aus gegebenem Anlass (Tanjas Thread Klick) möchte ich Euch von meinem begonnenen Antidepressiva-Entzug erzählen.
Wie bei vielen Alkis zeigten sich auch bei mir nach dem "Absetzen" des Alkohols deutliche depressive Symptome. Und wie viele Alkis suchte auch ich psychiatrische Hilfe und erhielt Antidepressiva. Natürlich mit dem Hinweis "macht nicht abhängig".
Nach dem ich über Jahrzehnte (!) das Zeug ziemlich kritiklos geschluckt habe, kamen mir langsam Zweifel, ob das wirklich stimmt. Heute würde ich sagen, ganz klar nein. Antidepressiva - zumindest die SSRI, die ich nehme - machen sehr wohl abhängig, wenn auch nicht süchtig. Man will nicht die Dosis steigern, man verzehrt sich nicht danach, es beschädigt nicht die sozialen Bezüge. ABER: Die sogenannten "Absetzsymptome" können gravierend, langwierig und beeinträchtigend sein, und vor allem ähneln sie der Grunderkrankung so sehr, dass man es nicht unterscheiden kann. Wohlmeinende Psychiater raten auch dann oft, das Medi wieder einzunehmen, weil die Depression wieder zurück sei.
So war das auch bei mir. Einige Absetzversuche, die ich machte, landeten komplett vor der Wand. Und nun schlucke ich das Zeug schon so lange nicht mehr, weil ich depressiv bin, sondern weil es mir schlecht geht, wenn ich es weglasse.
Seit einem Jahr arbeite ich im sozialpsychiatrischen Bereich. Das hat mich gelehrt, mit der Zunft der Fachärzte und dem System Psychiatrie etwas kritischer umzugehen. Ich habe mitbekommen, wie leichtfertig Antidepressiva, gerade SSRI, verschrieben werden, und dass praktisch alle Psychiater zwar verschreiben, aber nicht absetzen können. Meinem behandelnden Arzt musste ich sogar die Kompetenz ganz absprechen, der kannte noch nicht einmal das bekannteste und eindeutigste Absetzsymptom - die sogenanten "Brain Zaps" Ich habe Fachliteratur gelesen, mich schlau gemacht und mich in einem Fachforum angemeldet.
Und so habe ich gelernt, dass man Psychopharmaka nach jahrelanger Einnahme mit der 10%-Regel absetzen soll. Etwa alle sechs Wochen die Vordosis um 10% verringern, damit die Nervenzellen Zeit haben, sich zu regenerieren und sich auf die veränderte Transmitterlage einzustellen. Also von 20 mg/Tag jeweils in 6-Wochen-Schritten 18 mg, 16,2 mg, 14,6 mg, 13,1, 11,8 etc. Das bedeutet, dass man über ein halbes Jahr braucht, um die Dosis auch nur zu halbieren. Danach werden die Schritte noch kleiner. Interessanterweise gibt es oft noch Probleme in einem Dosisbereich, zu dem die Ärzte lapidar meinen: "Diese Dosis hat keine Wirkung mehr, die können Sie auch ganz weglassen". Tut man das, landet man wieder vor der Wand.
So fein abzudosieren, bedarf einiger Tricks, aber es geht. Ich habe mich auf den Weg gemacht, bin jetzt bei 20 % weniger, habe auch einen Termin bei einem anderen Psychiater gemacht, um Unterstützung zu erhalten (zumindest hoffe ich das). Wenn nicht, dann nicht. Einer Studie zufolge gelingt es Patienten ebenso gut ohne wie mit Arzt, ihre Psychopillen los zu werden. Ich jedenfalls sehe mich nicht als chronisch kranke Dauermedikationspatientin und bin auch bereit, das vor den Medizinern zu vertreten.
Das Thema war mir zu wichtig, um es im Sockenthread unterzubringen. Bin gespannt, ob ihr auch Erfahrungen mit dieser Thematik gemacht habt.
Greets, sole
----------------------------------------------- when in doubt: go to the water and swim
Probleme hatte ich mal mit einem SNRI. Soviele gibt es davon nicht, den Namen will ich hier nicht nennen, aber du wirst vermutlich wissen, was ich genommen habe. So rund 2 Jahre lang und ich kann nicht sagen, ob das in irgendeiner Form überhaupt geholfen hat. Das war in den Jahren der "Zwangscleanheit" gewesen. Natürlich hab ich auch mehr in der Richtung durch, aber nur bei diesem Probleme gehabt. Hab ich dann aber zusammen mit nem grausamen Benzoentzug abgesetzt, da war es mir wurscht, ob da jetzt noch mehr Symptome kommen. Ich glaubte da sowieso, bald ist Schluss mit mir.
Ich soll heute auch ein SSRI nehmen und kann mit dem Zeug die Wände tapezieren, weil ich es oft vergesse zu nehmen. Nochmal in die Sucht werde ich wohl nimmer den Weg zurückfinden, deshalb befürwortet das mein Arzt halt und ich will ihm da auch nix entgegnen. Er wird da sicher Erfahrung haben und zu Beginn meiner jetzigen Cleanheit hat mich das wirklich unterstützt.
Auch wenn ich heute sage, ich brauch das wohl nicht mehr, vertraue ich da diesmal doch dem Mediziner.
Beim Antipsychiatrieverlag Peter Lehmann findest Du jede Menge Publikationen zum Thema Psychopharmaka absetzen und den Gefahren der psychiatrischen Behandlung.
Ich persönlich halte diese Medikamente für äußerst gefährlich, sie heilen nicht, aber hinterlassen Spuren im Nervensystem und die von Dir geschilderten Absetzphänomene sind leider die Regel.
Pille statt Pulle ist in diesem Zusammenhang ja ein beliebter Spruch.
Ich wünsche Dir viel Erfolg und vor allem Geduld. Es lohnt sich, sich völlig aus solchen Abhängigkeiten zu befreien.
Viele Wege führen nach Rom - aber nicht "Alle"
Achte auf Deine Worte, sie könnten Wirklichkeit werden
Die Wahrheit macht Dich frei, aber vorher macht sie Dich fertig
Ratschläge sind auch Schläge
Dankbar frei von Alkohol-Nikotin-Medikamenten und anderen Drogen, auch frei von vielem Anderen - Frei eben.
Gutes Thema - es wird kontrovers diskutiert. Über die Langzeitschäden von Psychopharmaka werden die Patienten meiner Meinung nach zu wenig aufgeklärt. Eine kurzzeitige Einnahme halte ich aber in bestimmten Fällen für lebensrettend und richtig.
Deine Methode des ausschleichens klingt gut. Aber man muss soooo viel Geduld haben. Ich werde im Frühjahr auch meine Medikamente reduzieren (das klappt gut) und dann wahrscheinlich über ein Jahr lang ausschleichen. Ich notiere mir dabei jeden Tag im Kalender wieviel ich genommen habe und wie das Befinden ist. Mühsam, aber mir hilft es.
Soweit ich weiß, sind Antidepressiva zwar nach einer bestimmten Zeit im Blut nicht mehr nachweisbar, aber es gibt wohl Einlagerungen im Körper die erst nach einer gewissen Zeit abgebaut werden. Das ist für das Medikament das ich nehme zutreffend.
Probleme hatte ich mal mit einem SNRI. Soviele gibt es davon nicht, den Namen will ich hier nicht nennen, aber du wirst vermutlich wissen, was ich genommen habe. So rund 2 Jahre lang und ich kann nicht sagen, ob das in irgendeiner Form überhaupt geholfen hat. Das war in den Jahren der "Zwangscleanheit" gewesen. Natürlich hab ich auch mehr in der Richtung durch, aber nur bei diesem Probleme gehabt. Hab ich dann aber zusammen mit nem grausamen Benzoentzug abgesetzt, da war es mir wurscht, ob da jetzt noch mehr Symptome kommen. Ich glaubte da sowieso, bald ist Schluss mit mir.
Ich soll heute auch ein SSRI nehmen und kann mit dem Zeug die Wände tapezieren, weil ich es oft vergesse zu nehmen. Nochmal in die Sucht werde ich wohl nimmer den Weg zurückfinden, deshalb befürwortet das mein Arzt halt und ich will ihm da auch nix entgegnen. Er wird da sicher Erfahrung haben und zu Beginn meiner jetzigen Cleanheit hat mich das wirklich unterstützt.
Auch wenn ich heute sage, ich brauch das wohl nicht mehr, vertraue ich da diesmal doch dem Mediziner.
Sorry Dirk, ich kann es nicht lassen.....
Jetzt weiß ich endlich, warum Du dauernd so gut drauf und voller Tatendrang bist
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Dankbar frei von Alkohol-Nikotin-Medikamenten und anderen Drogen, auch frei von vielem Anderen - Frei eben.
ich kann mich mit dem Gedanken nur sehr schwer anfreunden, dass ich die Dinger etwa ein Jahr nehmen soll. Mir wurde erklärt, dass mein Körper zur Zeit kein oder nur wenig Serotonin herstellen kann. Außerdem habe ich nur mit den Tabletten Hunger. Auf meine Frage hin, ob die Einnahme der Tabletten nicht verhindern würde, dass mein Körper eigenständig wieder Serotonin herstellen kann wenn er dieses künstlich bekommt bekam ich keine Antwort.
Hier interessiert es nur, dass der Patient alltagstauglich entlassen wird. Ich würde lieber gleich mit dem ganz langsamen Absetzen beginnen. Wenn du nochmal entscheiden könntest, wie lange würdest du die Tabletten einnehmen?
Zitat von Tanja im Beitrag #6 Wenn du nochmal entscheiden könntest, wie lange würdest du die Tabletten einnehmen?
Schwer zu sagen. Die Symptome, die ich hatte, waren schon sehr quälend, und es wäre vermessen, zu sagen, ich würde keine Tabletten mehr nehmen. Aber ich wäre mit Sicherheit viel kritischer und würde vor allem nicht alles glauben, was die Ärzte erzählen. Ein halbes Jahr, ein Jahr vielleicht. Aber keine zwölf, die mich das SSRI schon begleitet.
Man weiß nicht viel über die Wirkweise dieser Tabletten, wie Clavis schon sagt. Und ob Serotonin tatsächlich einen Einfluss auf die Depression hat, ist erst recht nicht erwiesen. Die Mittelchen werden verteilt wie Bonbons und machen so manchen zum Dauerpsychiatriepatienten.
Ich glaube an eine Wechselwirkung von Neurotransmittern und psychischem Zustand. Aber ich glaube nicht, dass man das mit einem "Mittelchen" einfach so beheben kann.
Zitat von Tanja im Beitrag #6 Wenn du nochmal entscheiden könntest, wie lange würdest du die Tabletten einnehmen?
Schwer zu sagen. Die Symptome, die ich hatte, waren schon sehr quälend, und es wäre vermessen, zu sagen, ich würde keine Tabletten mehr nehmen. Aber ich wäre mit Sicherheit viel kritischer und würde vor allem nicht alles glauben, was die Ärzte erzählen. Ein halbes Jahr, ein Jahr vielleicht. Aber keine zwölf, die mich das SSRI schon begleitet.
Man weiß nicht viel über die Wirkweise dieser Tabletten, wie Clavis schon sagt. Und ob Serotonin tatsächlich einen Einfluss auf die Depression hat, ist erst recht nicht erwiesen. Die Mittelchen werden verteilt wie Bonbons und machen so manchen zum Dauerpsychatriepatienten. Nicht zu vergessen, macht die Psychopharmaka-Mafia damit ein Milliardengeschäft!
Ich glaube an eine Wechselwirkung von Neurotransmittern und psychischem Zustand. Aber ich glaube nicht, dass man das mit einem "Mittelchen" einfach so beheben kann.
Bei mir hat es etwa ein Dreivierteljahr gedauert, 20mg SSRI abzusetzen. Ich habe ungefähr 10 Jahre lang SSRIs genommen und wollte diese Medikamente nicht mehr nehmen, war zu der Zeit etwa ein Jahr trocken. Meine Hausärztin meinte, es gäbe keine Absetzerscheinungen. Stimmt nicht. Ich habe das Absetzen in Eigenregie gemacht, so alle 2-3 Monate eine Vierteltablette weniger. Ich habe sehr mit Brain-zaps zu tun gehabt. Wenn ich die verstärkt hatte, bin ich bei der aktuellen Reduktionsstufe länger geblieben. Am Schluss ging's dann schneller. Das Absetzen hatte keine Auswirkungen auf meine Stimmung, sonst hätte ich das vielleicht nicht so gut geschafft. Ich wünsche dir alles Gute und viel Erfolg, liebe Sole Ulli
Ich hätte einfach nur Angst, sowas zu nehmen. Aber viele Ärzte werden entweder erpresst oder bestochen, das ganze Zeugs zu verschreiben. Und wer verdient letztendlich ? Bestimmt nicht der Patient
Auf der verlinkten Seite hab ich direkt mein Medikament gefunden, bei einer 1/4 Absetzung sind die Entzugserscheinungen (die sich über ein Jahr halten können) schon fast schlimmer als die eigentlichen Symptome. Es wird auch zu einer 10% / 6 Wochen geraten.
Und hier in der Klinik wurde mir zum Absetzen (mit ärtzlicher Absprache) die halbe Tablette gegeben. Mir wurde auch nichts von Absetzsymptomen gesagt. Ich wurde in dem Glauben gelassen, dass mein Innerstes noch in einer Depression steckt und dass das durch die Tabletten ausgeglichen wird. Die ganze Geschichte hat mich und die Krankenkasse 4 Wochen gekostet.
...ich war circa ein Jahr lang mit einem (googlegoogle..) NaSSA unterwegs, nachdem ich vorher monatelang ein trizyklischen Antidepressiva nahm, was meine Stimmung beruhuigte aber nicht aufhellte. Es wirkte - es wirkte super - bei mir, ein bischen Speed für meine Seele. Leider hatte es seine Nebenwirkungen. Es beeinträchtigte meine physische Leistungsfähigkeit stark und es gab eine Reihe weiterer Nebeneffekte. Die Versuche das Medikament zu wechseln schlugen zweimal fehl, so nahm ich weiterhin das NaSSA.
Nach einem Jahr habe ich es mit eigener Entscheidung abgesetzt, das klappte relativ problemlos, auch die Wolken im Kopf verdüsterten sich nicht wieder. Leider sind mir die Nebenwirkungen erhalten geblieben. Heute, zwei Jahre danach kann ich behaupten, das Medikament hat deutliche Spuren auf meiner Gesundheit hinterlassen.