bisher habe ich im co-abhängigen forum geschrieben.
mein freund möchte nun was ändern. das habe ich schon oft gehört, wenngleich ein großer schritt war, dass er bei der suchtberatung einen termin gemacht hat.
aber wie oft habe ich schon gehört, dass er was ändern will, dass er von nun ehrlich sein will - nur um sich umzudrehen und bei der nächsten gelegenheit wieder mit der nächsten lügengeschichte herzukommen.
die lügen drehten sich nicht nur um alkohol. auch um fernab vom alkohol "persönliches versagen" zu vertuschen, um seine ruhe zu haben, um sich nicht auseinandersetzen zu müssen.
lügen ist völlig normal für ihn - da in dem moment einfacher, als sich mit einer unangenehmen situation zu beschäftigen. vorallem betreffen die lügen nicht nur "große" themen, sondern auch ganz simple lappalien, wo man im normalfall gar nicht auf die idee kommt wegen so etwas zu lügen.
er hat nie gelernt nein zu sagen, also lieber schnell "ja ja", sich in die ecke drängen lassen - und wenns nicht mehr weiter in die ecke ging blieb ja immer noch rückzug bzw. besäufnis.
was ich mich jetzt also frage: kann sich ein mensch wirklich von grund auf ändern? kann man die alltägliche gewohnheit zu lügen tatsächlich aufgeben oder steckt es in einem drin?
ich habe ihm schonmal eher gefragt ob er sich eine psychotherapie vorstellen kann - in dem zusammenhang ohne hauptaugenmerk sucht, sondern weil er sehr viel aufzuarbeiten hat und sein selbstwert eben völlig am boden ist - da ist er fast ausgeflippt, wie ich so was sagen könne, er sei doch nicht verrückt.
daher weiß ich nicht ob ihm so recht klar ist, dass es bei einer suchttherapie nicht nur darum geht, wie man vordergründig sein trinkverhalten ändert bzw das saufen abstellt - sondern letztendlich den ursachen auf den grund geht und gewillt sein muss, sein eigenes verhalten zu reflektieren und einen ehrlichen blick auf sich selber zu richten.
ich frage mich für mich einfach, ob sowas überhaupt möglich ist - und ob ich je vertrauen zu ihm fassen kann und er wirklich lernen kann konsequent ehrlich zu sein.
würde mich mal sehr interessieren wie das bei euch so war... wenn einst lügen und verheimlichen zum alltag gehörte (und dann sicherlich auch über den alkohol hinaus, weil eben alles ineinander greift). kann man so ein muster wirklich ablegen und komplett umdenken?
[ Editiert von drosera am 28.12.10 11:17 ]
lg, Drosera
To begin the journey of change we must pull on the boots of selfawareness.
was ich mich jetzt also frage: kann sich ein mensch wirklich von grund auf ändern? kann man die alltägliche gewohnheit zu lügen tatsächlich aufgeben oder steckt es in einem drin?
[ Editiert von drosera am 28.12.10 11:17 ][/b]
vorab, ja. aber es funktioniert nur, wenn er der absuluten überzeugung ist, krank zu sein. ich habe viele zur thera gesehen, die haben ihr sonntagsgesicht aufgesetzt, und haben die 16 wochen buchstäblich abgesessen. ob er ehrlich ist merkst du, so schätze ich dich ein. warts mal ab.
Ja, es geht, das Lügen aufzugeben. Es ist sogar meiner Meinung nach die wichtigste Voraussetzung für ein zufriedenes trockenes Leben.
Ich hatte mir in meiner Saufzeit im Laufe der Jahre einige Parallellwelten konstruiert, die ich einerseits brauchte, um meinen Alkoholkonsum zu vertuschen und andererseits, und das war wahrscheinlich der wichtigste Grund, um mich nicht mit mir und meinen Defiziten auseinander setzen zu müssen.
Der Verzicht auf meine Lügengebäude und gespielten Scheinwelten hätte nämlich bedeutet, klar Schiff zu machen, Erwartungen zu enttäuschen (insbesondere die meiner Eltern), und auch mir selber einzugestehen, was für einen Murks ich lebe.
Ich hab, seit ich mit dem Trinken aufgehört habe, konsequent auf Lügen verzichtet und meine Scheinwelten zerstört. Dazu hab ich mir nach etwa einem Jahr Trockenheit auch die Hilfe einer Therapeutin geholt, die mich auf diesem Weg begleitet hat.
Das ganze war nicht wirklich einfach. Das Erstaunliche dabei war, dass gerade diejenigen, denen ich am meisten vorgegaukelt hatte, in der irrwitzigen Hoffnung, sie dadurch zu schonen und mich von Schuldgefühlen zu befreien, sich am meisten über meine Ehrlichkeit und Klarheit freuten. Auch wenn das nicht immer konfliktfrei abging.
In meiner Saufzeit hatte ich Konflikte als sehr bedrohlich empfunden, heute setze ich mich sehr schnell mit unliebsamen Situationen auseinander und finde in der Regel recht zügig eine lebbare Lösung.
Wie Dein Freund das für sich entscheiden wird, ist natürlich seine Sache. Das Lügen zur Konflikt- und Entscheidungsvermeidung ist allerdings nicht nur eine bei Alkis verbreitete Strategie der "Lebensbewältigung". Ich hatte vor einem Jahr eine Beziehung zu einem nicht-abhängigen Mann, der sich die Wirklichkeit zurechtlog und hab das Ganze sehr schnell beendet. Auch der Vater meiner Kinder, mit dem ich sehr lange zusammen gelebt hatte, war ein Meister der Scheinwelten. Von ihm hab ich mich noch in nassen Zeiten getrennt. Beide Männer haben es vorgezogen, in ihren selbstgebastelten Welten weiterzuleben....
ZitatGepostet von RdTina Was das Lügen anbelangt.......nun ja. Ich denke es gibt da einen Unterschied, ob das "Lügen" suffbedingt oder eine Charaktereigenschaft ist.[/b]
Hi Tina
"Lügen" ist für mich erlerntes Verhalten, das ich, wenn denke, damit für mich "erfolgreich" zu sein, einsetze. Machen schon Kinder so. Ob ich das als Alki oder als Depri oder als irgendwas anderes (die Bezeichnung "Normalo" mag ich nicht, weiß nämlich nicht so recht, was das sein soll :grins2 praktiziere, tut meiner Meinung nach nix zur Sache. Lügen ist Vermeidungsverhalten, egal bei wem.
Wobei ja jetzt noch über die Arten der "Lügen" diskutiert werden könnte und über dessen Bewertungen. Würde dann aber wahrscheinlich ne Endlosdiskussion werden, weil jeder eine eigene Vorstellung davon hat.
LG, Tina
Alles im Leben hat seinen Sinn
Über die Steine, die ich mir HEUTE in den Weg lege, werde ich MORGEN stolpern
ZitatGepostet von drosera würde mich mal sehr interessieren wie das bei euch so war... wenn einst lügen und verheimlichen zum alltag gehörte (und dann sicherlich auch über den alkohol hinaus, weil eben alles ineinander greift). [/b] am 28.12.10 11:17 ][/size][/b]
"Lügen" und "Verheimlichen" wegen Peinlichkeit usw. war für mich zweierlei. Das gab es kein UND dazwischen. Das ist auch so geblieben, ich lüge sowieso nicht. Max
Sowas gibt's ??? Oder war das vielleicht grad eine?
Du kannst gerne meine Frau fragen, ich lüge militant nicht! Das hat auch einen Vorteil. Ich trete zwar in jedes dritte Fettnäpfchen, aber ich werde nicht von solch halbgewalkten Leuten behelligt. Das heißt ja nicht dass ich jedem alles erzählen werde. Z.B. hat Neugier kein Recht zur Frage. Da sage ich dann einfach "nein", und falls der dumm guckt dann noch "für dich ohne Begründung". Danach ist Ruhe. Max