wie schon in diversen Beiträgen angekündigt, behagt mir, je länger ich alkoholabstinent lebe, das Wort "Trockenheit", bzw. "trocken sein" nicht mehr. Warum?
Da steckt mir einfach zuviel Wertung drin. Ab wann bin ich "trocken", sogar "zufrieden trocken"? Wer entscheidet das? Ich, meine Gruppe, die "höhere Macht", meine Verbandsoberen? Außerdem klingt "Trockenheit" für mich so nach Staub + Dürre.
Ich stelle mich inzwischen so vor: Viktor, Alkoholiker, alkohol- und nikotinabstinent.
Nur weil ich es geschafft habe, meine stoffgebundenen Süchte im Griff zu haben, habe ich weiterhin eine Suchtstruktur in mir, die sich immer mal wieder ihre Wege zum Ausleben sucht und findet. Damit werde ich bis zum Ende leben (müssen).
Ich bin zwar in meinem persönlichen Leben ein ziemlicher Schlamper, aber je älter ich werde, desto mehr geht mir auf, welche "Macht" Worte haben. Daher versuche ich inzwischen, sehr genau zu sein. Und da jeder wohl für sich was anderes meint, wenn er sagt, er sei "trocken", verwende ich lieber das Wort "abstinent". Das ist für mich eindeutig: ich konsumiere keine Alkohol mehr - aus, Äpfe, Amen. Wie ich mein abstinentes Leben gestalte und wie zufrieden ich bin, das ist dann ein anderes Thema.
Wenn ich aber sage, ich bin "trocken", impliziert das für mich eine Wertung meines Lebens (lt. div. Trockenheitspäpsten, -gurus und -bibeln)
Servus, Vicco - na, dem is aus meiner Sicht nix hinzuzufügen, ein Blick auf meine persönlichen Informationen in meinem Saufnix-Profil zeigt, dass diese Ausdrucksweise/Formulierung mir auch wesentlich angemessener und passender scheint - und zwar aus sehre ähnlichen Gedankengängen heraus.
LG IngMarie
~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~ Einfach tun. Der beste Zeitpunkt dafür: immer genau jetzt.
meistens bezeichne ich mich als trocken...aber nur in dem sinn als das ich keinen alkohol mehr trinke...ne wertung ist damit für mich noch nicht gegeben...auch die bezeichnung abstinenz wird von mir für mich verwendet...ebenfalls ohne damit mein handeln und denken zu werten...ich mache mir also nicht die großen gedanken was ich mit den beiden worten anderen menschen signalisiere...ich komme nüchtern so rüber wie ich in dem moment drauf bin...authentisch also...thats life... und das kann ich nur wenn meine seele nicht mehr durch ein suchtmittel manipuliert wird...alles andere ist nebensächlich...
na ja...fast alles andere...ne knappe stunde noch...dann hab ich URLAUB...
Ich benutze meist auch das Wort "trocken", weil es halt die gängige Bezeichnung für alkoholabstinent in der Gesellschaft ist. Ansonsten ist es eigentlich nur Wortklauberei, wie man es bezeichnet, dass man keinen Alkohol mehr trinkt
Wenn die Musik beginnt, dann dreht sich der Tanzbär...
klar ist das Wortklauberei den "normalen" Menschen gegenüber. Wertung habe ich in der Selbsthilfeszene erfahren. Da gibt es eben solche Wortklauber, die sagen, Du bist doch nicht trocken, weil ... Und dann kommen die ganzen Unterstellungen und Beurteilungen.
Gruß Viktor, der einen schönen Urlaub wünscht (Neid)
Ja Viktor, das ist auch oft so. Aber auch dort macht es doch keinen Unterschied, finde ich. Natürlich kann man Definitionen machen, ab welchem Zeitraum jemand trocken ist, was Trinkpausen bezeichnet - was Rückfälle oder nur Ausrutscher sind. Aber wem hilft das? Stolpertrocken ist auch so ein schöner Begriff - ist jemand trocken, auch wenn er Kefir trinkt? Sogar in Fisherman's sind Alkohole drin - und ich esse auch Tiramisu.
In meiner Gruppe gibt es auch viele Definitionswütige, allen voran natürlich die gelernten Suchthelfer. Finde ich schade
Wenn die Musik beginnt, dann dreht sich der Tanzbär...
ZitatGepostet von vicco55 je älter ich werde, desto mehr geht mir auf, welche "Macht" Worte haben.
Willkommen im Club
Mir sind 'Abstinenz' und 'Trockenheit' als Worte fast schon zu stark, um zu beschreiben, was ich fühle. Das ist nämlich in der Summe ganz einfach: "Ich trink' nix, weil's mir gut tut."
It is no measure of health to be well adjusted to a profoundly sick society. J. Krishnamurti
Für mich ist es eigentlich auch ohne Bedeutung, ob ich mich als "abstinent", "trocken" oder "clean" bezeichne. Ich betrachte mich eher als "frei", dieses Gefühl ist mir am Wichtigsten.
LG
Mugge
"Tu erst das Notwendige, dann das Mögliche, und plötzlich schaffst du das Unmögliche." (Franz von Assisi)
ich hab zwei-drei Jahre gebraucht, bis ich überhaupt offen formulieren konnte: Ich bin Alkoholikerin, heute trocken.
In meiner SHG fang ich immer so an. Weil ich mir so merke, wielange meine innerliche Abwehr gegen diese Formulierung bestand, weil ich mich nicht auf eine Stufe mit meinem alkoholkranken Stiefvater stellen (lassen) wollte.
Das Wort abstinent ist mir irgendwie zu wenig. Hat für mich eher was von "mal eine Weile abstinent bleiben und dann mal schauen".
@Inessi: Ging mir eine ganze Weile auch so, aber zugeben wollte ich es auch nicht. Wenn in unserer Thera-Gruppe ein neues Mitglied kam (passiert da ja nicht so sehr oft) habe ich es anfangs auch vermieden. Ausrede, als ich drauf angesprochen wurde: "Ist doch klar, warum wir da sind!" Mittlerweile hab ich das aber verinnerlich und keine Probleme mehr, es auszusprechen - auch gegenüber fremden Ärzten z.B. nicht mehr, wenn ich dort bin und es für die Behandlung relevant ist. Meistens ernte ich dafür nur positive Reaktionen - "schlimmstensfalls" gar keine
Wenn die Musik beginnt, dann dreht sich der Tanzbär...