leider hat es etwas länger gedauert mit der fortsetzung ....
aber was denkt denn ihr, warum ich mir die schnecke als clantier erkoren und mich im tal derselbigen niedergelassen habe? hier sind die schlaglöcher nicht so tief - dafür dauern sie manchmal etwas länger
heute nacht also vor neunjahren waren es ....
.... der letze brut d'alsace .... der letzte sancerre
bisweilen habe ich meinen letzten tropfen bitter nachgeweint.
heute bin ich einfach dankbar dass selbst das schon so lange her ist.
ich weiß noch nicht einmal, welche engel das sind die mir da auf den schultern sitzen und dem alkoholteufelchen jeden platz verweigern ich habe ihnen viel zugemutet bisweilen sie mir aber auch!
vor zwei jahren, da schrieb ich:
Zitatich hätte nichts dagegen, wenn die nächsten sieben jahre etwas fetter wären. (was so das zwischenmenschliche und das finanzielle angeht.)
tja. das einzige, was in den vergangenen zwei jahren fetter geworden ist, bin ich. aber das hat ja noch fünf jahre zeit, sich zu ändern!
nun vielleicht doch noch einmal zurück zu meinen anfängen?
ich hatte ja mit meiner daily-alcohol-soap ungefähr an dem punkt aufgehört, wo mir klar wurde, dass dieser ominöse sozialbericht für meine alkoholkur nur in einer doofen suchtberatungsstelle zu kriegen war.
tataa! nee jetzt.
jahrelang hatte ich versucht, weniger zu trinken. jahrelang war mir das nicht gelungen.
aber NIE war ich ernsthaft auf die idee gekommen, mit dem trinken ganz aufzuhören. wozu auch? meine trinkmenge von durchschnittlich etwas mehr als einer flasche wein am abend lag schließlich nur knapp über dem, was deutsche weintrinkervereine und bierbrauerverbände als gesundheitsfördernd anpriesen.
ich wollte doch keinen herzinfarkt! also trank ich roten wein. für die nerven trank ich hefeweizen. wegen des vitamin B und zwar reichlich! zum beruhigen trank ich cognac. weißen wein trank ich aus prinzip. und sekt sowieso, denn der macht ja nicht besoffen, sondern kieksig (also schon beinahe damenhaft) und all das andere zeug weil es mir einfach schmeckte
jedenfalls war ich eine großmeisterin im verdrängen unangenehmer wahrheiten. wir befinden uns im jahr 1999, früher sommer, schrieb ich das schon?
ich erzählte zwar allen, dass ich alkoholikerin sei - im grunde aber doch nur, um zu kokettieren. in wirklichkeit war ich nämlich keine (dachte ich), "alkoholiker, das sind immer die anderen - nicht ich!" es war allerdings immer eine prima begründung, um jetzt gleich sofort noch ein glas wein mir bringen zu lassen
trotzdem machte ich einen termin aus in der suchtberatungsstelle für frauen in berlin-schöneberg.
schließlich meinte ich es ja ernst mit meiner alkoholkur. und wenn die blöde bfa so einen blöden sozialbericht wollte, dann sollte sie den haben.
die sozialarbeiterin in der beratungsstelle war mir unsympathisch. ein verhuschtes mäuschen, die irgendwie angst vor mir zu haben schien. wie alkohol sich anfühlt, das wusste sie nicht. sie hatte sich alles nur angelesen und sagte immer nur "die anderen frauen erzählen das aber so" - wenn ich mal wieder versuchte, aus einer ihrer vorgefertigen alkoholikerschemaschubladen zu hüpfen, in die sie mich permanent reinstopfen wollte.
als erstes rückte sie damit raus, dass so ein einzelner termin auf keinen fall ausreichen würde für einen sozialbericht. wie bitte? nee jetzt! ich sollte NOCH mal kommen? in die SUCHTberatungsstelle?! also das war mir ja nun wirklich zu doof. ich sah meine kur dahin schwinden.
die zweite schreckliche nachricht war: sie müssen vorher eine entgiftung machen. in einem krankenhaus. sie müssen nüchtern in der reha ankommen. da dürfen sie mindestens zehn tage vorher nicht trinken. das schaffen sie nicht allein.
so eine blöde nuss! was sollte ich denn noch machen in der kur, wenn ich schon VORHER mit dem trinken aufhörte? welch ein sozialarbeiterquark! welch unlogischer trillefitt! und wozu in ein krankenhaus? wie UN-angenehm und wie kommt diese sozpädmaus auf die idee, dass ich das alleine nicht schaffen kann? oh so eine blöde nuss!
naja. immerhin hatte sie mir auch erzählt, dass es die möglichkeit einer kurzzeittherapie von sechs wochen gab. das wollte ich dann haben. insgeheim war ich natürlich davon überzeugt, dass die mich nach spätestens drei wochen wieder nach hause schicken würden. sooo schlimm war es bei mir doch gar nicht!
ich bin dann also doch noch mehrmals hingegangen. in diese blöde suchtberatungsstelle. zu der blöden sozialarbeiterin. um den blöden sozialbericht zu kriegen. okay. gute mine zum bösen spiel - wenn das blöde amt das wollte?! schließlich hatte ich es auf diese doofe kur abgesehen!
ob ich die dann auch gekriegt habe .... ?
.... jetzt ist erst einmal mitternacht. meine ersten neun jahre sind rum
Danke ame. Ein großartiger Beitrag und natürlich ein noch großartigerer Inhalt. Mein Herz jubelt beim Lesen.
(Dieser Thread bzw. Deine Beiträge darin sollten ohnehin Pflichtlektüre werden hier.)
Und - ich weiß nicht warum, aber diesen beitrag hier stehen zu sehen und daran zu denken was Du nun grad für ne Erntezeit einfährst nach all den dornenreichen Pfaden der letzten Jahre - das macht mich irgendwie grad so stolz als wär ich selbst an Deiner Stelle. Hab echt grad dicht am Wasser gebaut und grinse dabei breit, blödes gefühlsdusliges Weib ich....
Vielleicht nennt man das ja auch einfach "Mitfühlen" im allerbesten Sinne. Und das tu ich.
Sei umschlungen, Du von Ingmarie
~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~ Einfach tun. Der beste Zeitpunkt dafür: immer genau jetzt.
schön hast du das geschrieben, da wird einem ja richtig warm um's Herz!
Herzlichen Glückwunsch zu neun trockenen Jahren
Beim Lesen hab ich so überlegt, wo ich im Sommer 1999 stand. Ich würde sagen, ganz ähnlicher Zustand wie du, nur Sekt hab ich nicht so viel getrunken, weil damenhaft kieksig wollte ich nicht werden und überhaupt war da immer so viel Kohlensäure drin, die hat beim Reinschütten in die Gurgel gestört.
Leider hat mein erster Anlauf in der Suchtberatungsstelle damals noch nicht wirklich gefruchtet, da warst du gescheiter. Aber du bist ja sowieso so ein Intelligenzbolzen, wie ich inzwischen weiß.
Ich wünsch dir von Herzen weiterhin alles Gute!
Liebe Grüße vom Grufti! Gib jedem Tag die Chance, der schönste deines Lebens zu werden (Mark Twain)
Ganz tief von innen meinen Respekt und Gratulation, liebe ame.
Ich fand mich gerade wieder in meinem Empfinden, das ich drei Jahre vor Dir in der Suchtberatungsstelle hatte. Dieses einerseits Naja-damußichdurch-Gefühl, das immer wieder abgelöst wurde durch das MeisinddieblöddieseSozialtanten-Gefühl. Ich der oberschlaue Viktor und da die "GesundheitssandalenTussis", die keine Ahnung vom realen Leben haben.
Heute bin ich nur dankbar, daß eine von diesen "Sozialmauserl" mich aushielt und mir half, die ersten zaghaften Schritte in die Abstinenz zu gehen.