ZitatGepostet von Friedi Das ist der Überlebenswille, der dem Menschen wohl angeboren ist. Wenn er kapiert, dass es nur noch zwei Möglichkeiten gibt: entweder aufhören oder sterben, besser gesagt verrecken, dann gibt es kein langes Überlegen mehr.
ganz so einfach ist es nicht, glaube ich.
Es gibt ein paar psychologische Ausnahmezustände, da spielt der Überlebenswille keine übermässig grosse Rolle mehr.
Immerhin sterben in Deutschland etwa drei mal so viele Menschen an Selbstmord wie bei Verkehrsunfällen. (ca. 12000 im Jahr) - also es ist nicht grade ne seltene Ausnahme, daß jemand nicht mehr will.
Ich hatte auch mal ein paar Jahre, in denen ich lieber sterben als leben wollte, zuerst hab ich nur damit gespielt, und dann brauchte auch einen absolut ernsthaften Versuch, mein Leben "zurückzugeben", bevor mir dann mal einfiel, daß ich es vielleicht doch haben will (war lange bevor ich mit dem Trinken aufgehört habe)
Wenn das mit dem Überlebenswillen so ausgepägt wäre, würde auch jeder Trinker irgendwann aufhören - sterben aber in Deutschland trotzdem ca. 40000 im Jahr an den Folgen der Sauferei. Der Wechselwirkungskreis Depressionen und Alkohol/Drogen hat da teuflische Konsequenzen. Und zwar egal, ob Du den Drogenkonsum anfängst, um Depris zu bekämpfen, oder ob Du die Depris erst als Folge des Drogenkonsums kriegst - wenn Du dann drinsteckst, wird das Leben automatisch immer schlimmer, während Du auf der anderen Seite immer mehr tun müsstest, um wieder aus dem Loch rauszukommen, und immer weniger Energie dafür hast.
Und ich kenne zumindest aus meiner Saufzeit schon auch noch so Gedanken, daß Sterben eigentlich einfacher wäre, wie den ganzen Scheiss auszuhalten. Und ich glaube, wenn es nicht so wahnsinnig mühsam gewesen wäre, mich totzusaufen, dann wäre es mir auch egal gewesen, zumindest manchmal im besoffenen Zustand. Also ich hab das selbstmörderische da nicht mehr so aktiv betrieben wie viele Jahre vorher, aber die Trinkerei hatte schon ne selbstzerstörerische Komponente. Das Problem ist ja nicht das sterben, sondern das DAVOR.
Es reicht halt bei vielen Säufern nicht zum sauberen Schnitt, sonst würden sich viele vermutlich erschiessen. Aus lauter Feigheit, und weil man sich nicht entscheiden kann, macht man dann Selbstmord auf Raten.
Wenn Dir das Leben so unerträglich erscheint, daß Du meinst, es nüchtern nicht aushalten zu können, dann fehlt da auch schlicht die Motivation, mit dem Trinken aufzuhören. Was willst Du Dich für was bemühen, was Du dann gar nicht haben willst? Auf der anderen Seite Angst vor dem Sterben - aber da nimmt Dir die Sauferei diese letzte Entscheidung Deines Lebens am Ende auch noch ab, denn keine Entscheidung ist auch ne Entscheidung.
Ich glaube, bei manchen besteht das Glück letztlich dann darin, daß es dann eh schon egal ist, wenn eigentlich schon alles egal ist - da kann mans ja sogar noch nüchtern probieren, wenn man eh nix mehr zu verlieren hat, denn mehr als "nicht auszuhalten" kanns nicht werden
so führt der Versuch einer differenzierten Betrachtungsweise doch glatt zu einer undifferenzierten.
Alkoholkrankheit ist auch Selbstmord auf Raten.
Also 12000+40000...
Was ist das Unerträgliche an der Lebenssituation des Superstars oder des (noch) erfolgreichen Managers? Warum säuft der Oberarzt? Wieso trinkt die "glückliche" Hausfrau? Was ist es beim Langzeitarbeitslosen?
Alle diese Feiglinge bringen sich langsam um, bewußt oder unbewußt.
ZitatGepostet von Faust Was ist das Unerträgliche an der Lebenssituation des Superstars oder des (noch) erfolgreichen Managers?
wenn ich Psychologe wäre, dann würde die Antwort heissen, daß beide an ner Narzisstischen Persönlichkeitsstörung leiden, denn sowohl der Superstar wie der erfolgreiche Manager haben ihren Beruf nach dem Kriterium ergriffen, daß irgendein Publikum darüber entscheidet, ob sie sich gut oder schlecht fühlen. Da hat die Dressur, daß man soviel wert ist, wie man leistet, sogar im Übermass gegriffen.
Das macht das lockerlassen sicher nicht einfach, und ich nehme an, daß da die gnadenlose Kritik auch ganz gut ankommt. Und so permanente Versagensängste sind sicher ein traumhaftes Lebensgefühl.
(wir reden jetzt nur von denen, die es unerträglich finden, gibt sicher auch welche mit dickerem Fell)
Na gut, dass mit dem Narzißmus habe ich schon oft gelesen, ist auch irgendwie plausibel, aber auch hier ist kein so pauschales Urteil möglich, denke ich.
Endgültig aufzuhören hatte bei mir nicht mit Vernunft zu tun, kein Überlegen oder Abwägen, geht’s noch oder besser nicht mehr? Es kam wie ein Blitz aus heiterem Himmel, ein plötzlicher Moment der Klarheit, als es mir schlecht wie nie zuvor ging. Das muss der Überlebenswille gewesen sein, verbunden mit einer Spur von Selbstachtung, die sich dagegen aufbäumten, einfach weggespült zu werden.
ZitatGepostet von Friedi Nochmal zu meinem Überlebenswillen:
Endgültig aufzuhören hatte bei mir nicht mit Vernunft zu tun, kein Überlegen oder Abwägen, geht’s noch oder besser nicht mehr? Es kam wie ein Blitz aus heiterem Himmel, ein plötzlicher Moment der Klarheit, als es mir schlecht wie nie zuvor ging. Das muss der Überlebenswille gewesen sein, verbunden mit einer Spur von Selbstachtung, die sich dagegen aufbäumten, einfach weggespült zu werden.
Gruß Friedi
Manchmal muss man sterben ,UM ZU LEBEN. Zuminderst wars bei mir so.Ich habe noch selten so viele kluge Antworten und Meinungen gelesen.ana
Na ja, es saufen ja nicht alle, Bernd. Es saufen nicht alle Hausfrauen, es saufen nicht alle Manager und es saufen nicht alle Arbeitslosen.
Aber generell ist es doch so, daß Alkohol nun mal ne übliche Droge ist und bei den allermeisten Menschen auch erst mal angenehm wirkt. Ob Du jetzt aus geselligen Gründen dazu greifst oder ob Du weisst, daß er ganz einfach wirkt, wie gewünscht, ist ja erst mal wurscht - Du trinkst was und fühlst Dich erst mal besser.
Das ist ja genau das, was der überwiegende Teil der Bevölkerung tut. Und was von der Werbung mit viel Geld auch so beworben oder von Papi vorgelebt wird, also Suggestion spielt dabei sicher auch ne Rolle..
Und warum das bei ca. 10 Prozent der Konsumenten zu problematischen bis lebensgefährlichem Trinkverhalten führt, dafür gibts ne ganze Reihe von Ursachen. Ein Faktor ist garantiert die Tatsache, daß um so mehr Leute die für sie gefährliche Schwelle überschreiten, je üblicher der Konsum in ihrer Kultur ist.
Es gibt ja da diese Modelle, ein Teil ist soziologisch/kulturell bedingt, ein Teil ist genetische Disposition oder sonstige individuelle Geschichten, psychische Gesundheit bzw. Hirnchemie bis Lebenssituation, und ein Teil ist die Wirkung der Droge an sich, die je nach Dosis und Dauer der Einwirkung selbst zu Veränderungen führt.
Aber es ist dann vom Lebensgefühl her auch egal, ob du säufst, weil Du Depris hast, oder ob Du Depris hast, weil Du säufst, Du läufst so oder so im Kreis.
Du brauchst ja nicht mal Depris, wenn Dir nix im Leben besser gefällt als zu trinken, dann ist das Sterben da dran auch nicht schlimmer wie für jemand anderen ein Herzinfarkt beim Sex.
An sich interessieren mich mehr die "psychologischen Ausnahmezustände" aus deinem Beitrag #76 als der ganze allgemeine Kram, den Du da schreibst und den ich ja auch kenne, minitiger.
gut, dann lass uns über die psychologische Ausnahmezustände ein bissel diskutieren. Die Frage ist nur, ob ich Dir das, wie ich es erlebt habe, überhaupt so erklären kann, daß Du es verstehst. Das ist ja auch wieder so was wie die Geschichte von dem Blinden, dem man die Farben nicht erklären kann, wenn auch eher umgekehrt.
Jedenfalls war mir mein Leben als ganzes über Jahre hinweg einfach egal, ich fand nix dran, ich hatte kein Gefühl dafür. Ursprünglich hatte ich nicht mal überdurchschnittlich grosse konkrete Probleme, es gab auch einiges, an dem ich Spass hatte, aber das Leben insgesamt war einfach bääh.
Es war halt so ein Gefühl, das Leben ist schön, solange es wirklich schön ist, solange ich was mache, was mir wirklich Spass macht, aber wenn ich für den Spass erst mal was tun muss, was mir weniger bis keinen Spass macht, was soll dann das ganze? Ist doch ein Nullsummenspiel, das Leben, viel Aufwand für nix, das Ende steht doch sowieso fest.
Irgendwo zwischen Nihilismus und Depression, denk ich mal. Sinnentleert.
Und um auf so Leistungsfreaks zurückzukommen, ich glaube, viele strampeln sich nur deswegen so ab, arbeiten wie die blöden, weil sie damit eben dieser inneren Leere aus dem Weg gehen können, und damit sie Anerkennung kriegen, weil ohne Anerkennung wenig von ihnen über bleibt.
Dein guter Onkel Karl Marx hatte es mal mit der Selbstentfremdung durch fremdbestimmte Arbeit...da ist schon was dran. Ich hatte bei fast allem, was mir so erzählt wurde, was ich im Leben tun soll, das Gefühl, daß das mit mir als Person eigentlich wenig zu tun hat. Daß ich das tun soll, damit ANDERE das gut finden.
Hier soll ja jetzt auch keine umfassende Erklärung des Alkoholismus als individuelles oder gar Massenphänomen heraus kommen.
Aber freundlicherweise hast Du einen wesentlichen Aspekt berührt, der gerne außer Acht gelassen wird.
Zu aller erst muß sich der Mensch um die Befriedigung seiner Grundbedürfnisse kümmern, falls er leben im rein biologischen Sinne will. Ob ihm das Spaß macht oder nicht. Und dieser Anteil am Tage und der "Aufwand" und das Bild, das er dabei abgibt, sind ja nun entgegen aller Unkenrufe nicht ganz unwesentlich.
ZitatEs war halt so ein Gefühl, das Leben ist schön, solange es wirklich schön ist, solange ich was mache, was mir wirklich Spass macht, aber wenn ich für den Spass erst mal was tun muss, was mir weniger bis keinen Spass macht, was soll dann das ganze?
Hi mt !
Du hast tatsächlich damals was gefunden, was dir Spaß macht ? ( Ich meine jetzt unabhängig von mit Naturdrogen rumhantieren und dich und deine Mitschüler fühlen lassen wie in einem Hironymus Bosch Gemälde )
Ich kann mich an Zeiten erinnern, da hat mir nix Spaß gemacht, ich fühlte mich dauergetrieben und irgendwie verweifelt, und ich klaue mir mal dein Wort : sinnentleert.
ZitatGepostet von Faust Zu aller erst muß sich der Mensch um die Befriedigung seine Grundbedürfnisse kümmern, falls er leben im rein biologischen Sinne will.
ja, und der Umkehrschluss lautet, wenn ichs schaffe, daß mir das Leben ganz egal ist, dann kann ich auf Unannehmlichkeiten wie Arbeiten und so ganz einfach verzichten.
Du kannst Dich dann in so einen richtig schrägen Denkkreislauf bringen, daß eh schon alles wurscht ist. Dann kannst Du dir noch ein paar aussergewöhnliche Erlebnisse verschaffen, denn es kommt ja eh auf nix mehr an, ja und dann ganz plötzlich merkst Du, daß Du damit ein Gesamtkunstwerk bist, daß man doch nicht so einfach wegschmeisst
"Das muss der Überlebenswille gewesen sein" // Ich plädiere für 'Lebenswille auf eigenen Füßen', weil auch ich in Ganzheit mich aufgerufen fühle, mich am Leben zu beteiligen - und nicht bloß zu schauen wie ich mit dem Arsch an die Wand komme. Max
ZitatGepostet von Beachen Du hast tatsächlich damals was gefunden, was dir Spaß macht ?
nicht mehr, als es wirklich abwärts ging. Ich meine jetzt als Eingangsvorraussetzung, da war noch nicht alles Mist, Klettern fand ich zum Beispiel geil, und wenn ich diese ganzen Experimente nicht angefangen hätte, hätte es möglicherweise auch anders ausgehen können.
Also ich glaub eigentlich schon, daß meine selbstgebastelten Drogen das ihrige zu meinem Zustand dazutaten. Und daß das halt ne Wechselwirkung war - je wurscht, desto Risiko, und die nächste Umdrehung.