...ja wie ging es weiter. Anfang 2004 bin ich hier an Board gekommen, nachdem ich meinen persönlichen Tiefpunkt erreicht hatte und zu dem Zeitpunkt ca. 1 Woche trocken war. Zu diesem Zeitpunkt hatte ich davor seit meinem ca. 19ten Lebesjahr mehr oder weniger regelmäßig getrunken.
Körperlichen Entzug bis auf Schlafstörungen hatte ich keinen, allerdings einen psychischen. Das Forum hier half mir meine ersten Schritte in der Praxis zu gehen. darunter waren viele praktischen Tipps wie z.b. keinen alkohol zu hause etc. und vor allen dingen: ich konnte jederzeit 24 h stunden am tag da reingucken. Dann ging ich zu den AA, die mir auch einen neuen für mich wichtigen Weg zeigten. Vor allen Dingen in kleineren Schritten zu denken, lernte ich da vieles wie u.a. z.B. das 1.Glas für die nächsten 24 h stehen zu lassen.
Ansonsten gaben die AA´s mir nach einen halben Jahr nicht mehr so viel. Ich empfand den Tisch oft als eine Ansammlung von in selbstmitleidtriefenden Menschen. Das System hatte ich kapiert....soweit - vom meinem Wesen her passte ich nicht dahin, ich fühlte mich nicht wohl dort. Ich war irgendwie fehl am Platz. Die AA empfehle ich dennoch immer gerne weiter als SHG, da sie mir einen guten neuen Weg zeigten und in mir Denkprozesse auslösten. Ob man sich dann dort zu Hause fühlt auf Dauer, ist eine andere Sache.
Langsam dämmerte mir auch, dass ich eine oberheftige Co bin (aber das ist ein anderes Thema).... und das ist ziemlich verflixt.
Ich ließ also das 1.Glas stehen und erfreute mich meines neu gewonnen Lebens. Ich konnte Bäume ausreißen, arbeitete viel, wollte bewegen und hatte Erfolg. Alkohohl verschwand aus meinem Leben und Gedächnis - gab es nicht mehr.
Ab 2006 stand ich beruflich richtig unter Dampf. Hatte viel "positiven" Stress, nette Menschen um mich rum, mein Konzept ging auf (beruflich) und fing "unbemerkt von mir" an mich immer weniger um "mich" selbst zu kümmern. Da ich es zu dieser Zeit viel mit Künstlern zu tun hatte, die immer wieder meine Bestätigung brauchten...naja bald war ich emotional oberausgezogen...... ich stand quasi ausgebrannt nackt da... oder so....
Gedanken an Alkohol waren weit weit weg - gab es nicht mehr in meinem Leben und in meiner Familie. Keinen einzigsten Gedanken verschwendete ich daran.
Im Frühjahr 2007, nach einem "wichtigen" gesellschaftlichen Anlass, wo ich wieder alles gab und freudig "ausgebrannt" war, passierte mir im wahrsten Sinne des Wortes eine "Unachtsamkeit". Ich dachte: Ach, ich trink mal (von einem anderen Glas) ein Schluck Sekt und es schmeckte fatal eklig.
Dumm gelaufen! Denn das gab mir die angebliche "Sicherheit", dass ich überhauüt nicht mehr gefährdet bin, ja es schmeckt ja oberfürchterlich also wiegte ich mich in Sicherheit. Dann ging es langsam bergauf (ironisch gemeint!) mit dem Alkohol. Ich brauchte ja nicht mehr das 1.Glas stehen lassen.... ich kann ja sogar ein Schlückchen nehmen und es schmeckt mir ja eh´nicht. Das Resulatat war, dass immer mehr Schlückchen dazu kamen und diese fingen Stückchen für Stücken wieder an zu schmecken.....ganz langsam.
Naja, lange Rede kurzer Sinn: Ich fing wieder an Alkohol zu trinken. Meinen "geliebten" franz. Rotwein und ab und zu Sekt. Es ging superlangsam, mit langen Trinkpausen z.B. mal 4 Wochen , dann 8 Wochen (die mir komischerweise gar nichts ausmachten), bis ich wieder an dem Punkt war, wo ich nicht mehr hin wollte: Regelmäßig 2 - 3 mal die Woche 1 Fl. Wein, und 1 bis 2 mal im Monat Totalabsturz - Tendenz steigend. Also regelmäßiger Kontrollverlust etc.
Vor ca. 1,5 Jahren passierte mir dann noch was Oberdoofes... ganz klassisch.... Betriebausflug und es passierte, natürlich mit Alk. Ich verliebte mich in einen Kollegen (arbeite seit drei Jahre in einer anderen Branche), der zum Glück weit weg wohnte. Ehekrise hoch 3, da ich mit meinem Mann darüber sprach....und und und.
Letztes Jahr im November hörte ich dann für 8 Wochen auf zu trinken, war ziemlich verwundert wie leicht mir das fiel und nun bin ich trocken seit Mitte Mai 2010 und will es bleiben. Im April hatte ich zwei so heftige Abstürze, dass alle, aber auch alle Alarmglocken bei mir an gingen.
Zum Glück konnte ich gleich reagieren, denn ich wußte ja wie es funktioniert, dafür bin ich dankbar.... nach einem ca. 3 Jahre anhaltenden Rückfall.
Ich fange an mich wieder um mich zu kümmern (und wenn die Welt um mich rum untergeht) und bin froh hier an Board sein zu dürfen, dass 24 h geöffnet hat und ich mich in vielem wiederfinde. Danke, dass es Euch gibt.
Hoffe Euch nicht gelangweilt zu haben,
liebe Grüße
Katharina
Ps. Ist das okay so minitiger? Absolut richtigen Riecher gehabt !!!
Bei Tippfehlern bitte nicht erbsenzählerisch sein!
ich finde es toll, dass du wieder anfängst zu leben und dich um dich zu kümmern. Deine Geschichte ist eine gute Mahnung für alle frisch Trockenen (bei mir sind es fast 7 Monate), nicht in diese Falle zu tappen.Hat mich sehr bewegt.
Das war´ne Trinkpause bis Weihnachten ungefähr - hatte nicht so genau nachgerechnet.... Da wollte ich es mir nur beweisen, dass ich jederzeit aufhören kann... das kann allerdings fatale Folgen haben.
Siehste ich bin immer noch ganz schön unsicher in mir, hab´mich noch nicht richtig wieder gefunden - hatte gleich nach deinem Posting mich wie ertappt gefühlt... Upps! Was ist da eben bei mir abgegangen??? Das schlechte Gewissen im posttraumatischen Zustand oder so... - würde ich mal sagen
Ich fang ganz wieder von vorne an. Der Unterschied zu damals ist: Ich weiß nun was ein Rückfall ist und ich hoffe, dass ist auch gut so. Es war so heimtückisch von diesem Miststoff Alkohol!
Hallo Katharina , die frühere Bordeauxnixe , die heute wieder Klar(en) Himmel sieht
Danke für dein offenes Schreiben.Ich wünsch dir alles liebe für die Zukunft , auf dass du nie mehr probieren musst ob Sekt nun immer noch ekelhaft schmeckt.Lass das Glas einfach stehen wo es ist.
Alles Gute.
Ein ohne "nur" dich grüssender , Zwerg
Wenn der Baum keine Früchte trägt, fälle ihn am Fuß.
ZitatGepostet von klara himmel Ich dachte: Ach, ich trink mal (von einem anderen Glas) ein Schluck Sekt und es schmeckte fatal eklig.
Dumm gelaufen! Denn das gab mir die angebliche "Sicherheit", dass ich überhauüt nicht mehr gefährdet bin, ja es schmeckt ja oberfürchterlich also wiegte ich mich in Sicherheit.
Das ist doch mal wieder ein klasse Beispiel, wie verzerrt die Gedankengänge eines Süchtigen sind.
Ein gesunder Mensch würde denken: "Bah, schmeckt total eklig, davon trinke ich nie mehr was!"
Unser süchtiges Hirn bastelt sich daraus hingegen eine "Sicherheit", nicht gefährdet zu sein.
ZitatGepostet von klara himmel Ich dachte: Ach, ich trink mal (von einem anderen Glas) ein Schluck Sekt und es schmeckte fatal eklig.
Dumm gelaufen! Denn das gab mir die angebliche "Sicherheit", dass ich überhauüt nicht mehr gefährdet bin, ja es schmeckt ja oberfürchterlich also wiegte ich mich in Sicherheit.
Das ist doch mal wieder ein klasse Beispiel, wie verzerrt die Gedankengänge eines Süchtigen sind.
Ein gesunder Mensch würde denken: "Bah, schmeckt total eklig, davon trinke ich nie mehr was!"
Unser süchtiges Hirn bastelt sich daraus hingegen eine "Sicherheit", nicht gefährdet zu sein.
Im Grunde ist es "ganz einfach", wenn ich für mich weiß..., der Alkohol ist verschlagen, trügerisch und mächtig..., setzt das für mich eine bedingungslose Kapitulation voraus, die sich natürlich jede/r selbst "erarbeiten darf", um solche Versuche wie hier beschrieben, nicht ausprobieren zu müssen.
Gruß Liopleurodon Alkoholiker - seit Januar 1995 bis heute trocken ohne Rückfall
ZitatDer Unterschied zu damals ist: Ich weiß nun was ein Rückfall ist und ich hoffe, dass ist auch gut so.
Seit Mai weiß ich das auch --> immerhin: wie ätzend, schockierend und aushebelnd ein Rückfall ist, das wusste ich natürlich zuvor nicht. Deswegen habe ich den ja auch nicht gebaut, allerdings: eine Erfahrung, ziemlich nachhaltiger Art, ist das echt schon. Und vielleicht ja auch nützlich - und wenn nicht, ists auch nicht wichtig, weil: rückgängig machen geht ja nicht. Aber nach vorne schauen schon.
ZitatGepostet von Ingwertee Seit Mai weiß ich das auch --> immerhin: wie ätzend, schockierend und aushebelnd ein Rückfall ist, das wusste ich natürlich zuvor nicht. Deswegen habe ich den ja auch nicht gebaut, allerdings: eine Erfahrung, ziemlich nachhaltiger Art, ist das echt schon. Und vielleicht ja auch nützlich...
...nützlich??... ...finde ich persönlich ziemlich gefährlich, diese Aussage. Hat für Mich so´n bisschen was von: "Wer hat noch nicht, wer will noch mal".
Glaubst Du, Du bist Du jetzt "sicherer trocken"...oder sowas?
Ich hatte noch keinen Rückfall, und möchte diese "Erfahrung" auch niemals machen, weil ich ganz sicher weiß, dass sie Mich NICHT bereichert.
ich sehs ja auch gerade aus der Perspektive der "Betroffenen". Aber mir fällt auch grad auf, dass ich das mit dem "Nützlich" wohl auch sehr anders lesen würde, wenn ich wie du keinen Rückfall gehabt hätte. übrigens bereichernd - nee, auf gar keinen Fall
Grüßle
edit: hab mal das "noch" gestrichen
[ Editiert von Ingwertee am 24.06.10 9:01 ] edit2:
Zitatvon Dry
Ich hatte noch keinen Rückfall, und möchte diese "Erfahrung" auch niemals machen, weil ich ganz sicher weiß, dass sie Mich NICHT bereichert.
Ja, und das wünsche ich jedem , dass er die Erfahrung nicht macht. Von bereichern schrieb ich allerdings echt nichts. Auch in Anbetracht der Tatsache, dass so ein Rückfall ja zeitlich auch sehr ausgedehnt verlaufen kann....
..., setzt das für mich eine bedingungslose Kapitulation voraus, die sich natürlich jede/r selbst "erarbeiten darf", um solche Versuche wie hier beschrieben, nicht ausprobieren zu müssen.
Gruß Liopleurodon Alkoholiker - seit Januar 1995 bis heute trocken ohne Rückfall[/b]
Ja.... die bedingungslose Kapitulation... das war meine Vorraussetzung, um mich überhaupt meinem Problem damals zu stellen und trocken leben zu wollen.... dadurch bin ich trocken geworden für 3 Jahre !
Leider war das Thema Alkohol so weit aus meinem Geist und Leben weg, dass ich weder gedanklich noch gefühlstechnisch überhaupt daran dachte - ich hatte das Thema banal gesagt schlichtweg vergessen. Deswegen weiß ich heute, dass das Thema Alkohol nicht mehr ganz aus meinem Leben verschwinden darf und das ich eigentlich täglich neu bedingungslos kapitulieren muss, um das 1.Glas stehen zu lassen.
Ein Rückfall kann auch alten Hasen passieren, denke ich - wie läßt es sich sonst erklären, dass Rückfälle auch nach 20 oder 30 Jahren möglich sind - auch bei den AA.
Ich denke nicht, dass man sich eine "bedingungslose Kapitulation" erarbeiten kann. Für mich war die "bedingungslose Kapitulation" ein Zustand des absoluten Loslassens. Mein Leiden war an meinem persönlichen Tiefpunkt angekommen.Mein Leib (ich hatte damals das Ebstein-Barr Virus) und meine Seele wehrten sich. Das ging nicht im Kopf ab. Es war ein einzigartiges Gefühl, der Moment des Loslassens, der es mir damals ermöglichte aufzuhören... und alles weitere einzuleiten - ohne "wenn und aber". Heute weiß ich aber auch "wer nicht hören will, muss fühlen". Es liegt an mir das täglich neu zu verinnerlichen wie ein Ritual. Also quasi ein tägliche Trainigseinheiten des Loslassens üben.
Ich hoffe, meine Gedanken kommen bei dem Getippsel so richtig rüber.
Zitatgepostet von Ingwerteee
....Und vielleicht ja auch nützlich
@ Ingwertee
Ich hatte dich was mich anging schon richtig verstanden. Vielleicht ist es in meinem Fall so. Allerdings kann es auch tödlich enden für manch einen (ich kannte einen Alkoholiker, der 3 Tage nach einer LZ Entgiftung + Therapie einen Rückfall hatte und dann tot in seiner Wohnung mit 32 J. aufgefunden wurde, Beruf Sozialarbeiter).
Es war im Nachhinein so "nützlich" wie ein Kropf für mich. Es war so was von unnötig! Das weiß ich heute! Ich wäre heute viel weiter in meiner Persönlichkeitsentwicklung, wenn ich nicht auf die "Hinterlistigkeit" des Alkohols reingefallen wäre, hätte mir auch so manches erspart und ich wäre viel stabiler für die täglichen Anforderungen des Lebens gewesen.
Faszit für mich: Ich schaue nach vorne und will das 1.Glas stehen lassen - jeden Tag auf´s Neue.
Liebe Grüße an alle und ich freue mich wieder hier zu sein zu dürfen