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Saufnix  
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 Akute Hilfe
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F10 2 Offline




Beiträge: 4.679

16.07.2017 19:08
#76 RE: Der Vorhang zu Zitat · Antworten

Zitat von Friedi im Beitrag #75
Das "nur-für-heute-Prinzip" hat doch nichts mit kämpfen, krampfen usw. zu tun.


Doch bei einigen schon...ich könnte das jetzt verlinken..Sprüche wie:"Auch nach 20 Jahren nur einen Schritt vor´m Abgrund, aber HEUTE wieder geschafft"

zu Hunderten..

Zitat von Friedi im Beitrag #75
Wenn es in der Anfangszeit der Abstinenz noch als tägliches Erfolgserlebnis empfunden wird, sehe ich darin eine gute Motivation zum Weitermachen.


Da stimme ich dir zu 100% zu! :-)

_____________________________________________________________________________________
Auf MEINEM eigenen Weg kann mich keiner überholen.


vicco55 Offline




Beiträge: 2.649

16.07.2017 19:11
#77 RE: Der Vorhang zu Zitat · Antworten

Mir war vor dem Aufhören klar, daß die Entscheidung zur Abstinenz eine Entscheidung "bis das der Tod uns scheidet" ist (*). Klare Ansage, Hintertüren zumachen. Ich habe das aber eher zähneknirschend akzeptiert, war keine Überzeugung dahinter. Die kam dann mit den Jahren.

Das 24-Stunden-Prinzip finde ich für den Anfang ganz hilfreich - boah, wieder einen Tag geschafft. Bzw. bei Suchtdruck die Ansage, die nächste Stunde, die nächsten 15 Minuten ... trinke ich nicht. Kurze, überschaubare Zeiträume. Aber das war es auch schon.

(*) Stimmt nicht ganz Ein ganzes Leben erschien mir mit Ende vierzig doch ganz schön lang; also habe ich mir gesagt, die Entscheidung gilt bis zu meinem 70.Geburtstag - dann werde ich ungefähr so lange abstinent sein, wie ich gesoffen habe. In gut einem Jahr werde ich nun 70. Was nun? Nun, wer mich kennt, weiß daß ich hier kokettiere Aber am Anfang meiner Abstinenz hat mir mein Gedankenkonstrukt geholfen, den Druck aus dem 'lebenslang' rauszunehmen. Nasse Hirnwixerei halt. Aber mei, ich bin jetzt über 20 Jahre abstinent.


newlife ( gelöscht )
Beiträge:

17.07.2017 07:06
#78 RE: Der Vorhang zu Zitat · Antworten

Mir war vor dem wiederholten Aufhören gar nix wirklich klar. Ich wollte ja zunächst gar nicht so richtig. Zur Entgiftung hat man mich mehr oder weniger hingeschleppt.
Ich hab dann im weiteren Verlauf aber wieder Lust aufs Leben bekommen. So in etwa, wenn man immer und immer wieder probiert, klappts irgendwann doch mal. Ich hatte es einfach satt zwischen Suff und Entzügen nur noch dahinzusiechen. Und dann hab auch ich es mal geschafft, eine nachhaltige Veränderung herbeizuführen.
Mehr sage ich nicht dazu. So hin und wieder kamen Personen wieder zum Entgiften, eine Frau nach 17 Jahren Trockenheit...
Du kannst nicht wissen, was kommt. Du weisst auch nicht, wann du mal den Löffel abgeben wirst und es ist gut so, dass wir nichts über zukünftige Ereignisse wissen. Ich lebe einfach nüchtern weiter und bin vorsichtig, was Äußerungen dahingehend angeht, dafür hab ich zuviel erlebt.


MichaelKleeberg2 Offline



Beiträge: 312

17.07.2017 07:45
#79 RE: Der Vorhang zu Zitat · Antworten

Das sehe ich genau so und finde es völlig in Ordnung.
Schließlich bleibt ja die Zeit der Trockenheit als Gewinn in der Lebensbilanz. Auch wenn ich nach 17 Jahren wieder trinke und erst im 19.Jahr wieder entziehe.
Ich glaub, wir mit unseren gebrochenen Lebenswegen denken generell mehr über Sinn und Ziel nach.


Bodhisattva Offline




Beiträge: 1.434

19.07.2017 14:44
#80 RE: Der Vorhang zu Zitat · Antworten

Servus Susanne,

ein Erinnerer-Prinzip, ich glaube das gibt's jetzt nüt in der Literatur oder als wissenschaftlich-fundierte Theorie oder so etwas. Wenn Du selbst tief genug in Dich reinschaust, dann wirst Du es spüren, dass alles in Dir ist um heile zu sein und - dass es schon immer so war und auch immer so sein und bleiben wird.

Ein wirklich guter Therapeut oder meinetwegen auch eine gute SHG die ist das beispielsweise: Ein Erinnerer, dass alles schon in Dir steckt, da muss nix groß repariert werden und die ganzen alten Glaubenssätze: Ich bin nicht okay, so wie ich bin und muss mich daher bessern oder Schuld und Strafe, Erlebnisse der Vergangenheit sind schuld am JETZT, oder gerne auch nachzulesen und jeden Tag zu beobachten: Mir fehlt etwas sehr Wichtiges und ich muss sehen, dass ich es bekomme: Geld, Bildung, Anerkennung Zeit, Liebe, Intelligenz usf. etc. pp., sonst kann ich endgültig abstinken und kämpfen, sonst werde ich untergebuttert. Und jetzt die Best of: Von Nichts kommt nichts (gelogen!), ich bin verantwortlich für meine Frau, meine Kinder und sonstige Behinderte (gelogen!), ich weiß Bescheid (gelogen!). Mit diesen Glaubenssätzen erschafft sich jeder seine eigene Welt und die ist nicht real, wie ist es denn: Aus dem Nichts entsteht alles.

Wie viele Menschen rennen zum Therapeuten mit der Zielsetzung, dass er sie heile machen soll, dabei kann er den Erinnerer spielen wenn er wirklich gut ist, da knüpft dann auch Empowerment und Salutogenese an. Und wehe der Therapeut macht einen nicht heile und gibt einem nicht die Erlösung, au-au-au und weiter geht's weil's von außen keine Hilfe gab (die mein Ego so dringend benötigt): Schuld sind die anderen Menschen, Gott ist außerhalb von mir, der Nachbar ist ein Dreckspatz, Alkohol ist böse, weil meine Frau so böse war trinke ich jetzt 10 Bier, das hat sie davon, die Welt hat es verdient, weil sie schlecht ist.

Warum verstehen so wenige Menschen, dass sie der Schöpfer ihrer eigenen Welt sind???

Kurzum: Den ganzen Dreck den jeder Mensch so erlebt hat und explizit Süchtige wie wir, den ganzen Dreck den kann man auch in Gold umwandeln anstatt daran zu verzweifeln. Heißt ja für uns Alkis wir können noch ordentlich Gold machen.

Grüße, Bodhi

Einfach SEIN- genügt völlig und mehr geht auch nicht. Das ist das volle Glück.


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newlife ( gelöscht )
Beiträge:

19.07.2017 17:26
#81 RE: Der Vorhang zu Zitat · Antworten

Hi Bodhi...
aber du selbst musst schon ausm Ei kommen. Wenn ich jetzt einfach mal abwarte, was so passiert, dann passiert ja in aller Regel nix. Es passiert keine Veränderung. Du einnerst dich (ich bin jetzt mal der Erinnerer), ich hatte das ja damals so probiert.
Erwachen und auch Handeln. Dazu braucht es Motivation, Lust und auch Mut. Die Voraussetzungen sollten gegeben sein, damit du mit deiner Schöpfung beginnen kannst. So manche Aspekte die du genannt hast, Liebe, Anerkennung, etc. betrachte ich dann eher als Resultat. Das stellt sich ein, wenn du dich auf den Weg machst. Deine Veränderungen die du lebst, werden ja wahrgenommenen und dir auch rückgemeldet. Oft sind das Blicke und Gesten deines Umfeldes. Hab ich in der ersten trockenen Zeit oft gehabt. Du schaust anders in die Welt und die Welt schaut dann auch anders zu dir.


1 Mitglied findet das Top!
Susanne Offline



Beiträge: 368

23.07.2017 15:51
#82 RE: Der Vorhang zu Zitat · Antworten

Hallo zusammen,

vielen, vielen Dank für Eure für mich so wertvollen Beiträge.
Ich ziehe aus jedem etwas, das einen weiteren kleinen Baustein zu meinem neu zu bauenden geistigen Fundament einer zukünftigen entspannten Abstinenz ergibt.

Letzten Freitag war ich bei Tag 49 und der Tag 50 gestern war für mich schön, da ich mit 49 abstinenten Tagen im Januar / Februar diesen Jahres dann erst einmal wieder nicht mehr ohne Alkohol weiter konnte bzw. meinte, nicht weiter zu können. Anlass damals war einerseits ein nichtiger, andererseits ein typischer: Eine missliche Gemütslage mit sowohl ambivalenten als auch eindeutig negativen Vorzeichen, aus der ich keine andere Form der Erleichterung und der Flucht, von Bewältigung gar nicht zu reden, fand.
Ich hatte mir damals auch nicht viel vorgenommen; es war eher so ein: „Mal gucken, wie weit ich komme“-Gedanke.

Jetzt ist es anders, jetzt ist es von mir richtig zukunftsweisend gemeint.
Mit den 49+ habe ich nun das gute Gefühl, mich schon einmal etwas „freigeschwommen“ zu haben, also mit Unterstützung in der Motivationstruppe, hier des Forums und der angepeilten Reha bin ich nicht mehr so allein und völlig nur auf mich als Reservoir für Kraft und Stärke angewiesen, wie im Februar. Ich fühle mich nicht mehr so sehr wie ein Blatt im Trinken / Nichttrinken-Wind, sondern um ein Bedeutendes stabiler.

Nach sieben Wochen ohne Suchtmittel fühle ich mich gut. Der „Krankheits“-Begriff beim alkoholkrank sein – das finde ich sehr ambivalent. Es ist sicherlich eine Erleichterung, auch historisch im Umgang mit Alkoholabhängigen gewesen, das Trinken nicht nur ehr- und haltlosen Charakterschweinen zuzuordnen. Da ist sicherlich mal ein Quantensprung geschehen. Dennoch: Krank ist für mich, wenn man Masern oder Blinddarmentzündung hat. Da kann man selbst auch nichts machen, da braucht man den Spezialisten. Bei meinem Alkoholkonsum kann ich zwar Hilfe holen, aber mein Wunsch, anders und besser zu leben, ist das Zentrale.
Was ich aber mache, das ist, dass ich mehr Rücksicht auf mich nehme. Also ich schone mich mehr. Manche Dinge verschiebe ich sogar. Zum Beispiel hatte ich letztens Sperrmüll angemeldet und war jedoch nach der Arbeit so schrecklich müde – ich konnte mich nicht mehr überwinden, an dem Abend die Sachen aus dem Keller hoch zu schleppen. Ich hab `s gelassen, einen neuen Termin für August gemacht und mir auch vorgenommen, jemanden zu bitten, mir zu helfen. Geht doch…

Körperlich geht es mir gut, ich ruhe mich zwar auch gern aus und schlafe gut (was für ein Gewinn!!!), arbeite aber auch gern und hart freitags und samstags jeweils mehrere Stunden in meinem Garten. Was meine Nerven angeht, bin ich vom Überlernen von Situationen, die früher mit Alk verbunden waren, deutlich besser dran als vor 16 Jahren beim Nichtmehrrauchen: Da hatte ich ja morgens um 7 Uhr zum Kaffee schon die erste Zigarette geraucht und bis abends ging das zum Schluss 30 Mal pro Tag so weiter. Alle die mit dem Rauchen verbundenen Situationen wollten und mussten "überlernt" werden. Da ich ja selbst zum Schluss beim Trinken so gut wie nie tagsüber getrunken habe, muss ich - was das angeht - nur selten gegen das Verlangen, zu trinken, ankämpfen. Nicht den ganzen Tag lang über. Das schont echt die Nerven.

Dennoch bin ich porzellanladenmäßig vorsichtig unterwegs und auch vorausdenkend; zum Beispiel wird ein Tag der nächsten Woche kritisch, da eine berufliche Situation, die einer Prüfung ähnelt, Anlass und Potenzial sowohl zum Erleichterungstrinken als auch zum Frustrationen-Wegtrinken bieten wird. Diese beschissene Janusköpfigkeit des Alkohols.
Gefahr erkannt – Gefahr gebannt? Ich habe schon einen Plan gemacht und mich mit jemandem, der von Hause aus keinen Alkohol trinkt, direkt vom nach der Arbeit verabredet. Da freue ich mich drauf. Und anschließend ab in mein alkfreies, sicheres und friedliches Zuhause.

Stroh zu Gold spinnende Grüße ;-)
Susanne

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Optimismus ist, bei Gewitter auf dem höchsten Berg
in einer Kupferrüstung zu stehen und »Scheiß Götter!« zu rufen.
(Terry Pratchett)


Randolf Offline




Beiträge: 1.182

24.07.2017 07:58
#83 RE: Der Vorhang zu Zitat · Antworten

moin Susanne,

liest sich doch ganz gut. Sieben Wochen - ha, das war für mich zu nassen Zeiten eine Art Gegenbeweis-Übung zum Jahresanfang,
ich nannte es "sieben-Wochen-in-der-Wüste" - wo ich danach wieder loslegte.

Wie sieht's denn mit deinem Nervenkostüm aus? Bist du empfindlicher geworden?
Das ist mir noch in Erinnerung - Euphorie und Dünnhäutigkeit in der ersten Zeit. War aber glaub ich erst später, ich hab nach
einigen Monaten ohne Sprit zu diesem Forum hier gefunden und dann darüber geschrieben.

Alles Gute weiterhin

LG

"Wenn du ein Problem hast und es nicht haben willst, hast du bereits zwei. "


Susanne Offline



Beiträge: 368

24.07.2017 12:37
#84 RE: Der Vorhang zu Zitat · Antworten

Zitat von Randolf im Beitrag #83


Wie sieht's denn mit deinem Nervenkostüm aus? Bist du empfindlicher geworden?
Das ist mir noch in Erinnerung - Euphorie und Dünnhäutigkeit in der ersten Zeit.

LG



Moin Randolf,

Euphorie empfinde ich nicht, aber jetzt auch nach dem Überspringen der „49er-Linie“ eine leicht steigende Zuversicht.
Gemischt mit dieser porzellanladenmäßigen Vorsicht im Umgang mit mir und meinen Gefühlen.

Der so sehr gute Schlaf, den möchte ich nochmals hervorheben. Ich stelle mir momentan den Wecker 15 Minuten früher, nur um das tolle Gefühl, ausgeruht aufzuwachen, genießen zu können. Wenn ich an die schrecklichen Nächte mit dem gigantischen Herzklopfen, dem ständig unterbrochenen Schlaf und langen Wachliegen zurückdenke und an das Gefühl der Zerschlagenheit am Morgen und frühen Vormittag, dann fühle ich mich für die Herausforderungen des kommenden Tages schon deutlich besser gerüstet. Nur schon `mal allein durch den besseren Schlaf.

Und, wie am Beispiel Sperrmüll, ich gönne mir mehr Ruhe. Ich peitsche mich nicht mehr so sehr durch meine to-do-Listen oder sonstiges. In der Gruppe wurde ich einmal gefragt, was ich denn gern mache, um mich zu entspannen. Ich sagte „Schwimmen“ und schilderte dann, wie ich um 5:30 Uhr aufstehe, um um 7 Uhr am Schwimmbad zu sein, 1000 Meter –also 40 Bahnen- schwimme, mich beeile um den Bus zu bekommen und Punkt 8:30 Uhr am Schreibtisch sitze. Während ich das erzählte, merkte ich dann selbst, dass das nicht nach Entspannung klang sondern nach ganz eng getakteter Anspannung. Ich hab `s jetzt einmal mit nur 500 Metern versucht und hab `s überlebt ;-)

Dennoch: Schwierige Situationen würde ich gern abends abstreifen wie zu enge Schuhe. Das klappt nicht wirklich gut. Beispiel: Wir hatten letzte Woche eine Begehung zu Brand- und Arbeitsschutz. Gute Sache, natürlich. Alle zwei Jahre ist das. Aber der externe Typ! Klein, O-beinig, machtbewusst, tat so, als ob wir unsere Besucher und Kunden gern alle brennen sähen. Und nur Dank seiner nimmermüden Arbeit gegen unsere komplette Ignoranz wird das Schlimmste verhütet. Gut, jetzt bringen wir eben auch noch Piktogramme an, die zeigen, dass man im Brandfall auch aus der 1. Etage springen kann. Und unter die Radios und thin clients und Telefone kommen auch noch Keramikfliesen… mannmannmann, da ist der halbe Schreibtisch gefliest. Es ist ja nicht so, dass ich seine Kritik als narzisstische Kränkung empfinde, aber seelischer Gleichmut sieht anders aus. Es war des Zwerges Art, die so langsam den Ärger in mir hoch kochen ließ. Aber das kann ich wegstecken, in der Situation selbst. Abends jedoch, nun, da fehlt mir noch eine gute Strategie. Jajaja, Sport oder ein schöner Tee (äbäh) oder ein langer Spaziergang… Früher war es so wie von Tucholsky beschrieben:

„Die blauen Schleier der Dämmerung senken sich auf Bäume und Sträucher, und auf den Wegen gehen die eingeklammerten Liebespaare und töten die Chefs, vernichten den Konkurrenten, treffen die Feindin mitten ins falsche Herz. Das Auditorium ist dankbar, aufmerksam und grenzenlos gutgläubig. Es applaudiert unaufhörlich. Es ruft: »Noch mal!« an den schönen Stellen. Es tötet, vernichtet und trifft mit. Es ist Bundesgenosse, Freund, Bruder und Publikum zu gleicher Zeit. Es ist schön, vor ihm aufzutreten.
http://www.textlog.de/tucholsky-abends-sechs.html

Und die immer wieder einmal aufkommenden plötzlichen Traueranfälle, die mit dem Tod meines Mannes zusammenhängen. Sie sind seltener geworden und vor allem nicht mehr in dieser wilden Verzweiflung und Schärfe wie 2015 und 2016. Heute überfällt mich die Trauer nicht mehr wie ein alles verschlingender Gefühlstsunami, auch jetzt nicht, ohne Alkohol. Letztens sah ich, als ich an der Bushaltestelle wartete, einen Saab, gleiches Modell und Baujahr wie der, mit dem wir immer in Urlaub fuhren, einkauften, Ausflüge machten. Das Auto ist ja nicht mehr so häufig zu sehen. Und da musste ich doch an all die guten Jahre und die schönen Zeiten denken und habe weinen müssen, so still und leise, weil ich wieder vergegenwärtigte, wie groß der Verlust ist. Aber es war nicht so Herz zerreißend.

Und trinken wollte ich auf gar keinen Fall.
Und dann war irgendwann auch das Weinen wieder vorbei, der Bus kam und das Leben ging weiter.

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Optimismus ist, bei Gewitter auf dem höchsten Berg
in einer Kupferrüstung zu stehen und »Scheiß Götter!« zu rufen.
(Terry Pratchett)


Randolf Offline




Beiträge: 1.182

24.07.2017 22:02
#85 RE: Der Vorhang zu Zitat · Antworten

hallo Susanne,

ich hatte das "Glück" damals keinen Job zu haben und mindestens ein halbes Jahr im geschützten Zuhause zu sein.

Keine Ahnung wie ich mit beruflichen Stress-Situationen umgegangen wäre.

Ja, das mit der fehlenden Abend-Strategie....dieser Mangel ist auf Dauer nicht mit Spazierengehen, Sport, Hobby - eigentlich mit gar nichts
zuzudecken. War bei mir ein Gefühl der Sinnlosigkeit, ein Stadium des "wohin-solls-denn-nu-gehen?" - nicht sehr angenehm....

Aber wie sich's noch rausstellen sollte, unbedingt notwendig. Ist wie so ein Übergangs-Klima; das Alte ist weg und das Neue noch nicht in Sicht.
Ich wusste nicht, wo ich hin gehöre.

Wie gut dass es ein universell gültiges Gesetz gibt: "Auch das wird vorüber gehen."

Wünsch dir was

Lg

"Wenn du ein Problem hast und es nicht haben willst, hast du bereits zwei. "


Susanne Offline



Beiträge: 368

26.07.2017 21:12
#86 RE: Der Vorhang zu Zitat · Antworten

Zitat von Randolf im Beitrag #85

Ist wie so ein Übergangs-Klima; das Alte ist weg und das Neue noch nicht in Sicht.


Ja, gute Beschreibung. Ich halte das momentan auch eher aus, so eine Art Vakuum, als dass ich hektisch nach irgendeiner Art von "Füllmaterial" suche. Ist aber nicht einfach.

Ansonsten bin ich heute richtig happy:
Die "prüfungsähnliche Situation", vor der ich schon ziemlichen Bammel hatte und die genau 2 Stunden dauerte, habe ich mit Bravour bestanden.
Jaja, meine guten Ergebnisse aufgrund meiner exellenten Arbeitsweise sowie perfekter Strukturierung, Dokumentation und Evaluation wurden nun auch von externer Seite gebührend gewürdig und entsprechend protokolliert. (Ich hoffe, dias Quäntchen Selbstironie kommt ein wenig `rüber...)

Damit bin ich mit den wirklich, wirklich schwierigen beruflichen Situationen für dieses Jahr durch!
Und das alles geschafft ohne Alkohol in den letzten 54 Tagen!
Und ich habe noch den Löwenteil meines Jahresurlaubs vor mir!
Und mein Sohn war bei der Studienberatung und macht mit denen einen konkreten Plan für die weiteren Semester!

Und alle Werte, auf die mein vieles Blut vom letzten Freitag hin getestet wurde, sind super.
Das löst ein großes Gefühl der Dankbarkeit für den körperlichen Anteil meines Seins aus.

Der Doc hat außerdem die drei Seiten für den Rentenversicherungsträger ausgefüllt, dazu lege ich die Expertise von Fr. Dr. Idi Alaaf (die übrigens sehr sachlich und differenziert formuliert ist; da ist nichts auszusetzen und sie empfiehlt ja ebenfalls eine "Entwöhnungsbehandlung"), beide schreiben als Diagnose F10.2, da musste ich echt lachen, denn ich kenne mich mit den Diagnoseschlüsseln und Abkürzungen so gar nicht aus und da erst ist mir klar geworden, dass Uwe sich so seinen Nick ausgewählt hat. Das nenne ich mal: Progressiv.

Und bei Allem hatte ich heute kein Bedürfnis, die Erleichterung und Freude und das gute Gefühl von vor mit liegenden guten Wochen mit Alkohol zu toppen. War so "schön genug". Einfach - schön. Punkt.

Viele Grüße,
Susanne

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3 Mitglieder finden das Top!
newlife ( gelöscht )
Beiträge:

29.07.2017 18:28
#87 RE: Der Vorhang zu Zitat · Antworten

Randolfs Beitrag ist mir letzte Woche schon aufgefallen. Ich schätze seine Beiträge sehr, aber es zeigt auch sehr deutlich, wie unterschiedlich das wieder ist.
Ich hatte das 'Glück' eine Arbeit zu haben, manchmal auch etwas stressiger, aber nicht immer. Ich hatte auch das Glück, dass ich Kollegen und Kolleginnen hatte, denen ich nicht völlig egal war. Sie haben es ja veranlasst, dass ich wieder mal entgiften gehe. Den Chefs war das ja wurscht und mir selbst damals auch.
Was hätte ich denn gemacht, wenn ich gar kein soziales Umfeld mehr gehabt hätte? Zugedröhnt bis zum Umfallen. Mehr fällt mir da gerade nicht zu ein. Ich wäre wohl auch mal gegangen, wenn ich wieder völlig am Boden gelegen wäre, was aber nicht heißt, dass ich aufgehört hätte.
Ich brauchte irgendwo den Druck von außen. Denn Arbeit war und ist für mich elementar und ich wusste schon, dass ich abkacke ohne Arbeitsstelle. Dadurch habe ich immer noch versucht, so etwas im Leben zu bleiben trotz starker Sucht.
Ja, und im Nachgang empfand ich das auch wieder als hilfreich, auch um auf andere Gedanken zu kommen und so nach und nach bin ich ja auch gewachsen.
Ich bin und bleibe irgendwo ein Suchtbolzen. Ich arbeite nicht gerade wenig, auch privat so einiges am PC und ich weiss nicht immer, wann ich aufhören sollte. Aber ich bin eben produktiv und da mein Gehirn nicht mehr vermatscht ist, lache ich dann auch mal wieder darüber, wenn ich wieder mal nicht zum Einkaufen kam.


Susanne Offline



Beiträge: 368

01.08.2017 22:12
#88 RE: Der Vorhang zu Zitat · Antworten

Hi newlife, das finde ich schön, dass Du Kolleginnen und Kollegen hattest, die das (Dein) Elend nicht einfach an sich haben abprallen lassen. Zu veranlassen, dass Du Dich in eine Entgiftung begabst, bedeutete ja jede Menge lebenserhaltende Zuwendung für Deine Person– Chapeau!
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Ansonsten habe ich vordergründig ein Luxusproblem:
Ich möchte, wenn ich Urlaub habe, gern verreisen. Und nüchtern bleiben. Tja.

Ich fahre auf alle Fälle allein. Meine zweite Reise allein. Ich fahre mit einem Reiseunternehmen, bei dem ich mich um nix selbst kümmern muss.

Bei der einen Reise gibt es viel Kultur und Landschaft zu sehen und abends beim Abendessen sind Rot- und Weißwein inklusive. Bei der anderen Reise gibt es etwas mehr Kultur und ein kleines bisschen weniger Landschaft zu sehen und abends im Hotel muss man sich sein alkoholisches Getränk selbst bestellen und bezahlen. Ich grübele da seit zwei Tagen, nicht zu fassen. Ich traue mir nämlich die all-inklusive-Variante nicht zu. Ich höre es da deutlich „Hochrisiko“ munkeln. Andererseits begeben sich sofort die Hedonisten auf die Startplätze und rufen: Quatsch, Du wirst sehen, die Reise wird ohne Alk viel viel toller als mit; lass dich nicht ins mentale, lustfeindliche B&B- Bockshorn jagen!

Ich könnte ja auch zu Hause bleiben. Och nö. Ich arbeite so viel und ich möchte so gern die paar Tage in den Süden. Ich möchte Freude! Schöne Tage! Locker lassen! Neues sehen! Auch mal ein bisschen weg sein von zu Hause. Ich weiß aber auch, wie es letztes Jahr am Lago Maggiore war: Ich ließ mir gepflegt die Weinkarte reichen, wählte einen leichten Weißwein vom Gardasee , trank gepflegt 2 Gläslein, der Rest der Flasche wurde bis zum nächsten Abend wie gewohnt gekühlt weggestellt und ich trabte nach dem Abendessen gepflegt zum örtlichen Carrefour, ein Fläschlein Grappa besorgend.

So soll es dieses Jahr nicht sein! Ich trinke jetzt den 60.sten Tag keinen Alkohol und ich habe doch schon eine ganze Reihe schwierige oder zumindest nicht so tolle Situationen gut gemeistert. Darauf bin ich stolz und das gibt mir schon eine gewisse Sicherheit. Was mir tatsächlich fehlt, das sind schöne, unbeschwerte Tage ohne Alkohol on the Top. Da fehlt es mir an Übung… Soll ich jetzt ein Risiko eingehen, im August, um zu lernen, wie man schöne Tage ohne Alkohol meistert? Nur Dinge tun, die mir gut tun. Selbstbelohnung vom Feinsten. Schöne Tage ohne Alk und ohne Askese und ohne „Verzicht“ und ohne Selbstkasteiung – das wär `s.

Oder?

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in einer Kupferrüstung zu stehen und »Scheiß Götter!« zu rufen.
(Terry Pratchett)


Lauralisja Offline




Beiträge: 1.674

01.08.2017 22:52
#89 RE: Der Vorhang zu Zitat · Antworten

Hallo Susanne,

fühl mal in Beides rein, unabhängig von dem, was andere denken oder von dem, was Du denks, was andere denken.

Dann wird es klarer.

Und wenn Du normalerweise den Rest hast stehen gelassen hast um Dir danach gepflegt heimlich die Kante zu geben, bist Du vielleicht gar nicht so anfällig fürs all inklusive und musst nicht auf den Naturbonus verzichten.

Liebe Grüße und gutes Ormen
Uta

"Großer Gott, laß meine Seele zur Reife kommen, ehe sie geerntet wird!" Selma Lagerlöf


1 Mitglied findet das Top!
grufti Offline




Beiträge: 3.769

01.08.2017 22:58
#90 RE: Der Vorhang zu Zitat · Antworten

Hallo Susanne,

nach etwa 30 Tagen Abstinenz hast du geschrieben...<zum Thema Risikominimierung>

"Grundsätzlich bin ich völlig bereit, alle ersichtlich Abstinenz gefährdenden Situationen zu meiden."

Wenn du dich auch nach 60 Tagen Abstinenz noch daran halten willst, dann meine ich, würdest du keine der beiden Reisen antreten.

Klar, vielleicht klappt es, vielleicht aber auch nicht. Ich würde die 60 Tage, die doch ein schöner Anfang sind, nicht leichtsinnig auf's Spiel setzen.

Liebe Grüße vom Grufti!
Gib jedem Tag die Chance, der schönste deines Lebens zu werden (Mark Twain)


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