Interessantes Thema. Hab lange nicht mehr darüber nachdenken müssen.
Irgendwann hat das verinnerlichen, dass meine Alkoholabhängigkeit eine Krankheit und keine Willens- oder Charakterschwäche ist, unter anderem dazu geführt, dass ich mich heute so gesund wie niemals zuvor in meinem Leben fühle.
Eben so richtig schön alkoholunabhängig. Anders als Menschen die noch nie zuvor alkoholabhänigig waren, muss ich allerdings verdammt gut aufpassen, dass das auch so bleibt, denn da ist ja noch etwas, was ich im Gegensatz zu schon immer alkoholunabhängigen Menschen habe, mein Suchtgedächtnis. Das meint, inzwischen nur noch sehr selten aber immerhin, sich in meine Gedanken einmischen zu müssen. Nun ist dieses überhaupt nichts fremdes oder irgendwelches Teufelszeug, sondern gehört auch ganz zu mir. Behindert mich aber nicht, deshalb will ich auch keinen Schwerbehindertengrad anerkannt bekommen, denn ich bin ja durch nichts aber auch gar nichts behindert. Körperliche Schäden habe ich als aktive Alkoholikerin nicht davon getragen. Glück gehabt.
Wenn ich so darüber nachdenke, war Alkohol schon immer sehr, sehr wichtig in meinem Leben und das meiner Herkunfstfamilie. So ungefähr dreißig Jahre ist her, als ich damit anfing, Alkohol zu mißbrauchen, wann auch immer entstand daraus eine Sucht. Erst vor drei Jahren konnte ich sie zum Stillstand bringen.
Die einst blitzeblank eingefahrenen Gleise, die meine Sucht am Leben erhielten, sind heute eingerostet und mit Unkraut überwuchert. Aber vorhanden sind sie noch und schnell wieder befahrbar, wenn ich mich entscheiden sollte, auf diesen Gleisen wieder weiterzufahren.
Ist das nun gesund oder krank?
Heute ist mir das allerdings richtig schön egal, denn ich werde heute nicht trinken, weil ich Selbstzerstörung als alles andere als gesund empfinde. Das sieht meine Krankenkasse ganz genauso und zahlt nun schon seit drei Jahren die Kosten für meine Psychotherapie, in der meine durch den jahrzehntelangen Alkoholkonsum verkorkste Denke unter anderem immer wieder das alles bestimmende Thema ist.
Mich selbst beschäftigt im Moment nicht, ob ich nun krank oder gesund bin. Ich habe aber schon oft mit anderen drüber diskutiert und da ist natürlich der Vergleich mit der Allergie angesprochen worden:
siehe Ingmarie-Beitrag:
Der Vergleich hinkt meiner Meinung nach:
Sticht mich eine Biene, ist das zwar wegen der Allergie schlimm und dramatisch, aber wenn das Gift wieder aus dem Körper ist, ist die Sache ausgestanden. Ich laufe aufgrund dieses Erlebnisses nicht den Beinen hinterher, um mich wieder stechen zu lassen, weil's so schön war.
Anders beim alkoholischen Rückfall: Einmal wieder mit Alk in Berührung, springt das Suchtgedächntnis an und läßt uns weitersaufen.
Das Suchtpotential ist der große Unterschied!
Liebe Grüße vom Grufti! Gib jedem Tag die Chance, der schönste deines Lebens zu werden (Mark Twain)
ZitatGepostet von Lotte01 Die einst blitzeblank eingefahrenen Gleise, die meine Sucht am Leben erhielten, sind heute eingerostet und mit Unkraut überwuchert. Aber vorhanden sind sie noch und schnell wieder befahrbar, wenn ich mich entscheiden sollte, auf diesen Gleisen wieder weiterzufahren.
ZitatGepostet von Lotte01 Die einst blitzeblank eingefahrenen Gleise, die meine Sucht am Leben erhielten, sind heute eingerostet und mit Unkraut überwuchert. Aber vorhanden sind sie noch und schnell wieder befahrbar, wenn ich mich entscheiden sollte, auf diesen Gleisen wieder weiterzufahren.
Hi Lotte,
ein schönes Bild, gefällt mir.
Gruß Viktor
Mit diesem Bild kann ich auch sehr viel anfangen, Danke schön
Zitat... Anders beim alkoholischen Rückfall: Einmal wieder mit Alk in Berührung, springt das Suchtgedächntnis an und läßt uns weitersaufen.
Moin Forum, Lieber Grufti, mit der Sichtweise stimm ich Dir aber doch völlig zu. Steht an sich sogar in meinem Beitrag drin find ich.
Ich wollte damit bloß den Aspekt "auch nach 20 Jahren wo "nix is" vertrag ichs beim nächstenmal sicher immer noch net wie ein Nichtalki/Nichtallergiker und machts mich beim ersten erneuten Kontakt wieder KRANK" betonen.
(btw. Mich könnt der Stich theoretisch übrigens sogar AUCH umbringen) Darum gings mir: dieses "Mir-dann-wieder-schwer-zu-Schaden" anzuerkennen.
Mit welchen spezifischen Konsequenzen, welcher genauen Symptomatik und in welcher Dauer die "Reaktion" dann jeweils erfolgt - das ist natürlich dann in der Ausprägung jeweils unterschiedlich, aber krank/totmachen is und bleibt hier wie dort krank/totmachen.
HOffe das gelang mir jetzt etwas besser auszudrücken?
LG IngMarie
[ Editiert von Ingmarie am 21.08.08 10:16 ]
~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~ Einfach tun. Der beste Zeitpunkt dafür: immer genau jetzt.
ZitatGepostet von grufti Ich laufe aufgrund dieses Erlebnisses nicht den Beinen hinterher, um mich wieder stechen zu lassen, weil's so schön war.
@Greenery "Hätte mich auch gewundert - immerhin lebst du ja in einer festen Beziehung"
lustiger Schreibfehler, ist aber auch ein Kreuz mit dem Zweifingersystem, wenn man die Reihenfolge durcheinander bringt
@Ingmarie "Lieber Grufti, mit der Sichtweise stimm ich Dir aber doch völlig zu."
Ich wollt ja auch gar nix dagegen sagen, sondern deinen Beitrag nur durch meine eigenen hochqualifizierten, niveauvollen, tiefgründigen und weisen Gedanken ergänzen ...
Liebe Grüße vom Grufti! Gib jedem Tag die Chance, der schönste deines Lebens zu werden (Mark Twain)
Hallo zusammen, bin zwar nur sporadisch hier im Forum, ist aber immer wieder interessant zu lesen. Aus meiner eigenene Erfahrung kann ich nur bestätigen, dass die verkrauteten Gleise sehr schnell wieder blitzblank und im besten Zustand befahrbar sind. Ich habe 1982 eine Langzeit Threapie gemacht und war anschließend bis 1993 trocken. Allerdings war ich innerlich nie richtig zu frieden und probierte es dann mit dem "Kontrolierten" Trinken. Es ist auch ziemlich lange gut gegangen, Allerdings hat sich dann so gegen 1998 die Menge wieder derart gesteigert, dass ich dann wie im Zeitraffer all das wiedereleben musste was ich vor meiner Therapie durchgemacht hatte, am schlimmsten war der erneute Verlust der Selbstachtung. Es verträgt sich einfach nicht jeden morgen ein Paar blutunterlaufene, verquollene Augen im Spiegel zu sehen und genau zu wissen dass man wieder vom Stoff abhängig ist und gleichzeitig unfähig dagen an zu steuern. Ich mußte mich reglmäßig bei meinem Anblick im Spiegel übergeben, das lag einersseits daran, dass übernacht der Entzug eingesetzt hatte aber noch viel mehr war es einfach der Ekel vor mir selbst und meinem wie ich dachte erneuten Versagen. Ich habe dann im Jahr 2000,nach 2 Jahren erfolglosen kämpfens erneut eine Therapie gemacht, diesmal ambulant über 1 1/2 Jahre. Seither bin ich wieder Trocken, allerdings diesesmal aus innerer Überzeugung, das sagt mir mein Bauchgefühl und nicht mein Kopf, denn der kann einen manchmal ganz schön irre führen. Mein Fazit: Das Suchtgedächtnis ist und bleibt vorhanden und läßt sich nicht Umkehren, doch kann man es, mit einer für sich persönlich stimmigen Lebensweise, unter Kontrolle halten. Diese muss allerdings von jedem einzelnen selbst gefunden werden. Denn auch hier gilt, es kann niemand anderes für mich stimmig leben, genausowenig wie ein anderer für mich trocken sein kann. Diesen Weg muss jeder für sich selbst finden und gehen. Manchmal ist er eben etwas länger, aber ich bin überzeugt es gibt ihn für jeden.