch einmal stocknüchtern traf, wußte ich überhaupt nicht was ich mit ihr anfangen sollte!
Das Ganze Lebenskapitel hätte man auch mit Dr. Jeckel und mr. Hide überschreiben können. Aber mir ist immer noch nicht klar, warum andere Jugendliche, die auch ähnlich erscheinende Schwächen und Problemen hatte, die haben das (ihre eigenen Unzulänglichkeiten) nicht so schwer genommen und haben deswegen auch nicht (oder doch nur sehr moderat) getrunken?
spannende Frage das, habe ich mich auch schon oft gefragt. Ich habe da inzwischen eine eher fatalistische Einstellung: mei, mich hats halt derwischt. Dafür blieb mein Alkohol- und Nikotin-Konsum für meine Gesundheit (bis jetzt) realtiv folgenlos; aber einige in meinem (Selbsthilfe-)Umfeld starben bereits an Lungen- oder Zungen- oder Kehlkopfkrebs, die auch nicht signifikant mehr konsumiert hatten in ihrem Leben. Vielleicht ist es auch ganz gut so, daß nicht alles im Leben berrechenbar ist - a bissi a Überraschung mog scho a sei, sonst werds langweilig
Als ich 17 war hatte ich ein normales Verhältnis zu Alkohol. Ich habe nur auf Partys getrunken und meißt nach 2 Gläsern meine Grenze erreicht und aufgehört.
Zu dieser Zeit habe ich mit 2 guten Freunden einen Bekannten besucht, einen depressiven Alkoholiker. Später habe ich meinen Freunden erzählt, dass ich befürchte dass ich auch Alkoholiker werden könnte wenn ich um die 30 bin. Sie konnten mich überhaupt nicht verstehen. Und ich selber wusste auch nicht warum ich diese Befürchtung hatte. Gleichzeitig habe ich mir nichts sehnlicher gewünscht, als etwas Ruhe in meinem Kopf. Einen Gedanken weniger.
Selbsterfüllende Prophezeihung? Ich glaube das weniger.
...zu dieser Zeit wusste ich noch garnicht, was es genau bedeutet ein Alkoholiker zu sein. Außer diesem Bekannten, den lleichtich so nur einmal sah kannte ich keinen.
Dieses Gespräch ist mir auch erst vor kurzem wieder eingefallen. All die Jahre hatte ich nicht mehr daran gedacht.
Vielleicht steckt es ja einfach in den Genen? Vielleicht ist es auch die Neigung, seinen Sorgen möglichst aus dem Weg zu gehen? Die Gabe, das Negative, die Gefahr einer Situation ausblenden zu können um sich auf die schönen Seiten fokussieren zu können?
ja schon seltsam Deine damalige Befürchtung!' Ich glaube, daß die Vergangenheit und die Zukunft eng verwoben sind. Seine Zukunft kann man sich wohl nur auf Grund seiner Vergangenheit vorstellen. Deine damalige Befürchtung/Prophezeihung läßt sich wohl nicht ohne eine entsprechende Vergangenheit denken. Eine Vergangenheit, die aus welchen Grund auch immer warscheinlich belastet gewesen ist. Das scheint ja auch die uns allen gemeinsamen Klammer zu sein, nämlich eine wodurch auch immer unzureichend gelungene frühkindliche Sozialisation.
LG
Kapoen
newlife
(
gelöscht
)
Beiträge:
06.09.2016 22:15
#41 RE: Mein Werdegang zum Alkohiliker - Reflexionen
Hi kapoen. Ich betrachte mich als Suchtmensch. Heute kompensiere ich Dinge nur anders als früher. Ich kann das, weil uch bewusster lebe. Das geht natürlich nur nüchtern. Ich musste das aber lernen und brauchte auch Motivation um es lernen zu wollen. Die bekam ich dann auch, aber erst dann, als ich mich im süchtigen Lwben nur noch gegen die Wand gefahren habe. Wäre dem nicht so gewesen, hätte ich wohl nie aufgehört. Eine gewisse Zeit gaben mir Alk und Drogen tatsächlich so ein Gefühl der Überlegenheit und des Wohlbefindens in der Zeit des Rausches. Das wollte ich natürlich so oft wie möglich wiederholen. Mir fehlten einfach Fähigkeiten, das auch nüchtern so wahrzunehmen. Heute denke ich eher weniger wie früher, sondern ich mach einfach mein Ding.
Helfen konnte mir niemand, aber ich selbst konnte es dann. Als ich dazu bereit war, konnte ich insbesondere meinem Therapeuten in der zweiten LZT sehr viel abgewinnen. Da denke ich heute auch immer wieder mal gerne dran zurück.
Das Forum hier ist heute für mich nicht wirklich wuchtig. Ich komme halt, wenn ich Lust dazu habe. Inhaltlich gefallen mir viele Beiträge, die Herangehensweise für ein gutes, trockenes Leben nicht immer.
Ich denke, jeder hat da wohl seinen eigenen individuellen Weg zum Austieg. Ein allg. gültiger “Königsweg“ wurde bisher (und warscheinlich wohl auch niemals) gefunden. Ich gebe Dir recht, mach Dein Ding, gehe Deinen Weg. Solange du zum einen zu jeder Zeit annerkennst, daß Du suchtkrank bist, zum anderen das erste Glass stehen läßt, ist vieles erlaubt. Man muß ähnlich einem kleinen Kind sich an vielem wieder rantasten, neues ausbrobieren, auch manchen Irrweg begehen, alles okay, solange man die beiden genannten Grundprämisen einhält.
Meine persönliche lange suchtmittelfreiheit verdanke ich in erste Linie, der Tatsache unbedingt weiter leben zu wollen, eine gewisse Leidensfähigkeit, und der 100% Gewissheit mit Suchtmittel absolut nicht umgehen zu können!
Die Fallen lauern selbt nach jahrzehnte immer noch überall, ein Beispiel: vor ca. 3 oder 4 Tage meinte ein Arbeitskollegen, den ich ausnahmsweise in meiner Geschichte eingeweiht habe, daß ich ja noch soviel Jahre ja eigentlich doch mal wieder ein Bier trinken könnte, da ich ja 36 jahre nix getrunken hätte, hätte ich ja damit ausreichend gezeigt, daß ich alles voll im Griff habe. Ich war nicht böse auf ihm (obwohl ich ihm eigentlich vorher alles genau erläutert habe) so sind die Menschen. Haben halt in dieser Hinsicht von Tuten und Blasen keine Ahnung, wozu auch! Es betrifft sie ja auch nicht.
Was ich aus diese und viele anderen ähnlichen Geschichten gelernt habe, daß man in erste Linie selber für sich verantwortlich ist. Das kann einem niemand abnehmen. Selbst viele Ärzte haben oft keinen wirklichen Durchblick.
Selbst Familienmitglieder oder Freunde die mal selbst miterlebt haben, wie sehr man jeglichen Halt verloren hatte, können durchwegs nach Jahre mit Aussagen daher kommen wie:“ eigentlich wars doch nicht sooo schlimm, vielleicht...etc. pp“
Da hab ich einiges richtig, so manches z.T. aber wohl auch falsch gemacht. Ich war längst nicht so zielgerichtet in den ersten Jahren, wie ich das bei den Meisten hier so lese. Natürlich hatte ich auch damals schon all das therapeutische Wissen “stelle Dir Deine Konflikten“, ich höre heute noch diese Therapiesprüche! Obwohl ich wußte, das es irgendwie gut für mich ist, und ich es auch brauche, habe ich diese Therapie (im Gegensatz zu den vorhergehenden reinen Gesprächstherapien) gehaßt aus vollstem Herzen.
Ich glaube, diese Art der “knallharten Konfrontationstherapie“ gibts heute nicht mehr. Neben Synanon hatten auch die Day Top Häuser ein ähnliches Konzept. Man lebte dort wie in eine große Wohngemeinschaft. Hauptanliegen des ganzen, in einem verdichteten sozialen Umgebung, die “Bewohner“ in ständiger Auseinandersetzung mit den Regeln und sozialen Grenzen, und damit zwangsläufig einher gehenden inneren Dynamiken, Verdrängungen und Selbstverleugnungen in Konfrontation zu bringen. Also weniger die Theorie, so.dern man ging gleich and Eingemachte.
Zum Beispiel eine Übung nannte sich Marathon! Man wurde dazu alle zusammen 2 bis 3 Tage in einem großen Saal gebracht. Dann wurde man fast die ganze Zeit hindurch (ohne Schlaf) in “psycho übungen“ soweit gebracht, bis die Fassade brökelte und die wahren Gefühle ins Bewußtsein stießen.
Legendär auch die Aufnahmegespräche, die hauptsächlich von den Mitbewohner geführt wurden. Es wurde nicht jeder aufgenommen, sondern nur die die eine gewisse Motivation nachweisen konnten. Nicht selten bekamen die Frischlinge in ihre “Babyphase“ Auflagen. So z.B. mußten sie die ersten Wochen einrn Schnuller mit sich rumtragen oder vieles ähnlich mehr. Und auch der Grund weshalb ich das damals so sehr hasste, war ich doch ständig mit dem konfrontiert, weshalb ich die ganze Zeit Alkohol und Drogen konsumiert habe.
Sorry, bin etwas vom Thema abgezweift, ich poste das jetzt trotzdem mal.
Allen nen schönen Tag
Kapoen
1 Mitglied findet das Top!
newlife
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gelöscht
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Beiträge:
07.09.2016 10:14
#43 RE: Mein Werdegang zum Alkohiliker - Reflexionen
Jo, interessanter Beitrag, kapoen. Hab da kein Problem nicht zu trinken. Ich kann nicht 'normal' trinken. Das ist sehr bewusst, denn ich kann mich an keine Zeit erinnern, wo ich das mal konnte. Es war immer Mittel zum Zweck bei mir und ja, ich wollte immer berauscht sein, denn nur dazu war das Zeug aus meiner Sicht da. Ich vergesse es nicht. Über Synanon, Fleckenbühler, etc. Hab ich auch gelesen. Den Weg zurück in ein selbstbestimmtes Leben erkenne ich da oft nicht. Auch deine Darstellung dieser 'Übungen' geht eher in die Richtung 'ich gebe mein Leben ab an die Gemeinschaft'. Aber vielleicht gibt es auch solche, die genau das brauchen. Das Forum hier lebt in erster Linie von der tollen Selbstdarstellung einiger, die glauben auch zu wissen, was andere jetzt brauchen ohne sie zu kennen. Ich zum Beispiel hätte in meinem Trocknungsprozess damals mehr Verständnis und Motivation gebraucht anstatt Arschtritte. Du hingegen schreibst wirklich gut und sehr informativ. Danke dafür.
Deine Kritik an diesen Therapiekonzepten aus den 70er und 80er, ist zum Teil sicher berechtigt. Und wurde damals auch bald reformiert. Zwar kamen die Menschen innerhalb der Gemeinschaft- auf -Zeit recht gut zurecht, spätestens dann, wenn man die “Käseglocke“ wieder verlassen mußte, zeigte sich doch oft recht deutlich, daß man mit diesen Verhaltensweisen draussen nicht so gut klar kam. Das damalige Konzept, gibt es meines Wissens so nicht mehr, auch hat man den Namen “Day Top“ - außer in Deisenhofen - abgelegt?! Mann erkannte damals sehr wohl, daß es keinen Sinn macht jemandem Verhaltensänderungen rein zu prügeln. Auf der anderen Seite war auch nicht alles grottenschlecht. Die heftige Konfrontation mit anderen und damit dann auch mit seinen eigenen inneren Strukturen bietet viele Chancen der Selbsterkenntniss und damit der Veränderung, wenn auch das Ganze quasi mit der Brechstange geschah.
Heutezutage bin ich da nicht mehr so ideologie lästig. Den therapeutischen Wert in einer therapeutischen Gemeinschaft beruht hauptsächlich in der gegenseitigen Spiegelung. Wenn die therapeutische Gemeinschaft über einen reinen Gesprächskreis hinausgeht, kommt ja auch noch die direkte menschliche Reaktion hinzu.
Meine Meinung nach, enstehen tragfähige Verhaltensänderungen von Innen heraus. Mann kann niemand zu seinem Glück zwingen indem man die Brechstange ansetzt. Anderseits will man den anderen eine echte Hilfstellung anbieten sollte man deutliche Worte auch nicht scheuen. Für den Angesprochenen heißt das, sich auch zum Teil recht unangenehme Dinge anzuhören zu (müssen). Natürlich sind die anderen in diesem Fall nicht unfehlbar, mögen auch manchmal aus eigentlich unlauteren Motive so oder so reden! Denoch halte ich es für ein Fehler, eine unangenehme Behauptung nur aufgrund vermeintlich unlautere Motive entkräften wollen. Vorallen wenn mehrere Personen unabhängig von einander die immer gleichen Sichtweisen an einem herantragen.
Die spezielle Gegebenheiten in einem solchen Forum sind m.E. nach begrenzt. Man kann sehr gut über Erfahrungen berichten, Informationen austauschen, Denkanstöße anregen, Mut machen etc. Die Umsetzung muß der Betroffene dann für sich zu hause selbst in Angriff nehmen. Einem realen therapeutischen Beitrag zu leisten, stehe ich in diesem Rahmen eher skeptisch gegenüber.
Zum einen wissen wir ja kaum etwas voneinander, ausser was der jeweils andere so schreibt. Das sind aber kaum ausreichende Informationen um eine halbwegs zuverlässige Einschätzung vornehmen zu können. Wir haben nicht wirklich Einblick in die Lebensrealität des anderen. Zum anderen, können wir in diesem Rahmen niemand therapeutisch begleiten oder auffangen, wenn durch das Gespräch bzw. durch das Vorhaltens eines Spiegel krisenhafte Prozeße losgetreten werden. Ich persönlich würde aus diesen Gründen da eher zurückhaltend intervenieren. Aber okay, das ist meine persönliche Sicht. Auch hierüber beansprüche ich keineswegs die Wahrheit für mich gepachtet zu haben
Grüße
Kapoen
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newlife
(
gelöscht
)
Beiträge:
07.09.2016 16:16
#45 RE: Mein Werdegang zum Alkohiliker - Reflexionen