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Saufnix  
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Dieses Thema hat 226 Antworten
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 Deine eigene Alkoholkarriere
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Matthias53 Offline



Beiträge: 318

12.08.2006 11:43
#196 RE: 1 Jahr trocken 1 Jahr nass Zitat · Antworten

Hallo Sierra.
Ich komme erst heute morgen dazu, Deinen Beitrag zu lesen. Du hast recht, das Liebe Abhängigkeit bedeutet. Es ist aber eine frei gewählte, keine süchtige. Meine heutige Form der Liebe ist keine, die ich im Kopf beschlossen habe, sondern das Ergebnis meiner E n t w i c k l u n g.
Die süchtige Form der Liebe wird ja landauf, landab sehnsüchtig besungen und verherrlicht. Warum wohl? Und ich fühle auch, in welcher leidenden Situation Apfelsaft ist. Denke nicht, dass ich das nicht kenne.
Nur, das weiss ich inzwischen, haben suchtkranke Menschen auch süchtige Formen der "Liebe". Sich besitzende. Sie bilden praktisch eine gemeinsame gefühlte Persönlichkeit. Sie sind symbiotisch abhängig. Der süchtige besetzt das Kind-Ich. Ist rebellisch, trotzig, hilfsbedürftig, saut rum, sprengt alle Grenzen. Und der Partner vernachlässigt sein Kind-Ich, belegt das Erwachsenen-Ich (Realitätsprinzip) und das Eltern-Ich (moralische Instanz). Das heisst, der eine funktioniert und der andere macht das Chaos. Bricht einer aus dieser Symbiose aus, fühlt sich der andere krank, als halber Mensch usw. Das ist für mich eine kranke Form der Liebe. Und ich kenne keine Suchtbeziehung, in der die Liebe o.k. ist. Das glauben natürlich viele, weil sie es garnicht anders kennen.

Und eine freie Form der Zusammengehörigkeit verwechselt Du gleich mit grenzenlosem Rumgebumse. Oh Mann. Da ist ja einiges in Schieflage. Sierra, da herrscht ja noch richtig das Weltbild des Patriarchats in den Fragen von Liebe, Sexualität usw.

Zur Frage der Abhängigkeit. Es geht nicht darum, Abhängigkeiten zu vermeiden. Wir sind als Menschen einfach abhängig: vom Elektrizitätswerk, vom Bäcker, vom Arzt usw. Wir müssen Abhängigkeiten eingehen, um zu leben und auch, um ein erfülltes Leben führen zu können. Diese Abhängigkeiten kann ich aber lösen, wenn sie für mich schädlich werden. Das ist der Unterschied zu einer kranken Abhängigkeit! Die Abhängigkeit vom Alkohol, vom Nikotin, von Drogen insgesamt, die kann ich nicht einfach so lösen und sagen, jetzt änder ich das mal einfach. Das ist ein Zwang. Und wenn ich eine kranke Form der Liebe habe und mich diese Liebe nicht fördert, sondern krank macht, unselbstständig usw., und ich kann sie nicht lösen, dann ist das nicht o.k.
Übrigens ist auch der Abschied vom Alkohol besetzt mit Wut, Trauer usw. Trauerarbeit machen wir nicht nur bei einem Menschen, den wir verabschieden, auch die anderen Dinge. Das habe ich früher auch nicht so gesehen. Trauer, hab ich gedacht, das ist was für den Friedhof. Und warum sind die Menschen dann so nah am Wasser gebaut, wenn sie aufhören mit Rauchen? Warum schiessen mir die Tränen seitdem manchmal unkontrolliert in die Augen?

Übrigens war ich im 12. Jahr meiner Trockenheit zur Therapie. Ich liess mich scheiden und bekam zum Thema Beziehung, Nähe usw. eine Therapie in Form der STOF. Stabilitätsorientierte Festigungsbehandlung. Ist für länger trockene Alkoholiker. Da geht es um die schwerpunktmäßige Stärkung bereits trockener Alkoholiker bei bestimmten Situationen bzw. Problemstellungen, um präventiv zu wirken. Ich kann Dir sagen, dass ausnahmslos alle von uns, auch wenn sie wegen ganz anderer Probleme dort waren als ich, ganz tiefgehende Partnerprobleme hatten. Alle Männer, ob sie nun noch in der ersten "glücklichen" Ehe, oder der zweiten (weil sie der mächtigen ersten entkommen wollten)oder bereits in der dritten waren, hatten mit diesem Thema ganz tiefgehende Probleme. Wir waren sehr überrascht davon. Und es war einfach klasse, dass wir nur Männer waren, die miteinander "arbeiten" konnten. Da kamen dann wunderbare Sachen zutage und wir erkannten, dass wir zusammen sehr viel Gemeinsamkeiten und auch Nöte haben. Und dass es verdammt wichtig ist, bei diesen Sachen für sich Klarheit zu bekommen, weil es ganz schöne Verwicklungen gibt. Komisch, dass da Zweitbeziehungen auftauchten, Angst vor dem Besuch der Ehefrau, Angst vor Aggression gegenüber der Partnerin, Angst vor der Konsequenz zur Trennung usw. Und es gab noch ein ganz wichtiges Thema für Männer. Die Beziehung zu ihren Kindern. Das war ebenfalls etwas, was total tief ging und was ja ein Thema ist, was normalerweise "die Frauen für sich abonniert" haben, um es mal so etwas generalisierend auszudrücken.

Das "Fremdgehen" ist übrigens keine Spezialität, die bei der von mir vertretenen Auffassung zum Standardprogramm gehört. Wer die Beziehungsgeschichten von Suchtfamilien näher kennt, weiss, welche katastrophalen Verhältnisse oftmals herrschen. Meine Auffassung ist, dass jeder über kurz oder lang erst einmal hinschauen sollte, was er wirklich braucht und was seine Bedürfnisse sind und das wiederum in offener Atmosphäre mit dem eigenen Partner, ohne den anderen moralisch zu diskreditieren. Und ich sage, dass das eins der heikelsten Themen ist. Da wird das eigene Weltbild eventuell noch mal komplett durcheinandergerüttelt.

Wie gesagt ist das jedoch ein Thema, das eine besondere Form der Auseinandersetzung braucht und wie gesagt sehr intim ist.

Ich kann hier nur darauf hinweisen, dass gerade am Beginn der Trockenheit das Klammern und Kämpfen miteinander und gegeneinander, in allen Bereichen der Beziehung vorhanden ist aufgrund der Symbiose. Die Co-Abhängigkeit sowie die Sucht sind eben nicht nur Fragen des Suchtstoffes, sondern auch in bezug auf Geist, Seele und Beziehung.

Der Abschied von krankmachenden Abhängigkeiten ist sicherlich schmerzhaft und muss durchgestanden werden. Gibt es eine andere Alternative? Ausser der Betäubung?

Gruss
Matthias


Sierra ( gelöscht )
Beiträge:

14.08.2006 09:34
#197 RE: 1 Jahr trocken 1 Jahr nass Zitat · Antworten

Guten Morgen Matthias,

ja, Liebe bedeutet Abhängigkeit. Schreibst Du auch. Abhängigkeit heißt, man ist „nicht mehr (völlig) frei in seinen Entscheidungen“, die dann nämlich (immer irgendwie) „vom Partner (mit)abhängig“ sind.

Bei genauer Betrachtung sehe ich – ob schöngeredet, gutgeschrieben, entrüstet abgewiesen – durchaus sehr konkrete Parallelen zum Zustand „Sucht“.

Zitat
„Meine heutige Form der Liebe ist keine, die ich im Kopf beschlossen habe, sondern das Ergebnis meiner E n t w i c k l u n g.“


Verzeih, wenn ich leise schmunzle. Auf meine typische Art kann ich da nämlich nur schreiben: „Ja, Matthias, und alle anderen, einschließlich mir, sind hinterm Mond eingeschlafen und von dem was sie dummerweise Liebe zu nennen pflegen, mehr oder weniger vergewaltigt worden. Ach wir Narren! Hätten wir doch nur auch so eine „Entwicklung“ mitgemacht. Gibt es die zu kaufen? Oder gibt es die nur in, wenn man bereit ist STOF zu machen?“ ;-)

Warum die „süchtige Form der Liebe“, von der Du Dich so in Gänze verabschiedet hast, landauf, landab besungen und verherrlicht wird? Nun, ich würde behaupten, es gibt noch eine Menge mehr Erklärungen dazu, wie die von Dir. Wahrscheinlich sogar vom finanziellen Spektrum (Erotik Markt) über den künstlerischen (Sänger, Schauspieler) bis hin zum rein biologischen Hintergrund(Mutter/Vater/Familie) ein ganzes Faß voller Facetten, warum und wieso. Auf jeden Fall aber, so denke ich, hat niemand, der jemals über diesen Planeten gewandelt ist, das Recht für sich gepachtet, zu behaupten, er/sie wisse einzig und bindet was für einen anderen „Liebe“ zu bedeuten hat. Oder gar, ob das was (z.B. Apfelsaft) ein anderer empfindet, nun den „die wahre“ Liebe sei, oder nicht. Mit oder ohne STOF.

Klar haben Suchtkranke Menschen auch eventuell sogar sehr süchtige Formen der Liebe. Das nennt man dann in der Regel „Hörigkeit“, oder? ;-)
Wenn ab morgen alle Menschen so rein STOF-mäßig renaturiert und geläutert wären – das wär’ ein Ding, oder? Jeder nur noch in voller Verantwortung seines eigenen Ichs, und mit klarem Blick auf das „was unter Neu-psychologischen Gesichtspunkten“ (weil so alt ist diese „das Kind in mir“-Theorie ja nun auch wieder nicht, gelle) richtig oder falsch ist.
Ich befürchte, nein, würde ich wetten, ich täte sogar darum wetten: Auch das überdauert die Halbwertzeit von zwei Generationen nicht – und dann, Matthias? Dann bist Du ein alternder „Freud“, der halt „auch“ im Großen Ganzen nicht Unrecht, aber dann doch nicht bindet und nach neuesten Erkenntnissen Recht hatte. Trotz deiner Erfahrung, um die ich Dich nicht beneide, weil ich halt auch „Erfahrung“ habe, und das auch nicht wenig. *g*

Zitat
Und eine freie Form der Zusammengehörigkeit verwechselt Du gleich mit grenzenlosem Rumgebumse. Oh Mann. Da ist ja einiges in Schieflage. Sierra, da herrscht ja noch richtig das Weltbild des Patriarchats in den Fragen von Liebe, Sexualität usw.


Lieber Matthias, lies es im eigenen Kontext zu:

Zitat
„Meine Auffassung ist, dass jeder über kurz oder lang erst einmal hinschauen sollte, was er wirklich braucht und was seine Bedürfnisse sind und das wiederum in offener Atmosphäre mit dem eigenen Partner, ohne den anderen moralisch zu diskreditieren. Und ich sage, dass das eins der heikelsten Themen ist. Da wird das eigene Weltbild eventuell noch mal komplett durcheinandergerüttelt. „


... dann ist das zwar superschlau verpackt. Vorsichtshalber, so mein Eindruck, schreibst Du auch gleich dazu, das man „den anderen moralisch nicht diskreditieren“ sollte, nur angenommen ich verstand doch gar richtig, was Du „heikel, intim“ nennst, aber eben auf genau das „freie Rumgebumse“ hinausläuft, das ich dabei halt sehe. *lach*
Mei Liaba, nein, nein, bei mir ist nix in Schieflage, und fragst Du eine meiner vielen Weiber, dann ist da auch nix mit Patriarch.
Wenn ich mir allerdings mal die Definition des Patriarchats genauer anschauen ("Vaterherrschaft"; Gesellschaftsform, in der Männer die maßgebenden Werte, Normen und Verhaltensweisen vorgeben.), dann ... Matthias – bist Du der Vater der Liebe? Der, der vorgibt was einzig zu sein und zu gelten hat? ;-)

Ach ja, und dann, sorry, schlingerst Du mit diversen Erklärungen durch die Lande, wie ein alter Dampfer dessen Steuerradschrauben auch nicht mehr einen konkreten Kurs zulassen.
Allein dein Absatz: „

Zitat
Zur Frage der Abhängigkeit. Es geht nicht darum, Abhängigkeiten zu vermeiden. Wir sind als Menschen einfach abhängig: vom Elektrizitätswerk, vom Bäcker, vom Arzt usw. Wir müssen Abhängigkeiten eingehen, um zu leben und auch, um ein erfülltes Leben führen zu können. Diese Abhängigkeiten kann ich aber lösen, wenn sie für mich schädlich werden. Das ist der Unterschied zu einer kranken Abhängigkeit! Die Abhängigkeit vom Alkohol, vom Nikotin, von Drogen insgesamt, die kann ich nicht einfach so lösen und sagen, jetzt änder ich das mal einfach. Das ist ein Zwang.“

, der läßt mich doch arg ins Grübeln kommen.

Doch – für mich geht es darum „Abhängigkeiten zu vermeiden“. Ganz klar, klar definiert und ohne Wenn und Aber. Nur: Genau dort, wo Du mal fix davon sprichst, diverse „Abhängigkeiten“ könnte ich ja lösen, wenn sie für mich schädlich wären (es gibt aber auch noch ganz andere Gründe, wie einzig „Schädlichkeit“, um einen Abhängigkeit lösen zu wollen), da wird’s dann richtig schwierig für mich. Ich glaube teilweise sogar soviel schwieriger, dass mein Suchtausstieg dagegen ein Spaziergang war.

Klar sagst Du jetzt: Hey Sierra, was, Du bist von deinem Arbeitgeber abhängig. Ich sag’ Dir dann, nein, Matthias, nicht direkt von meinem AG, aber von der „Form von Zuwendung“, die er mir gibt. Klartext: Knete.
Weg damit!
Hey, Sierra, was? Du bist von deiner Mobiliät abhängig? Nein, Matthias, ich mag zwar mein Auto, aber meine „Form der Liebe zu ihm schadet mir nicht mal direkt“. Bloß: es trägt mich halt überall dort hin, wo ich hinmuss, aber mit anderen Mitteln nur unter einem immensen Zeitaufwand hinkommen würde.
Weg damit.
Ach ja, Wasser, Strom, Heizung, usw. ...
Weg damit!
Nein, nein – tut mir leid: Wenn ich „schädigend“ süchtig bin, eben so ein kleiner, unerfahrener und nicht-STOF gebriefter Alki wie ich, dann „muss ich halt einfach diese Sucht lösen“, damit ich wieder frei werden kann. ABER: Das kann ganz alleine ich, und das ist ganz alleine von meiner Entscheidung abhängig.
Das andere, Elektizitätswerk, usw., da kann ich zwar entscheiden, dass ich ab morgen von der Ruhrgas meinen Strom beziehen „will“ – aber das wird dann hundert Jahren nix, außer ich ziehe dann dorthin, wo die Ruhrgas beliefert. ;-)

Zitat
„Übrigens ist auch der Abschied vom Alkohol besetzt mit Wut, Trauer usw. Trauerarbeit machen wir nicht nur bei einem Menschen, den wir verabschieden, auch die anderen Dinge. Das habe ich früher auch nicht so gesehen. Trauer, hab ich gedacht, das ist was für den Friedhof. Und warum sind die Menschen dann so nah am Wasser gebaut, wenn sie aufhören mit Rauchen? Warum schiessen mir die Tränen seitdem manchmal unkontrolliert in die Augen?“


Fragen über Fragen. Ich kann’s Dir nicht beantworten, warum das bei Dir so war. Bei mir war es schon sehr, sehr lange nicht so. Ich hab’ auch „so“ wie Du nie gedacht.
Ich weiß auch nicht, warum Du mir das alles in einem Ton erklärst, als wäre ich derjenige, der hinterm Mond das Licht dann vollends ausgeknipst hat? Ich muss doch irgendwie einen argen Kleinkindeindruck hinterlassen. *g* Naja, kann ich mit leben – Du auch mit deiner „Patriarchenrolle“, die Du doch gar nicht haben möchtest?

Zitat
„Übrigens war ich im 12. Jahr meiner Trockenheit zur Therapie.“


Oh, tut mir jetzt aber leid, dass ich das schneller geblickt habe. Ich hab’ die Thera dann gleich an den Anfang gehängt. Vielleicht, weil ich „die abhängige Form meiner Sucht(liebe)“ dann doch so ganz anders willentlich einschätze, wie Du? ;-)
Aber bitte sag’s mir, wenn dieser Frühstart ein Manko ist!

Zitat
„Ich liess mich scheiden und bekam zum Thema Beziehung, Nähe usw. eine Therapie in Form der STOF. Stabilitätsorientierte Festigungsbehandlung. Ist für länger trockene Alkoholiker. Da geht es um die schwerpunktmäßige Stärkung bereits trockener Alkoholiker bei bestimmten Situationen bzw. Problemstellungen, um präventiv zu wirken.“


Ist das für mich, die Erklärung? Ich drücke mich jetzt um die Empfehlung meiner Therapeutin, als ich bzgl. STOF nach ... so ein paar Jahren Trockenheit an sie herantrat. *g*

Zitat
„Ich kann Dir sagen, dass ausnahmslos alle von uns, auch wenn sie wegen ganz anderer Probleme dort waren als ich, ganz tiefgehende Partnerprobleme hatten. Alle Männer, ob sie nun noch in der ersten "glücklichen" Ehe, oder der zweiten (weil sie der mächtigen ersten entkommen wollten)oder bereits in der dritten waren, hatten mit diesem Thema ganz tiefgehende Probleme. Wir waren sehr überrascht davon...„



Ja, glaube ich Dir sogar aufs Wort. Es hätte halt aber auch sein können, dass da einer dabei gewesen wäre, der hätte das mit großen Augen verfolgt und gefragt: Wat is? Is das was Neues? Wußtest Du das noch nicht? Nach 12 Jahren Trockenheit nie darüber mal intensiver nachgedacht? ...

Zitat
„Wie gesagt ist das jedoch ein Thema, das eine besondere Form der Auseinandersetzung braucht und wie gesagt sehr intim ist. „


Mir scheint, mit den „besondereren Formen“ hast Du es. ;-)

Zitat
“Die Co-Abhängigkeit sowie die Sucht sind eben nicht nur Fragen des Suchtstoffes, sondern auch in bezug auf Geist, Seele und Beziehung. „


Also sei jetzt mal ehrlich Matthias: Wenn Du das jetzt nochmal liest, dann wirst Du Dir ein Grinsen doch nicht verkneifen können, oder? Was erklärst Du da gerade? Wie man das Rad neu erfindet? Oder das man an einem runden Rad keine Ecken haben darf? *lol*

Zitat
„Der Abschied von krankmachenden Abhängigkeiten ist sicherlich schmerzhaft und muss durchgestanden werden. Gibt es eine andere Alternative? Ausser der Betäubung?“


Klar gibt es Alternativen. Z.B. sich arrangieren. Kompromisse eingehen. Ausloten, ob der „Leidensdruck“ tatsächlich höher ist, wie „das Leiden, das durch den Abschied“ verursacht würde. Bilanz ziehen, Pro : Contra. Abwägen, was bleibt, was geht. Was kann bleiben, was muss weg. Usw.
Es gibt verdammt viel mehr Alternativen, wie ein freies Rumgebumse psychologisch intellektuell in „Freiheit und reife Erfahrung“ verpacken. Weil auch das eine sehr große Gefahr ist: Dass vor lauter „ich sehs, aber alle anderen können es nur sehen, wenn sie meinem Weg folgen“ der Blick eng und enger wird. Auch die Alternativen weniger – bis so gar kein Unterschied mehr zu den diversen Abhängigkeiten zu erkennen ist. Für mich.

Gruss
Sierra


Faust Offline




Beiträge: 5.520

14.08.2006 09:45
#198 RE: 1 Jahr trocken 1 Jahr nass Zitat · Antworten

Den Beitrag finde ich ausgesprochen lesenswert, Sierra.

LG
Bernd


F10 2 Offline




Beiträge: 4.679

14.08.2006 10:33
#199 RE: 1 Jahr trocken 1 Jahr nass Zitat · Antworten

jo ....Matthias....

analog zu deinen sonstigen Beiträgen, mit denen ich sonst auch nicht viel anfangen kann, fällt mir folgender Passus
doch sehr ins Auge...:

Zitat
Alle Männer, ob sie nun noch in der ersten "glücklichen" Ehe, oder der zweiten (weil sie der mächtigen ersten entkommen wollten)oder bereits in der dritten waren, hatten mit diesem Thema ganz tiefgehende Probleme. Wir waren sehr überrascht davon. Und es war einfach klasse, dass wir nur Männer waren, die miteinander "arbeiten" konnten. Da kamen dann wunderbare Sachen zutage und wir erkannten, dass wir zusammen sehr viel Gemeinsamkeiten und auch Nöte haben. Und dass es verdammt wichtig ist, bei diesen Sachen für sich Klarheit zu bekommen, weil es ganz schöne Verwicklungen gibt.


Dabei geht es mir nicht darum, wie DU bei Problemen mit DIR umgehst, die Mechanismen des abstinent werdens als Standard definierst und anscheinend für alle Formen der sozialen, partnerschaftlichen und gesellschaftlichen Interaktion eine Therapie oder Gruppenarbeit brauchst...

..sondern dein Anspruch deine Mittelmäßigkeit und Umgang mit Problemen hier als ALLEINWAHRHEIT zu installieren......und diese Lebensunsicherheit dann auch noch in ein -auch nicht allzu gelungene-Sprache zu kleiden, um vieleicht ein Art "Forschungsergebnisse" zu suggerieren.......

Läüft nicht..

Bei einer stabilen zufriedenen Abstinenz wirft mich nen Windhauch nicht um und ICH kann mit meinem Partner, Umfeld und meinen Kindern respektvoll und "kraftvoll" agieren, Gefühle zeigen, auffangen und fallenlassen...ohne archaisches Machogehabe, aber mit klarem Rollenverständnis...

Geh du weiter in deine Männergruppen..wenns dir hilft is ja alles okay...

ABER ..es gibt auch welch die sind anders!!

MÄDELS!! WIR SIND NICHT ALLE SO!!!!!


LG UWE
-__________________________________________
"Geh ein paar Schritte zurück"

[ Editiert von F10 2 am 14.08.06 10:34 ]


Matthias53 Offline



Beiträge: 318

14.08.2006 10:49
#200 RE: 1 Jahr trocken 1 Jahr nass Zitat · Antworten

Hallo Sierra.
In der Tat, äußerst lesenswert :-)

Nur bin ich kein Freudianer. Eher liegen die Grundlagen bei Wilhelm Reich, der übrigens heute für die Krebsforschung wiederentdeckt wird, ausserdem sind meine letzten Jahre eher begleitet von Volker Elis Pilgrim "Manifest für den freien Mann"; "Kleine Helden in Not. Jungen auf der Suche nach Männlichkeit" von Dieter Schnack, Rainer Neutzling und "Den Mann zur Sprache bringen" Wolfgang Neumann/Björn Süfke.

Es gibt noch nicht sehr viele Arbeiten zum Thema Mann. Alkohol ist in dem Sinne ja auch eine männliche Droge bzw. im Zusammenhang mit der männlichen Identität. Dieser Aspekt ist noch sehr vernachlässigt und erst wenige trauen sich daran. Und auch wenn Du sehr viel relativierst an meinen Ausführungen und es auf eine bestimmte Schiene bringen möchtest, bleibe ich bei meiner These, dass jemand, der lernt, Nein zum Alkohol zu sagen, auch in diesen Fragen schwierige Situationen für sich durchsteht. Wie auch immer.

Mein Hinweis eben, zu schauen, was mir guttut und was mir schadet. Die Herstellung der Autonomie über mich selbst (wozu auch meine Sexualität gehört, ist für mich ein wichtiger Schritt der Befreiung). Das war meine Botschaft an Apfelsaft. Und für mich war es eine Erfahrung, die mir geholfen hat, den Suchtdruck abzubauen.

Nachdenken werde ich auf jeden Fall über die Rückmeldung, dass meine Beiträge empfunden werden, als seien sie aus der Ebene des Über-Ichs.

Gruss
Matthias


Sierra ( gelöscht )
Beiträge:

14.08.2006 10:50
#201 RE: 1 Jahr trocken 1 Jahr nass Zitat · Antworten

Zitat
ABER ..es gibt auch welch die sind anders!!

MÄDELS!! WIR SIND NICHT ALLE SO!!!!!


Oochh - aber auch nicht alle "so"

Wobei ich mich dann gleich wieder frag, was denn dieses "Mädels" dabei soll, wenn doch ...

Zitat
Bei einer stabilen zufriedenen Abstinenz wirft mich nen Windhauch nicht um und ICH kann mit meinem Partner, Umfeld und meinen Kindern respektvoll und "kraftvoll" agieren, Gefühle zeigen, auffangen und fallenlassen...ohne archaisches Machogehabe, aber mit klarem Rollenverständnis...


... oder was für "Rollen" sind das denn dann? Mehr so ein "Hin- und Hergerolle"?

Sierra


Max mX Offline




Beiträge: 5.878

14.08.2006 11:18
#202 RE: 1 Jahr trocken 1 Jahr nass Zitat · Antworten

da gibt's noch einen Unterschied zwischen
"frei sein wovon" und "frei sein wofür", nee? Max


Matthias53 Offline



Beiträge: 318

14.08.2006 11:24
#203 RE: 1 Jahr trocken 1 Jahr nass Zitat · Antworten

Hallo F10 2,
bist ja ganz schön am Rumschimpfen und Abwerten.

Und wie kommst Du auf die Behauptung, ich ginge in Männergruppen? Und wenn es so wäre, was wäre daran so schlimm?

Würde mich ja mal interessieren, wie Du so an Deine stabile zufriedene Trockenheit gekommen bist. Ich finde schön, dass Du sie hast.

Interessant ist die These, dass man(n) sie einfach hat oder auch nicht oder wie soll ich das verstehen?

Der schwächliche Matthias

:-)


Sierra ( gelöscht )
Beiträge:

14.08.2006 11:39
#204 RE: 1 Jahr trocken 1 Jahr nass Zitat · Antworten

Lieber Matthias,

Zitat
„Es gibt noch nicht sehr viele Arbeiten zum Thema Mann.“


Das stelle ich ganz bestimmt nicht in Zweifel. Und m.E. ist das auch durchweg gut und richtig. Der Mann, das Unbekannte Wesen, das jede® meint so gut zu kennen. ;-)

Zitat
„Alkohol ist in dem Sinne ja auch eine männliche Droge bzw. im Zusammenhang mit der männlichen Identität. Dieser Aspekt ist noch sehr vernachlässigt und erst wenige trauen sich daran.“


Ja, ja, und die im Dunkeln sieht man nicht ...
Das waren dann in vielen Jahrhunderten Suchtgeschichte die Frauen, die genauso süchtig waren – es aber noch tausendmal mehr verheimlichen und verstecken mussten, wie die armen Männer, die vor lauter dicken Eiern gar nicht wußten wohin mit dieser Hilflosigkeit gegenüber dem „Männlichkeitsmittelchen“. *g*
Ich weiß aber einfach nicht, woher Du das immer hast, dieses „erst wenige trauen sich daran“. Wenn ich mich, auf meiner Seite des Mondes, so umgucke, dann sind da inzwischen ganz viele, sodass es dazu keiner „besonderen Form“ bedarf. ;-)

Zitat
„Und auch wenn Du sehr viel relativierst an meinen Ausführungen und es auf eine bestimmte Schiene bringen möchtest, bleibe ich bei meiner These, dass jemand, der lernt, Nein zum Alkohol zu sagen, auch in diesen Fragen schwierige Situationen für sich durchsteht. Wie auch immer.“


Gut, gut! Ich weiß jetzt zwar absolut nicht, weswegen „ich relativere“, während Du, ja was ... eigentlich ... tust? Nicht „relativieren“? Nicht „in die richtige Relation“ z.B. zum Thema Sucht stellen? Was denn dann??
Aber, definitiv, dass Du bei „deiner These“ (Sprache ist so was von verräterisch ;-)) bleibst, das würde ich niemals und aus keinem Bedürfnis heraus strittig machen wollen. Wozu auch? Nur: Es ist „deine These“ – und, wirst Du denen ihr Leben dann weiterleben für sie, wenn sie „deiner These“ folgen, sich in „deine Form der freien und unabhängigen Liebe“ begeben – und ggf. ihr Leben dadurch vollends vor die Hunde geht. Eben, „falls“, wirst Du es tun?

Insgesamt aber, lieber Matthias, staune ich einfach nur bei solchen Sätzen, die von Dir wirklich nicht erwartet hätte. „dass jemand, der lernt, Nein zum Alkohol zu sagen, auch in diesen Fragen schwierige Situationen für sich durchsteht. Wie auch immer.“
Ja, was soll ich dazu sagen? Ich bleibe auch dabei, dass einer aus Hamburg, der ohne Straßenkarte nach Paris gefahren ist, bestimmt auch keine allzu großen Problem haben wird einen platten Reifen an seiner Karre zu wechseln. Oder ... vielleicht doch? Wie auch immer ...

Zitat
Die Herstellung der Autonomie über mich selbst (wozu auch meine Sexualität gehört, ist für mich ein wichtiger Schritt der Befreiung).


Diese „Herstellung der Autonomie“ war und ist für mich spätestens dann eingeläutet, wenn sich jemand entschließt dem Suchtkreislauf zu entrinnen. „Das ist ein Feind“ der „menschlichen Autonomie“, wie es sonst keinen zweiten gibt. Meiner Meinung nach. Dagegen ist jede noch so anziehende Frau ein Klacks.
Wenn Du dabei in erster Linie immer wieder, und sorry, für mich „herauslesbar“ so überschwenglich auf „deine Sexualtität“ hinweisen musst, dann „höre ich“ halt heraus, dass „Du“ offenbar da ganz gewaltige Probleme und Defizite hast/hattest.
Ob Du es glaubst oder nicht, aber genau das ist der springende Punkt: Sexualität und Intimität, eben all das, was tief und individuell tief verankert und ganz, ganz arg „mein“ ist, lasse ich mir auch von keinem Späthippieaner in irgendwelche Bahnen manöverieren, die ich einfach „aus meiner natürlichen, angeborenen und in mir inne wohnenden Scham (oder Offenheit ;-))“ (bitte nicht mit „anerzogener“ verwechseln!) ganz alleine „für mich“ leben und erleben möchte. Freiheit hin oder her, aber "so frei" bin ich dann.

Zitat
„Das war meine Botschaft an Apfelsaft. Und für mich war es eine Erfahrung, die mir geholfen hat, den Suchtdruck abzubauen. „


Das war und ist mir schon klar, Matthias. Nur hatte es so etwas „alleingültiges“. So etwas „nur das ist der einzige Weg“, gibt es dazu Alternativen? Nein, wohl nicht, nein, niemals nie nicht. Weil ich das weiß, weil ich STOF mache und erst frei bin, seit ich es begriffen habe. Deswegen seid auch ihr erst frei, wenn ihr mich begreift. Punkt.

Zitat
„Nachdenken werde ich auf jeden Fall über die Rückmeldung, dass meine Beiträge empfunden werden, als seien sie aus der Ebene des Über-Ichs. „


Es sind gar nicht so sehr „deine Beiträge“. Es ist wahrscheinlich, wie bei mir halt auch manchmal, die Art und Weise deiner Ausdrucksform. Du bist einer, der „mitreißen“ kann. Einer, der andere gerne mit seiner Begeisterung ansteckt. Du hast für Dich deinen Weg gefunden. Möchtest das nicht nur gerne „mit“teilen, sondern wirklich „teilen“. Mit anderen.
Dabei schießt Du dann halt manchmal übers Ziel hinaus und erweckst den Eindruck, dass andere etwas zurückgeblieben sind, nur weil sie „deinen Thesen“ nicht sofort und ohne Einschränkung folgen wollen (oder können.)
So what – jeder hat seine Macken. Ich, Du, alle. *g* Halt Unzulänglichkeiten, mit den wir dann wohl leben müssen, solange wir sie nicht abstellen können. Oder abstellen wollen? Sucht? Eine „besondere Form“?
Ich weiß es nicht. Ich bin wirklich nur ein kleiner, unwichtiger Alki. Genau besehen weniger wie ein "Fürzchen“ im weiten Zeitenmeer ...

Gruss
Sierra


Matthias53 Offline



Beiträge: 318

14.08.2006 11:43
#205 RE: 1 Jahr trocken 1 Jahr nass Zitat · Antworten

Zitat Sierra:

Zitat:

„Übrigens war ich im 12. Jahr meiner Trockenheit zur Therapie.“

Oh, tut mir jetzt aber leid, dass ich das schneller geblickt habe. Ich hab’ die Thera dann gleich an den Anfang gehängt. Vielleicht, weil ich „die abhängige Form meiner Sucht(liebe)“ dann doch so ganz anders willentlich einschätze, wie Du? ;-)
Aber bitte sag’s mir, wenn dieser Frühstart ein Manko ist!


Sierra, wie kommst Du darauf, dass ich gesagt habe, eine Therapie im 12. Jahr sei besser als eine am Anfang. Das ist eine Interpretation, wie ich sie beim besten Willen nicht erkennen kann. Im Gegenteil hätte ich es für mich selbst besser gefunden, gleich am Anfang schon eine Therapie zu machen. Leider wurde das damals "übersehen", da ich ohne Krankenhaus und mit der Gruppe trocken wurde. Nach 6 Monaten Trockenheit hat man mich gefragt, ob ich eine Therapie möchte und da ich keinen Suchtdruck mehr hatte, habe ich das aus meiner damaligen Sicht abgelehnt, da ich keine akute Gefährdung mehr spürte. Aus heutiger Sicht hätte ich anders entschieden. So habe mir mein Rüstzeug dann anders geholt, in der Freizeit, in Seminaren, Praktika usw. Was ich eben gut finde ist, dass es auch für spätere Krisen Unterstützung gibt. Das zeigt ja, dass auch langjährig trockene Alkoholiker Hilfestellung bekommen können. Ich finde es etwas seltsam, dass eine solche Inanspruchnahme und auch die Schilderung der dort gemachten Erfahrungen in dieser Weise interpretiert werden.
Das würde ich gern mal konkret wissen, wo ich Deine frühe Therapie abgewertet habe. Oder spricht was gegen die STOF?
Bitte um Aufklärung. Mir hat die STOF nur gezeigt, dass es sehr verwandte Fragen bei langjährig trockenen Alkoholikern gibt. Sollte das ein Zufall sein?

Matthias


Matthias53 Offline



Beiträge: 318

14.08.2006 12:03
#206 RE: 1 Jahr trocken 1 Jahr nass Zitat · Antworten

Sierra,
männliche Droge meint nicht, dass nur Männer Alkohol trinken. Es meint die damit verbundenen Eigenschaften: hart, cool, männlich, leistungsorientiert usw.
Bei mir war der Zugang zum Alkohol sehr stark verbunden mit dem Vorbild der Männer, die Bier trinken und Korn. Männer spielen Skat, trinken Bier und Korn. So habe ich es bei meinem Vater gesehen und den Männern, die nach der Kirche ins Gemeindehaus gingen. Und im Fussballverein, da gings dann in der Jugend los: Stiefeltrinken. Sei keine Memme usw. Und die Botschaften beim Bund.

Was finden Jungs daran so stark, meterweise Bier zu trinken und sich für toll zu halten, nicht zu schwanken.

Das verstehe ich unter männlichem Aspekt. Tatsächlich gibt es mehr Forschung über spezifisch weibliche Aspekte beim Alkoholkonsum als über das von Männern. Obwohl die Frauen die Minderheit stellen und ihre Alkoholkarriere nicht der männlichen gleicht. Und Therapeuten arbeiten ungern mit reinen Männergruppen, weil das sehr sehr hart ist, denn wenn Frauen dazwischen sind, ist sofort der Schmierstoff für die Gruppendynamik da. Daher wird dieser Aspekt erst in den letzten Jahren mehr beachtet.

Auf die Idee gekommen ist man wohl durch die Tatsache, dass die meisten Straftäter im Knast Männer sind und zwar vaterlose Männer. Diesem Aspekt hinterherzugehen hat wirklich neue Erkenntnisse gebracht. Hatte die Frauenbewegung nicht die "Erkenntnis" gebracht, das Patriarchat mache die Männer zu den Gewinnern und die Frauen zu den Opfern? Das funktioniert nicht wirklich, Männer sind ebenso Opfer des Patriarchats wie Frauen. Warum sitzen so viele Männer im Knast? Warum sterben Männer um etwa 7 Jahre früher? Warum ist die Sterblichkeit der Männer vom Säugling bis zum 60 jährigen höher als die von Frauen? Und warum bringen sich Männer erfolgreicher um als Frauen, die zwar mehr Selbstmordversuche machen als Männer, aber eben nicht so "erfolgreich". Fragen, die inzwischen zum Glück aufgegriffen werden und die uns durchaus helfen können.

Das meine ich mit männlichen Aspekten und dass Alkohol eine "männliche Droge" sei. Frauen bevorzugen ja mehr die unauffälligen Sachen (Medikamente z.B.), kommen oft zum Alkohol über psychische Erkrankungen bzw. andere Suchtmittel, wenn die moralische Grenze gesunken ist. Übrigens sollen etwa ein Drittel der Alkoholikerinnen eine Mißbrauchsgeschichte im Hintergrund haben.

Ansonsten noch mal danke für Deine Antwort.

Matthias


Sierra ( gelöscht )
Beiträge:

14.08.2006 13:02
#207 RE: 1 Jahr trocken 1 Jahr nass Zitat · Antworten

Nun bin ich aber etwas überrascht, Matthias. Ja, also siehst Du das, was Du selbst schreibst nicht auch im Gesamten? Also nicht genauso „Ganzheitlich“, wie z.B. die ganze Prozeßarbeit?

Ich las dann eben zusammenhänglich ..., weil Du das so geschrieben hast, als wäre eine Therapie erst „das Nonplusultra“, wenn sie frühestens im 12. Jahr einer Trockenheit angegangen würde. Weil doch die ganz Prozeßarbeit einen gewissen „Reifegrad“ erfordert.
Also sorry, wenn das erstens von mir missverstanden wurde, und zweitens (ganz bewußt) ironisch rüberkam. *g*

Allerdings – einen Einwand hätte ich da schon gleich. Du kennst mich als aufmerksamen Gesprächsteilnehmer und Mitleser. Dann frag’ ich mal leise ...

Zitat
„wenn ich den Mut zur Ehrlichkeit habe und nicht dem Zwang zur Selbstrechtfertigung und Beschuldigung anderer unterliege“

... was damit ist? ;-)

Und wieder: Sprache ist – für mich – etwas Verräterisches.

Zitat
„Im Gegenteil hätte ich es für mich selbst besser gefunden, gleich am Anfang schon eine Therapie zu machen. Leider wurde das damals "übersehen", da ich ohne Krankenhaus und mit der Gruppe trocken wurde.“

Hattest Du denn keine Verantwortung für Dich übernommen? Oder – was ja auch sein könnte – keine Chance gegen die „Macht“ der Suchtberater, etc.? Weil, wenn ich in Therapie gehen möchte, dann gehe ich auch. Ob mir dan X oder Y die Formalitäten dazu erledigt, aber „es geht um mich“. (Es sei denn, aufgrund von x-Therapien würde die Kostenübernahme abgelehnt.)

Zitat
„Das zeigt ja, dass auch langjährig trockene Alkoholiker Hilfestellung bekommen können. Ich finde es etwas seltsam, dass eine solche Inanspruchnahme und auch die Schilderung der dort gemachten Erfahrungen in dieser Weise interpretiert werden.“


Naja, das mit der Interpretation ist so eine Sache, die auf Aktion – Reaktion beruht. Geschriebenes Wort – was lese ich daraus. Deswegen tauschen wir uns ja hier auch aus und haken dann nochmal nach, wenn was unklar ist. „Seltsam“ ist es für mich aber nie, weil ich halt auch berücksichtige, dass wir zwar alle Menschen (ausser natürlich minitiger *g*) sind, aber eben auch unterschiedliche und aus unterschiedlichen Situationen kommend.

Meine frühe Therapie hast Du nicht abgewertet. Nur, ich muss Dir gestehen, dass ich STOF schon während dieser „Ersttherapie“ in weiten Teilen kennen lernte, weswegen ich – aus eigener Betrachtung heraus – etwas erstaunt bin, wie euphorisch Du darauf einsteigst. „Alles“ kann m.E. mit oder durch STOF auch nicht in die richtigen Bahnen geleitet werden. Zudem meine ich, dass STOF auch nicht unbedingt für Jeden etwas ist, auch nicht „unbedingt“ jedem etwas bringt.

Zitat
„Mir hat die STOF nur gezeigt, dass es sehr verwandte Fragen bei langjährig trockenen Alkoholikern gibt. Sollte das ein Zufall sein?“


Was sind das für Fragen? Mir hat mein ganzer Suchtverlauf und der Austausch mit anderen Alkoholikern gezeigt, dass es sehr verwandte Fragen bei langjährig nassen und trockenen Alkoholikern gibt. Aber darüber hinaus auch bei nichtsüchtigen Menschen. Wieso sollte so etwas „Zufall“ sein? Es ist ein Logik, die der unmittelbar der zugrunde liegenden Problematik entspringt, oder nicht?

Gruß
Sierra


Sierra ( gelöscht )
Beiträge:

14.08.2006 13:25
#208 RE: 1 Jahr trocken 1 Jahr nass Zitat · Antworten

Mattihas,

Zitat
männliche Droge meint nicht, dass nur Männer Alkohol trinken. Es meint die damit verbundenen Eigenschaften: hart, cool, männlich, leistungsorientiert usw.


Siehst Du, das ist es u.a., was ich meine. Du erhebst in manchen Dingen einen allgemeingültigen Anspruch, der von der Zeit längst überholt ist.
Geh’ mal raus unter die Jungs und Mädels (von 14 bis 18) und guck Dich um!

Ich bin auch erstaunt, wenn Du schreibst, dass „dieser Aspekt erst in den letzten Jahren mehr beachtet wird“. Was verstehst Du denn unter „den letzten Jahren“? Reichen 15 oder 20? Meines Wissens nach aber darüber hinaus deutlich früher wurde dieser „Aspekt“ in den Therapieeinrichtung konkret herausgestellt.

Zitat
Hatte die Frauenbewegung nicht die "Erkenntnis" gebracht, das Patriarchat mache die Männer zu den Gewinnern und die Frauen zu den Opfern?


Nein, da widerspreche ich Dir! Nicht die Frauenbewegung hat diese „Erkenntnis“ gebracht. Sie hat es nur gewagt sie in deutliche Worte zu kleiden und sie nach außen zu propagandieren. Aber „dass es so ist“, das war schon lange zuvor so klar bekannt. Es sei denn, Du verlegst jetzt „die Frauenbewegung“ zeitlich in die Nähe der Jeanne D’Arc. *g*

Zitat
Warum sitzen so viele Männer im Knast?


Hm, ich weiß nicht, ob es jetzt besser wäre, wenn da mehr Weiber sitzen würden?

Zitat
Warum sterben Männer um etwa 7 Jahre früher?


Weil sie beim Sex meist den aktiven Part übernehmen? ;-)

Zitat
Warum ist die Sterblichkeit der Männer vom Säugling bis zum 60 jährigen höher als die von Frauen?


Männer doch Memmen?

Zitat
Und warum bringen sich Männer erfolgreicher um als Frauen, die zwar mehr Selbstmordversuche machen als Männer, aber eben nicht so "erfolgreich".


Naja, wenn ich so manche Frau beim Einparken beobachte, dann ist mir klar, warum es bei denen nicht so auf gleich und jetzt klappt. *g*

Zitat
Fragen, die inzwischen zum Glück aufgegriffen werden und die uns durchaus helfen können.


Ach ja? Hm, bin ich mal gespannt darauf, was mir das noch nützen wird. Wirst Du es mir verraten, wenn Du im Knast sitzt, dein Suizidversuch dann frauentypisch misslungen ist und Du kurz vor deinem 60zigsten die Entlassung in die Freiheit ob eines Infarktes verpaßt?

Zitat
Übrigens sollen etwa ein Drittel der Alkoholikerinnen eine Mißbrauchsgeschichte im Hintergrund haben.


Ich kann dazu nichts sagen. Aber ich war schon erstaunt, wieviele Alkoholikerinnen ich kennenlernte, die angaben wegen so einer Mißbrauchsgeschichte zu saufen. Hm ...

Gruß
Sierra


Lissy01 Offline




Beiträge: 2.780

14.08.2006 13:58
#209 RE: 1 Jahr trocken 1 Jahr nass Zitat · Antworten

Hi Mathias,

Zitat
warum bringen sich Männer erfolgreicher um als Frauen, die zwar mehr Selbstmordversuche machen als Männer, aber eben nicht so "erfolgreich". Fragen, die inzwischen zum Glück aufgegriffen werden und die uns durchaus helfen können.



Helfen, bei was?
Dabei, daß wir Frauen uns endlich erfolgreicher umbringen?
Wenn ich lese, welche Arbeit für Dich das Leben allgemein und das Leben mit Frauen im Speziellen bedeutet, dann verstehe ich schon, warum Du da so Wert drauf legst.
Würde sich so manches Problem von alleine erledigen!

Mathias, solange Du von Dir selbst erzählst, kommst Du authentisch rüber.

Wenn Du anfängst von Prozessen zu reden, die so und nicht anders ablaufen, sind das Platitüden.

Z.B. die männliche Sucht.
Ich glaube, viele Männer saufen nicht, weil saufen so herrlich männlich macht, sondern weil sie anders nicht ihre weibliche, weiche Seite ausleben können.

Wenn Du schreibst, warum das für Dich so verknüpft ist, dann kann ich was mit anfangen, wenn Du schreibst, "das ist so, Punkt", dann hak ich's ab.

Genauso der Punkt mit der Therapie nach 12 Jahren.
Im Zusammenhang mit der Beziehungsfähgikeit ist mir die Aussage auch so rüber gekommen, daß ein trockener Alkoholiker erst nach 12 Jahren Abstinenz beziehungsfähig wird.
Das ist für mich eine Aussage zum Abhaken.

Im Zusammenhang mit Deiner Erfahrung, daß Du nach 12 Jahren doch noch eine Therapie gemacht hast und daraus die eine oder andere Erkenntnis gewonnen hast, finde ich es wieder lesenswert.

Ich habe für mich persönlich die Erfahrung gemacht, nicht Statistiken und allgemeingültige Erfahrungen über ablaufende Prozesse helfen mir weiter sondern einzigundalleine die Beschäftigung mit dem Prozess, in dem i c h mich g e r a d e befinde.

Oder soll ich jetzt doch noch Komplexe bekommen weil ich dem Geschlecht angehöre, das noch nicht mal in der Lage ist, sich erfolgreich umzubringen?

Gruß, Lissy


F10 2 Offline




Beiträge: 4.679

14.08.2006 14:24
#210 RE: 1 Jahr trocken 1 Jahr nass Zitat · Antworten

Zitat
bist ja ganz schön am Rumschimpfen und Abwerten



hm.....also eigentlich nicht....dann würde ich die rhetorische Keule rausholen und mit Klischees jonglieren, daß es nur so kracht...

Ich hab nur die Wahrnehmung, das es für dich so eine Art perpetum mobile der therapeutischen Arbeit gibt.
Eine ständige Erneuerung von Denkweisen und Strukturen, die der(langsam) fließenden persönlichen Entwicklung diametral gegenübersteht..

Mir persönlich wär das viel zu anstrengend..
außerdem empfinde ich das als lustfeindlich und meine damit nicht die sexuelle Lust sondern die gesamte...

..und manchmal, speziell bei dir , kann ich einfach die Finger net stillhalten..so nach dem Motto: Is der denn drauf!?..einfach just for FUN...
Auch um das Bild zu vervollständigen: So möcht ich nicht sein!
Das meine ich völlig wertfrei und nicht gehässig..

..und meine stabile Abstinenz hab ich mir ersoffen...

Literaturtippp für dich:

Jürgen Rink(Hrsg):
Zur Wirklichkeit der Abstinenzabhämgigkeit

Ist die Abstinenz für ehemals süchtige der zentrale Lebensinhalt und somit eine Ersatzsucht?

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der starke Uwe
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"Ja Mundharmonika, du bist besser als ich dachte.."


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